Schwer zu begeistern - eine Alterserscheinung?

  • Ja, ich sehe, Dyke, wir verstehen uns.


    Es ging mir ja auch keinesfalls darum, das Lesen aufgeben zu wollen, da sei G*tt vor! Es gibt nach wie vor wahnsinnig viel Zeugs, das mich interessiert. Aber die "aber" werden beim Lesen halt mehr.


    * Spannender Krimi, tolle Atmosphäre, überzeugende Charaktere - aber der Schluss wird zu sehr aus dem Hut gezaubert.
    * Packender Thriller - aber F. Paul Wilson kann das besser.
    * Faszinierender historischer Roman, hochinteressantes Thema - aber ab der Hälfte gleitet das ganze in einen Nackenbeißer ab.
    * Informativer und humorvoller Reisebericht - aber stilistisch nicht ganz sauber, da hätte hier und da nochmal ein Lektor eingreifen sollen.
    * Originelles Kinderbuch, saucool umgesetzt - aber ein Korrektor hätte da noch mal drübergemusst. Und an manchen Stellen wackelt doch sehr der moralisch-erzieherische Zeigefinger.


    Mäkel, mäkel ...

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Hallo, Vandam.


    Ich habe letztens meine alten Videocassetten gefunden, die aus den Achtzigern, als ich noch massenweise Videos ausgeliehen und wie ein Blöder kopiert habe. Einige Filme konnte ich damals mitsprechen - Sachen wie "Ghostbusters", "Blues Brothers", "Good Morning, Vietnam" und (noch) weniger gute. Da waren auch die ganzen John-Hughes-Teenie-Filme bei: "Ferris macht blau" (den ich immer noch recht gut finde, weil er einfach witzig ist), "Pretty in pink" und "The Breakfast Club". Vor allem letzteren fand ich damals total klasse, es gab Wochen, da habe ich mir den Nacht für Nacht angesehen. Ich habe ihn mir gerade wieder angeguckt, und ich habe mich kaum mehr eingekriegt vor lachen. So eine Scheiße! Aufgesetzt, unglaubwürdig, hanebüchene Besetzung (vor allem der berufsjugendliche Judd Nelson ist völlig daneben). Kaum zu fassen, daß ich das früher gemocht habe. Aber es war halt so.


    Aktuelle(re) Filme, die mir gut gefallen, sind Sachen wie "Ein Freund von mir", "Lost in Translation", "The Queen", "Amelie", "Sommer vorm Balkon", "Lammbock", "Coffee And Cigarettes", "Der Eissturm" usw., um nur eine nicht repräsentative Auswahl zu nennen. Während ich als (euphemistisch gesagt) Jugendlicher unsubtilen Humor, Effekte und vergleichbares mochte, will ich inzwischen eine originelle, vielleicht sogar intelligente Geschichte erzählt bekommen, unprätentiös, aber gut besetzt, und ein bißchen weiter vom Mainstream weg, sofern möglich. Das hat nichts mit Elitarismus oder so zu tun, es ist einfach so. "Spiderman" kann meinetwegen in seinem Netz verrecken, und sollte das "Syndicate" noch einen Star-Trek-Film machen, wird der (zumindest im Kino, irgendwie bleibt man immer Fan) ohne mich stattfinden.


    Was hat sich geändert? Das eine hat sich ausgereizt, sich ähnelnde Motive und Strickmusterfilme habe ich noch und nöcher konsumiert, inzwischen ist mir meine Zeit dafür zu schade - und ich fühle mich nicht mehr unterhalten. Andere Dinge sind wichtiger geworden, auch im Kino. Ich will etwas empfinden beim Zuschauen. Und wenn ich das tue, ist auch die Begeisterung da, die ich früher - aber in anderer Form - bei "Ghostbusters" oder (juhu) "The Breakfast Club" verspürt habe.


    So ähnlich, und deshalb erzähle ich all das, geht es mir bei Büchern. Science Fiction mag ich immer noch, aber es müssen schon Dan Simmons, Richard Morgan oder Iain Banks sein, damit es mir Spaß macht. Okay, mit "Abenteuer" in allen Varianten ist es vorbei. Für andere Genres gilt Vergleichbares. Das ist keine Frage eines formulierten Anspruchs, sondern ein Effekt, der jenseits meiner Beeinflussung liegt. Ich würde das auch nicht "Erwachsenwerden" nennen. Sondern vielleicht Kalibrierung.


    Aber all das heißt nicht, daß ich weniger begeistert bin, wenn sich denn Begeisterung einstellt.

  • Zitat

    Original von Vandam
    Werden die Bücher schlechter oder wird man mit zunehmender Leseerfahrung immer wählerischer? Vielleicht, weil man mehr Vergleichsmöglichkeiten hatte als mit 15 oder 20? Weil es Autoren gab, die Maßstäbe setzten und an denen man dann eine ganze Literaturgattung misst?


    Zum einen werde ich wählerischer, weil ich es jetzt eher merke, wenn etwas einfach nicht gut ist. Das schreibe ich der Erfahrung und - teilweise - Professionalisierung zu.


    Zum anderen frage ich mich aber in letzter Zeit auch immer wieder, was es mit der Flut an Neuerscheinungen auf sich hat - Masse statt Klasse? Vandam , beziehst du dich vor allem auf Neuerscheinungen oder auch auf ältere Bücher, die du jetzt zum ersten Mal liest? Ich wollte schon längst einen Thread aufmachen zum Thema "grandioser Debütroman" - hat es zu allen Zeiten soooo viele neue AutorInnen gegeben, die ihr erstes Buch veröffentlichen? Sind die wirklich alle sooooo gut, wie es die Werbung glauben machen mag? Oder wird da um des Marketing willen auch viel mit heißer Nadel gestrickter Schund auf den Markt geschmissen?


    Ich persönlich habe für mich nach etlichen Neuerscheinungs-Enttäuschungen der letzten Jahre jedenfalls den Entschluss gefasst, mich verstärkt Büchern zuzuwenden, die die Jahre/Jahrzehnte überdauert haben, in der Hoffnung, dass der Zahn der Zeit die Perlen vom gehypten Schnelllebigen getrennt hat. Ist ja nicht so, als gäbe es da nichts, was ich noch nicht gelesen hätte...

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

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  • Auweia, ich glaube, ich habe gerade einen sentimentalen flash. "Die Blues Brothers" und "Good Morning, Vietnam" gehören zu den Filmen, die man niemals löschen sollte. Und so einige andere mit Robin Williams auch, wie "Club der toten Dichter" und "Hinter dem Horizont" um nur einige wenige zu nennen. :-)


    Ferris Bueller und Ed Rooney konnte ich mir auch öfter als einmal ansehen, allein, weil ich die Leichtigkeit des Blaumachens damals extrem beneidet habe. :grin

  • Tom hat da einen interessanten Aspekt angerissen. Während ich bei Büchern noch relativ nachsichtig bin, wähle ich Filme rigoros ab, wenn sie mich nicht in den ersten Minuten fesseln. Da verlasse ich notfalls auch vorzeitig das Kino (wobei ich das auch schon früher getan habe. Russ Meyer hat mich schon aus dem Kino vertrieben, aber auch "Das Schweigen der Lämmer, war mir zu spannend :rolleyes).
    Vielleicht sind das aber auch erste Symptome einer altersbedingten Mäkelfreudigkeit, dann wird's wohl früher oder später auch die Bücher erwischen...

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Hmmm, glaub bei mir haben es derzeit auch immer mehr Buecher schwer mich zu begeistern. In die Versuchung abzubrechen bin ich "frueher" nie gekommen.


    Allerdings erlebe ich es auch, dass wenn mich ein Buch dann tatsaechlich mitreisst und beeindruckt, so ist diese Beigeisterung wirklich nachhaltig. Diese Buecher bleiben lange in meinem Kopf. Das hab ich in meinen jungen Jahren nur selten erlebt.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Hallo, Idgie.


    "Blues Brothers", "Good Morning, Vietnam" und "Der Club der toten Dichter" sind auch in meinen Augen gute Filme. Weil ich sie damals zu oft gesehen habe, reißen sie mich heute nicht mehr vom Hocker, aber wäre das nicht der Fall (also hätte ich sie nicht so oft angeschaut), würden sie mir wahrscheinlich immer noch recht gut gefallen. Insofern waren die Beispiele (bis auf die John-Hughes-Filme) nicht sehr glücklich gewählt, aber das war auch ein bißchen Absicht, sonst wäre die Liste zu peinlich geworden. :grin

  • Ich beziehe in meine Mäkeligkeit nicht nur aktuelle Neuerscheinungen mit ein. Auch wenn ich in den unendlichen Weiten meiner Regale krame und Zeugs finde, das ich vor 20 Jahren erworben oder bekommen und dort vergessen habe, ist die Gefahr groß, dass mich das nicht groß vom Hocker reißt.


    Manch ein Blödsinn allerdings altert mit einem mit. Aktuelles dieser Machart würde man nicht mit der Feuerzange anfassen, aber den ollen Kram, den man vor 20, 30 Jahren cool fand, der ging in den Zitatenschatz ein und wird immer noch geliebt. Ich denke da an die Frühwerke von Otto Waalkes, an Emil Steinberger und auch an ... die Werner-Comics. Ich kann mir nicht helfen, das fand ich klasse, als ich noch jung und doof war, und darüber kann ich als alte Kuh auch noch lachen.


    Mit sämtlichen Comedians der letzten 10 Jahre kannste mich dagegen einmal um den Block jagen. Obwohl die bei Lichte betrachtet oft auch nicht wesentlich dämlicheres Zeug machen als die oben Genannten.


    Ich bleib auch ewig ein Trekkie (classic). Es ist natürrrrlich nicht mehr diese Hingabe wie damals mit 11, eher Nostalgie und eine treue Verbundenheit. (Wobei es einen auch mit der Nase auf die eigene "Älte" stößt, wenn man feststellen muss, dass die eine Hälfte der Helden aus der Jugendzeit alte Herren Mitte 70 sind - und die andere Hälfte schon tot.)


    Man sagt mir in den meisten Dingen des Lebens eine große Gelassenheit nach. ("Keine Aufregung, Jungs, da haben wir schon ganz andere Dinger überlebt!") Vielleicht ist die schwerer zu erzielende Begeisterung die Kehrseite davon.


    Vielleicht bin ich auch nur zu lange beruflich mit Büchern zugange. Ich bin darauf getrimmt, genau hinzugucken und sehe vor lauter Haaren in der Suppe manchmal die Nudeln nimmer.


    Und, nein eine "Lebensmittelkrise" - wie eine Freundin von mir die Midlife-Crisis nennt, isses nicht. Ich glaub, ich hatte alle meine Krisen schon. :grin

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Zitat

    Original von Vandam
    Werden die Bücher schlechter oder wird man mit zunehmender Leseerfahrung immer wählerischer? Vielleicht, weil man mehr Vergleichsmöglichkeiten hatte als mit 15 oder 20? Weil es Autoren gab, die Maßstäbe setzten und an denen man dann eine ganze Literaturgattung misst?


    Du hättest Dorothy Dunnett aber auch nicht lesen sollen. :lache Mir geht es genauso. Zumindest was historische Romane angeht. Bei anderen Genres sind mir dann wieder andere Dinge wichtig. Aber bei historischen Romanen kommt dann irgendwann wieder unweigerlich der Vergleich mit Dunnett. Und ehrlich gesagt hat mich die Flut an historischen Romanen auch irgendwie müde gemacht, die Neuerscheinungen überhaupt noch umzudrehen, was vor zwei Jahren noch anders war. Da bin ich bei jedem Besuch in der Buchhandlung immer gleich zum Tisch mit den historischen Romanen gegangen und hab alles durchgepflügt. Unser Hugendubel hat allerdings jetzt auch das Regal verschoben und den zusätzlichen Auslagetisch abgebaut, vielleicht kündigt sich da eine Trendwende an? :gruebel

  • Ist mir auch schon aufgefallen, vor ein paar Jahren waren die Historischen Bücher in einer kleinen Ecke in der Buchhandlung, heute stehen sie zu hunderten am Eingang auf grossen Stapeln. Das macht sie irgendwie uninteressant für mich, obwohl ich sehr gerne Historische Romane lese.
    Ich bin jetzt immer auf der Suche nach "unbekannten" Historischen Büchern, solche die nicht Stapelweise angeboten werden.

  • Zitat

    Original von Faraday
    Ist mir auch schon aufgefallen, vor ein paar Jahren waren die Historischen Bücher in einer kleinen Ecke in der Buchhandlung, heute stehen sie zu hunderten am Eingang auf grossen Stapeln. Das macht sie irgendwie uninteressant für mich, obwohl ich sehr gerne Historische Romane lese.
    Ich bin jetzt immer auf der Suche nach "unbekannten" Historischen Büchern, solche die nicht Stapelweise angeboten werden.


    Bei unserem Hugendubel ist es schon wieder andersherum. Der Tisch ist weg und das Regal ist verschoben worden.

  • Dunnett versaut einen auf ewig, das ist schon wahr. Ich bin sonst gar kein großer Freund von historischen Romanen, weil die Informationen aus den Büchern durch meine kuhgroßen Wissenslücken ins Bodenlose fallen. :grin Aber DD habe ich auf die Empfehlung einer Kollegin gelesen. "Doch, doch, das nimmste mit, das gefällt dir."


    Stimmt. Und seither kein anderer historischer Roman mehr. Nicht *so*.

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    Ingo Baumgartner

  • Ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt.


    Mir geht es seit ein paar Jahren auch so. Ich bekomme noch dazu viele Bücher "wahllos" geschenkt, fange sie an und steige frustriert aus. Früher gab es bei mir strikt die "jeder-kriegt-die-ersten-100-Seiten"-Regelung, heute lege ich Bücher auch früher schon aus der Hand. Übersättigt? Vielleicht. Vielleicht eignet man sich im Laufe der Lesejahre ein großes Fachwissen an, das dann dafür sorgt, dass zumindest die Handlung oft vorhersehbar ist.
    Inzwischen schwöre ich mir immer öfter, von einem Autor, dessen Buch ich tatsächlich toll fand, kein zweites mehr zu lesen. Beispiel: Richard Powers. Oder Jonathan Frantzen. Man steckt die Erwartungen an das zweite automatisch zu hoch.
    Vielleicht ist man auch generell enttäuscht, weil einem die Lobeshymnen auf dem Cover etwas vorgaukeln, das nicht eingehalten wird.
    Der Gipfel war einmal, als ich zwei Bücher für eine zweistündige Zugfahrt kaufte, und sie bereits nach einer Stunde, beim Umsteigen, einem verdutzten Mitfahrer in die Hand drückte, um sie so schnell wie möglich loszuwerden. Eines hatte super gut angefangen, man merkte, wie der Autor an dem ersten Kapitel gefeilt und gefeilt hatte, und dann flachte alles ab.


    Und während ich dies schreibe, kommt mir der Gedanke, ob nicht doch die Verlagswelt an sich schuld ist. Jedes Jahr soll der Autor ein neues Buch produzieren - das geht eigentlich nicht, wenn man genügend Zeit für das Überarbeiten haben will! Und genau dieses Überarbeiten macht aus einem guten Buch erst ein verdammt gutes Buch.


    In der Branche hat sich der Wahn eingeschlichen, dass man die Leser mit einem Frühjahrs- und einem Herbstprogramm überschwemmen muss, weil Bücher angeblich eine Verfallszeit von einem halben Jahr haben. Haben sie nicht - wenn sie gut sind.


    Eine Stunde später...


    ...war mal kurz in der Buchhandlung ;-) räusper... unter anderem sind nun der "Biss" und der "Traktor" mein. Soviel dazu...


    Kann es vielleicht sein, dass wir heute - anders vor vielen Jahren - eben andere und mehr Sorgen haben, gepaart mit weniger Zeit? Dass wir nicht mehr so viel aus Büchern lernen können, weil wir eben mehr im Laufe der Jahre selbst viel Erfahrung gesammelt haben? Ich weiß noch, wie ich die sogenannte "Frauenliteratur" vor Ewigkeiten mal eine Phase lang verschlungen und überall Absätze markiert habe, weil sie sooo wichtig waren. Wenn ich die heute nachlesen würde, würde mich wahrscheinlich das große Gähnen überkommen. Also doch das Alter?


    Dagegen spricht, dass wir ja immer noch in der Lage sind, uns von Büchern hinreißen lassen. Nicht mehr so oft wie früher, aber immerhin! Also kann unser Unmut nicht ausschließlich an uns und unserem Alter liegen!


    Rita (53)

  • Schwer zu begeistern bin ich eigentlich nicht. Aber mäkeliger als früher. Viele Komödien sind mir z.B. einfach zu platt, darüber kann und mag ich nicht lachen. Das trifft aber auch auf die meisten Comedy-Sendungen im Fernsehen zu.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Rita


    Eine Stunde später...


    ...war mal kurz in der Buchhandlung ;-) räusper... unter anderem sind nun der "Biss" und der "Traktor" mein. Soviel dazu...


    Ogottogott, was habe ich da angerichtet... :wow
    Das mit dem Biss war ein Witz, ehrlich... Delphin hat es ja erklärt...


    Aber das Buch veranschaulicht vielleicht wirklich, worum es hier geht: Für LeserInnen mit wenig Leseerfahrung ist es DAS Buch seit der Bibel, sozusagen, und das sei ihnen unbenommen. Ein bisschen beneidet man sie ja um ihre Begeisterung. ;-) Für viele, die schon ein bisschen mehr gelesen haben, ist es ein ziemlich clever gemachtes Buch, aber mehr eben auch nicht. Da muss schon mehr kommen, um uns vom Stuhl zu reißen - eine kleine Dosis Droge reicht nicht mehr für einen Trip.


    Ich glaube, ich muss endlich mal Dorothy Dunnett lesen...

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von MaryRead
    Ich glaube, ich muss endlich mal Dorothy Dunnett lesen...


    Ich kämpfe mich schon seit bestimmt drei Monaten durch den sogenannten Prolog und gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich mit dem Folgeband ebenfalls in den Suchtgenuß komme :lache

  • Zitat

    Aber mäkeliger als früher.


    Mäkelig klingt so äkelig. :grin


    Man kann über den selben Witz nicht zweimal lachen, das ist einfach so, aber viele Witze sind nur Variationen ein und desselben Musters, deshalb schleift sich das mit der Zeit, und man schmunzelt bestenfalls noch. Vor zwanzig Jahren wären ich vielleicht grinsend aus "7 Zwerge alleine im Wald" gekommen, heute würde ich nicht mal reingehen. Ich weiß einfach, was mich erwartet, ich kenne die Gags und die platte Dramaturgie.


    Viele Bücher erzählen ganz ähnliche Storys, und bei bestimmten Genres scheint dramaturgische Originalität eher ein Ausschlußkriterium für das Erscheinen des Buches zu sein. Da weiß man einfach, daß "Die Henkerin" am Ende den schnieken Landgrafen kriegt und tonnenweise überfröhlicher Scheißbären in die Welt setzt. Wenn man noch nicht allzu viel von derartigen Büchern gelesen hat, mag sich noch Spannung, Identifikation und Begeisterung einstellen, aber nach zwei, drei Dutzend gleicher Geschichten hat man's einfach satt.


    Das ist eine Sache der Erfahrung. Was man schon kennt, in dieser oder ähnlicher Form, das reißt einen einfach nicht mehr vom Hocker. Mag sein, daß das Beiwerk - die Effekte bei "James Bond" oder so - noch ausreicht, um die Toleranzschwelle gerade so zu überschreiten, aber genaugenommen ist doch schweinelangweilig, wenn man von der ersten Szene an weiß, wie das ganze enden wird. Und das gilt eben auch für viele Bücher. Man lenkt, das ist jedenfalls meine Erfahrung, das Hauptaugenmerk auf andere Elemente. Schöne Sprache, originelle Figurenzeichnung, einfach mal was anderes. Natürlich wird dabei mit der Zeit die Luft dünner. Dafür machen dann die Perlen, die man im gleichförmigen Überangebot entdeckt, um so mehr Spaß.

  • Hallo,


    ich bin zwar nicht in derselben Altersgruppe wie du, denke jedoch schon, dass du (teilweise) Recht hast. Ich selbst kann das,um ehrlich zu sein,nicht so Recht beurteilen. Mich hat kürzlich eine Person aus deiner Altersgruppe genau auf dasselbe Problem aufmerksam gemacht. Erst da habe ich bemerkt, dass ich mir darüber bisher eigentlich noch keine Gedanken gemacht habe. ;-( Aber anscheinend geht es wohl nicht nur dir so!
    Lg! :wave

    Das Vielsinnige des Lesens: Die Buchstaben sind wie Ameisen und haben ihren eigenen geheimen Staat.
    (Elias Canetti (1905-94), Schriftsteller span.-jüd. Herk.)

  • Zitat

    Für viele, die schon ein bisschen mehr gelesen haben, ist es ein ziemlich clever gemachtes Buch, aber mehr eben auch nicht.


    Eine Rezensentin bei Deutschlandradio verglich das Buch (den Bis(s))mit einem Alkopop; es steht bei meiner Tochter, vielleicht sollte ich es doch mal lesen, um etwas über clever gemachte Bücher zu lernen (und dann vielleicht selbst einmal eins zu schreiben :grin)
    Aber es stimmt: meistens entstehen Hypes (Z.B. historischen Romanen) nach einzelnen gutgemachten dieses Genres (angefixt hat mich "Der Name der Rose", abgefixt "Die Truhen des Archimboldo", leider lagen nur zwei weitere so-naja-historische-Romane dazwischen). Ähnlich mit skandinavischen Krimis:(angefixt durch Sjöwall/Walhöö, abgefixt durch Helen Tursten; aber Isländer schlüpfen immer noch mit durch).

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ah ... die Truhen des Archimboldo! Das läuft bei mir unter "Gröschaz" - größter Scheiß aller Zeiten. Und bei dem Klimbim, der mir tagein, tagaus auf den Tisch kommt, will das was heißen.


    Meine Nerven! Da hätten es ein halbes Dutzdend der Kleinstverlag-Autoren hundertmal mehr verdient gehabt, veröffentlicht zu werden. Das war doch nix als abtörnender Schweinkram, garniert mit hanebüchener Handlung, Hasstiraden auf diverse Institutionen, tell statt show - und einer abartig unglaubwürdigen Personenzeichnung. Fast hätte ich die hölzerne Sprache vergessen.


    Ich hab das dann aber, großzügig überblätternd, bis zum Ende durchgezogen. Fassungslos staunend, wie ein einzelner Autor so eine Menge literarischen Kackmist absondern kann. Und das auch noch verkaufen konnte. Letzteres verdient ja schon wieder Bewunderung.


    Die Truhen sind mir erst vor ein paar Jahren untergekommen. Wenn der Markt für einen routinierten Leser also noch den Flop seines Lebens bereithält, viellicht kommt ja auch noch der eine oder andere persönliche Tophit.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner