Drabbles - Kommentare

  • Liebe schreibende Eulen,


    habt ihr euch schon mal an einem Drabble versucht?


    Definition laut wikipedia:


    Ein Drabble ist eine pointierte Geschichte, die aus exakt 100 Wörtern besteht. Dabei wird die Überschrift nicht mitgezählt. Ursprünglich als Fanfiction betrieben, wird sie aufgrund ihrer einfachen äußeren Form gerne von ungeübten Autoren als Einstieg in Lyrik oder Prosa genutzt. Durch die Beschränkung auf das Wesentliche stellt das Schreiben von Drabbles auch für erfahrene Autoren eine Herausforderung dar.


    Ich liebe diese Ausdrucksform und ich habe gemerkt, dass man sich damit durchaus gegenseitig beflügeln kann. Ich würde mich freuen, wenn ich Drabbles von euch zu lesen bekomme.


    Lg, Rosha :wave

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Franz Kafka

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  • Ich fange an:


    Kindermund


    „Und, was habt ihr heute gemacht, du und der Opa?“


    „Wir sind am Bach gewesen und haben Steine reingeschmissen. Ganz große!“


    Die Kinderaugen leuchten, als hätten sie die Sonne eingefangen, die das Wasser reflektierte.


    „Das ist ja großartig! Habt ihr noch was gemacht?“


    „Ja, Opa hat Quetschen“, er stolpert über das noch schwierige Wort, „vom Baum gepflückt. Die haben gut geschmeckt.“


    Die Mutter nickt anerkennend.


    „Und dann hat Opa in die Wiese geschissen.“


    „Was hat Opa?!?“


    „Na, mit dem Ball in die Wiese geschissen.“


    „Geschossen heißt das, mein Schatz!“ lacht die Mutter und drückt ihren kleinen Sohn fest an sich.

  • Zitat

    Original von Groupie
    Nicht schlecht. Gefällt mir. Kleine Anmerkung vielleicht ... Ich hatte geschmissen erwartet. Kinder verwechseln doch nicht i- und o-Laute, oder?


    Nein, das war wirklich Originalton. Der Opa hat ja nicht geworfen (geschmissen), sondern mit dem Fuß geschossen. Opa schießt. Nach "Kinderlogik" hätte es also durchaus heißen können:


    Opa hat geschießt.


    Das Kind hat aber tatsächlich geschissen gesagt. Warum auch immer... ;-)

  • Ich habe ich nur mit meinen Schülern darin versucht. Ich durchstöbere mal meine SchreibtischSchublade, ob da etwas vorzeigbares dabei ist.
    @ Rosha: Daumen hoch! :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Aus dem Fundus:


    Frau im Spiegel


    Langsam schlich sie in das Badezimmer und näherte sich vorsichtig dem lauernden Spiegel.
    Auch heute Morgen begegnete sie wieder der Fremden, die gleichgültig durch sie hindurchsah.
    „Ich werde dich jetzt waschen!“ Mit trotziger Entschlossenheit schaufelte sie kaltes Wasser in das Gesicht.
    Die Fremde reagierte nicht.
    Wütend verpasste sie der anderen eine gehörige Abreibung mit dem Handtuch.
    Mechanisch verteilte sie großzügig das flüssige Make-up.
    Mit Lidschatten und Puder verdeckte sie die Gesichtslose.
    Mit dem Auftragen des Lippenstifts riskierte sie, dass die Fremde ein Eigenleben entwickelte.
    „Und- was machen wir heute Schönes?“
    Eilig verließ sie das Badezimmer. Der Spiegel duldete keine Lüge.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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  • Gefällt mir echt gut, Rosha.


    Und ich finds auch logisch. "Schmeißen - geschmissen", da liegt doch "schießen - geschissen" irgendwie nahe. So ein Kind kennt doch die feinen Unterschiede noch nicht und denkt vermutlich: gut, wenn es bei dem einen Wort so geht, dann beim nächsten auch. Ich fands jedenfalls logisch. Und lustig:-)


    Ich freue mich schon auf weitere Beiträge hier von Euch.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

  • Na, ich wollte hier jetzt auch nicht über die Reihenfolge der einverleibten Grammatikregeln beim Erstsprachenerwerb diskutieren. Ich hatte beim Lesen eben einfach was anderes erwartet.


    @ Rosha: Danke für den Thread. Ich hatte von Drabbles noch nie gehört. Gefällt mir aber ziemlich gut. :wave

  • beide Drabbles sind gut. Dieser Thread wird garantiert noch von sich hören lassen.


    Das Drabble erinnert mich vage an ein Poetry Slam, wo man in einer bestimmten Zeit sein Gedicht/Vortrag halten muss. Hier ist der Rahmen die Anzahl der Wörter. Sonst haben beide Kunstformen aber gar nichts gemein.


    Freue mich schon mehr hier zu lesen.

    Man muß noch Chaos in sich haben um einen tanzenden Stern gebären zu können - frei nach Nietzsche
    Werd verrückt sooft du willst aber werd nicht ohnmächtig - frei nach Jane Austen - Mansfield Park

  • Okay ich versuch's auch mal...


    Jeff


    „Tasche, sah den Typen, schaute mich direkt an“, schreibt er und fällt ins Reich der Träume. Ins Reich der Albträume. Detonation, Inferno, Blut. Er spürt nichts mehr. Ein Junge, ein netter Kerl mit braunen Locken lächelt ihn an: „Wo sind deine Beine?“, fragt er. Seinen Mund umspielt ein feines Lächeln. Wo sind meine Beine? Ja wo sind sie? Eben waren sie noch da.


    Man reißt ihn aus dem Schlaf. Sonnenbebrillte Männer fragen ihn aus, stundenlang. Er muss sie ertragen. Die Fragen, die Videos, das Grauen.


    „Du hast Schande gebracht, für das Volk von ganz Tschetschenien“, schreit der Mann im Fernsehen.