'Geister' - Teil 4

  • Ich weiß gar nicht, wie ich meine Gedanken alle aufschreiben soll. Das Buch füllt meine Gedanken gerade sehr.


    Ich mochte diesen Abschnitt, denn er beschäftigt sich mit der Mutter, ihrer Kindheit und Jugend (1968). Ein wenig kann man schon erahnen, wie sie wurde, wie wir sie in der Gegenwart vor ihrem drohenden Gerichtsverfahren erleben.

    Man erlebt die Enge und Strenge dieser Zeit, wo Mädchen zu künftigen Ehefrauen erzogen wurden, deren höchstes Ziel es sein sollte, einen Mann zu halten, ihm alles recht zu machen, um ihn zufrieden zu stellen in jeder Hinsicht. Ging trotzdem etwas schief, war die Frau schuld daran, hatte etwas falsch gemacht.

    Das ist noch nicht soo lange her und doch total weit weg, bloß gut.


    Fayes "Panikattacken", die als Nervenleiden bezeichnet werden, muss ich mir noch mal gedanklich einordnen. Sie versucht unauffällig zu sein, nett, beliebt, klug - keine Angriffsfläche zu bieten.

    Dass sie sich trotzdem entschließt, ans College nach Chicago zu gehen, auch wenn das in der letzten Konsequenz aus der Not und dem nicht mehr zu Hause bleiben können geboren ist, finde ich mutig.

    Wer weiß, was dort mit ihr passiert...


    Eine wirklich düstere, verklemmte, enge Zeit, diese "Wilden 68er Jahre:gruebel

  • Eine wirklich düstere, verklemmte, enge Zeit, diese "Wilden 68er Jahre:gruebel

    Und leider scheint diese Zeit nicht vergessen zu sein und erlebt (zumindest hier in Österreich) fröhliche Auferstehung. Dass Mädchen sich ununterbrochen anstrengen müssen, der Männerwelt zu gefallen; dass Frauen in Zeiten erhöhter Arbeitslosigkeit wieder in die unbezahlte Hausarbeit und damit in die Abhängigkeit getrieben werden; dass hochqualifizierte Frauen immer weniger gegen die Männerbünde ankommen - alles hierzulande traurige Realität.


    Ich fand diesen Abschnitt sehr wichtig, um Faye zu verstehen. Dieses Mädchen hatte eigentlich keine Chance in diesem Elternhaus, mit diesen falschen Freundinnen und der Enge der konservativen Kleinstadt mit all den Intrigen, Vorurteilen und dem Klatsch und Tratsch. Und nicht einmal die Eltern fragen nach, als es um die Verleumdung geht.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Ich bin mit dem Abschnitt noch nicht ganz durch, mich schüttelt es aber bei den Lerninhalten der Schule. Immerhin haben sie zur Sauberkeit auf den Schulklos beigetragen.

    Aber wie perfide, den Mädchen einzutrichtern, ein Mann würde sie wegen eines zu dreckigen Klos verlassen.


    Sehr gelungen finde ich die Beschreibung, wie Faye sich bei dem Schulkonzert unter Druck gesetzt fühlt - und wie sich im Lauf der Zeit bei ihr das entwickelt, was man heute wohl generalisierte Angstörung nennen würde. Die Angst vor der Angst. Furchtbar.

  • Ich fand diesen Abschnitt sehr wichtig, um Faye zu verstehen. Dieses Mädchen hatte eigentlich keine Chance in diesem Elternhaus, mit diesen falschen Freundinnen und der Enge der konservativen Kleinstadt mit all den Intrigen, Vorurteilen und dem Klatsch und Tratsch. Und nicht einmal die Eltern fragen nach, als es um die Verleumdung geht.

    Für das Verstehen war der Abschnitt wirklich wichtig. Trotzdem kann ich nicht alles nachvollziehen, was die macht und denkt, erst recht nicht, wie sie sich in der Gegenwart verhält oder warum sie ihren Sohn, nicht nur ihren Mann, verlassen hat. Das ist für mich echt unvorstellbar.

    Ich vermute, dass wir es später noch erfahren werden, wie sich bisher alles immer schön Stückchenweise aufklärt.

    Ich mag das.

  • ...und wie sich im Lauf der Zeit bei ihr das entwickelt, was man heute wohl generalisierte Angstörung nennen würde. Die Angst vor der Angst. Furchtbar.

    Ich möchte nicht wissen, wie man so etwas damals behandelt hat. Hilfe hat Faye nicht wirklich.


    All das könnte mich als Lese dazu bringen, Faye zu mögen, aber irgendwie tut es das nicht. Sie bleibt mir fern. Ich glaube, dass schon ziemlich viel passieren muss, damit sich das ändert. Faye hatte bei mir schon in dem Augenblick verloren, als sie ihren Sohn nach so vielen Jahren wiedersieht...

  • Inzwischen bin ich durch mit diesem Kapitel und ich kann nur sagen, ich bin froh, dass ich in meinem Alltag nicht so eine geballte Ladung von Bosheit und Gemeinheit vorfinde.

    Die Aktion von Margaret war wirklich das Allerletzte, noch schlimmer als die Bestrafungsaktion von Bishop, aber das ist vielleicht Ansichtssache.


    Ob ich Faye mag, weiß ich noch nicht. Sie tut mir aber sehr leid. Sie hat wirklich niemanden, der sie unterstützt. Nicht in der Familie, keine Freunde. Im Gegenteil, was ihr Vater da tut, ist grausam und für mich kaum nachvollziehbar.

    Die Mutter interessiert sich auch mehr für die Vorgänge im Fernsehen.

  • Mittlerweile kann ich das Buch kaum noch aus der Hand legen. Beim Lesen spuken immer wieder die Worte, "Die Geister, die ich rief", in meinem Kopf herum.

    Es ist erschreckend zu lesen, wie sehr Frank Fays Seele zerstört. Ich bin auch mit Drohungen wie "Gott sieht alles und bestraft dich" oder "Dann kommt der Schwarze Mann und holt dich!" erzogen worden und ich kann diese Ängste gut nachvollziehen. Angst ist ein guter Erzieher- aus Sicht der Eltern.

    Eigentlich finde ich es unmenschlich stark, dass Faye ihre Ängste in Fleiß ummünzen kann. Wäre da nicht der Vater, der auch daran Anstoß nimmt. Unfassbar.

    Über der Stadt scheint ja eine Art Banner zu hängen, das Extravaganz, Einzigartigkeit und eine eigene Lebensgestaltung verbietet. Lebensfreude und Genüsse sind die auserkorenen Feinde. Schrecklich.

    Beklemmend zu lesen, wie Faye und Henry das Entdecken ihrer Sexualität beschämt verteufeln.

    Die sexuelle Befreiung ist in Iowa noch nicht angekommen.


    Mich beschäftigt beim Lesen vor allem der Gedanke, warum Faye sich anscheinend trotz ihrer guten Leistungen nicht von all dem befreien konnte und trotz ihrer Ängste diese düsteren Geschichten an ihren Sohn weitergibt.

    Ich bin sehr gespannt, wie ihre Entwicklung weitergeht.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Die Aktion von Margaret war wirklich das Allerletzte, noch schlimmer als die Bestrafungsaktion von Bishop, aber das ist vielleicht Ansichtssache.

    Sie ist das Allerletzte, das sehe ich auch so, aber wahrscheinlich wusste Margaret keinen anderen Ausweg. Das entschuldigt ihr Verhalten nicht, macht es mir aber verständlich. Ein uneheliches Kind ist in dieser keimfreien und lustbefreiten Umgebung keine Option. Ich denke, sie hat sich Faye ausgesucht, weil diese in den Augen der Stadt "rein" ist. Und Faye ist natürlich anfällig für Zuwendung, sie hat ja sonst keine Freundinnen.

    Das liest sich alles ganz furchtbar.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Und leider scheint diese Zeit nicht vergessen zu sein und erlebt (zumindest hier in Österreich) fröhliche Auferstehung. Dass Mädchen sich ununterbrochen anstrengen müssen, der Männerwelt zu gefallen; dass Frauen in Zeiten erhöhter Arbeitslosigkeit wieder in die unbezahlte Hausarbeit und damit in die Abhängigkeit getrieben werden; dass hochqualifizierte Frauen immer weniger gegen die Männerbünde ankommen - alles hierzulande traurige Realität.

    Zum Glück kann ich das in meiner Umgebung nicht feststellen. Aber in Zeiten von Seehofers Männer-Mannschaft auch nicht undenkbar...

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Mich beschäftigt beim Lesen vor allem der Gedanke, warum Faye sich anscheinend trotz ihrer guten Leistungen nicht von all dem befreien konnte und trotz ihrer Ängste diese düsteren Geschichten an ihren Sohn weitergibt.

    Ich bin sehr gespannt, wie ihre Entwicklung weitergeht.

    Das ist einer der Fragen, die mich beim Lesen auch beschäftigt haben und eigentlich immer wieder beschäftigen. Das ist ja auch etwas, das in vielen Familien passiert.

    Diejenigen, die am wenigsten dafür können, sind die Kinder, denen man nur wünschen kann, dass sie es sind, die diesen Teufelskreis durchbrechen können.

  • Ich bin noch gar nicht auf die Idee gekommen, dass Margaret den Inhalt des Päckchens tatsächlich braucht. Ich dachte, es ist ein einziges böses Spiel um Faye in Misskredit zu bringen.

    Motiv: Rache, weil ihr Freund schlechter ausgesehen hat als ihr eigener.


    Wir wissen noch nicht, was Faye in Chicago widerfahren ist. Vermutlich nicht nur Gutes.

  • ch bin noch gar nicht auf die Idee gekommen, dass Margaret den Inhalt des Päckchens tatsächlich braucht. Ich dachte, es ist ein einziges böses Spiel um Faye in Misskredit zu bringen.

    Motiv: Rache, weil ihr Freund schlechter ausgesehen hat als ihr eigener.

    Das kann natürlich auch sein. Für Margaret ist es natürlich besonders prekär, ein Abtreibungsmittel zu bestellen, wenn der Vater der Apotheker ist. Ich dachte, vielleicht denkt sie, der perfekten Faye wird eher "verziehen".

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich bin noch gar nicht auf die Idee gekommen, dass Margaret den Inhalt des Päckchens tatsächlich braucht. Ich dachte, es ist ein einziges böses Spiel um Faye in Misskredit zu bringen.

    Motiv: Rache, weil ihr Freund schlechter ausgesehen hat als ihr eigener.

    Das kann natürlich auch sein. Für Margaret ist es natürlich besonders prekär, ein Abtreibungsmittel zu bestellen, wenn der Vater der Apotheker ist. Ich dachte, vielleicht denkt sie, der perfekten Faye wird eher "verziehen".

    Ich denke, dass sie es wirklich brauchte. Alles andere wäre schon...

    Der Apotheker fragt sie noch, ob es wirklich für sie wäre. Und er bricht eindeutig seine Schweigepflicht, oder gab es das damals nicht? Ich kann auch die Eltern nicht verstehen, besonders die Reaktion des Vaters. Passt aber zur Gesamtsituation in Fayes Familie.


    Hat Margaret Fayes Freundschaft nun nur gesucht, um sie auszunutzen oder bloß zu stellen oder jemand zu finden, der die Kastanien für sie aus dem Feuer holt? Oder wollte sie wirklich Freundschaft und hat dann nur eine, die letzte Gelegenheit genutzt? Was denkt ihr?

  • Keine Ahnung, wie das in USA mit Schweigepflichten ist. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es sie nicht gab und gibt. Aber wie das in Käffern eben so ist.


    Also ich glaube, das Margaret eifersüchtig auf Faye war und sie nur bloßstellen wollte. Zu drastisch ist die Veränderung in ihrem Verhalten. Sie konnte die vermeintliche Kränkung, dass der Freund einer Anderen besser dastand nicht verwinden. Vielleicht erfahren wir es noch.

  • Hat Margaret Fayes Freundschaft nun nur gesucht, um sie auszunutzen oder bloß zu stellen oder jemand zu finden, der die Kastanien für sie aus dem Feuer holt? Oder wollte sie wirklich Freundschaft und hat dann nur eine, die letzte Gelegenheit genutzt? Was denkt ihr?

    Ich denke schon, dass sie nur jemanden brauchte, der ihr das Abtreibungsmittel besorgt. Eine Freundin suchte sie wohl nicht.

    Laura könnte Margarets Tochter sein. :chen

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Dann warte mal ab, was sie noch so bringt, also Laura! Sie könnte wirklich die Tochter sein:lache


    Ich will trotzdem immer noch glauben, dass sie Fayes Freundschaft echt gesucht hat, vorerst ohne Hintergedanken und Plan, aber es ist unwahrscheinlich. Immerhin hat sie sie erst immer ignoriert. Ihr Interesse kam doch sehr unerwartet daher.

  • Ich mochte diesen Abschnitt, denn er beschäftigt sich mit der Mutter, ihrer Kindheit und Jugend (1968).

    Ich mochte diesen Abschnitt auch sehr. Auch wenn ich ihn zum Teil echt erschreckend und heftig finde.

    Faye tut mir sehr leid. Und ich mag sie auch. Zumindest in diesem Abschnitt, als sie noch ein junges Mädchen ist. Ich finde es so schlimm, wie ihr Vater sie behandelt. Zum Beispiel, als sie während des Konzertes einen Anfall bekommt, weil sie Angst hat zu versagen. Und das es dem Vater dann nur peinlich ist und er sie dafür noch schimpft. Also das Verhalten des Vaters ist wirklich schlimm. Oder das er überhaupt nicht stolz auf seine Tochter ist, obwohl sie so gut in der Schule ist und das Stipendium bekommen hat. Aber nein, das ist ihm auch eher peinlich und man hat das Gefühl, sie kann ihm überhaupt nichts recht machen .Ich kann Faye in diesem Abschnitt auch gut verstehen und mich in sie hineinversetzten.


    Ich will trotzdem immer noch glauben, dass sie Fayes Freundschaft echt gesucht hat,

    Das glaube ich definitiv nicht! Ich fand ihr Verhalten von Anfang an komisch, die seltsame Einladung zu der Feier und ihre Anweisungen, was Faye genau tun soll. Ich bin mir sicher, sie macht das aus Berechnung und um ihr zu schaden.

    Eigentlich finde ich es unmenschlich stark, dass Faye ihre Ängste in Fleiß ummünzen kann. Wäre da nicht der Vater, der auch daran Anstoß nimmt. Unfassbar.

    :write

    Das finde ich auch gut. Faye gibt sich nicht einfach ihren Ängsten hin sondern versucht auf ihre Art etwas dagegen zu machen: die Ängste in Fleiß und Lernen umzuwandeln. Das ist für mich auch eine Art von Stärke