'Jahre aus Seide' - Seiten 081 - 146

  • Ja, die Chanukka- und Weihnachtsgeschenkeproduktion ist schon interessant zu lesen. Ruth ist echt süß in ihrer Eifrigkeit. :love:

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Ich muss sagen, ich fühle mich sehr wohl mit diesem Buch!

    Ruth hat wirklich eine tolle Kindheit gehabt, auch wenn ihr Papa soviel unterwegs ist. Aber wenn ich mir überlege, dass damals ja noch 6 Tage gearbeitet wurde und die Eltern dann oft lang ausser Haus waren, geht es ihr mit ihrem Papa eigentlich auch nicht so schlecht. Immerhin ist er an 2 Tagen die Woche zu Hause.


    Dass Kinder wie Erwachsene behandelt worden sind, vergisst man heutzutage gerne immer wieder. Ruth und Ilse haben es ja dabei noch gut, aber in Familien, wo beide arbeiten mussten sind die Kinder auch im Haushalt ja noch viel stärker in die Pflicht genommen worden.


    Ich muss Rouge zustimmen, die Vorbereitungen auf Chanukka und Weihnachten fand ich sehr besinnlich. Ganz ehrlich , es war das erste Mal, dass bei mir sowas wie Weihnachtsstimmung aufkam.


    Die Politische Situation ist ja jetzt noch nicht so angespannt und trotzdem machen sich die Erwachsenen Sorgen. Ich kann Richard Merländer schon verstehen, wie er sagt, dass die Deutschen ja dumm sein müssten die erfolgreichen jüdischen Geschäftsleute rauszuwerfen. Aber leider hat er da nicht damit gerechniet, dass man ihm sein Geschäft einfach wegnehmen könnte und dann jemand anderes seine Geschäfte führt.

    Aber gut, noch ist ein wenig hin, bis es schlimmer wird. Wobei es ja eigentlich schon 29 mit der Wirtschaftskrise losgeht, dass dürfte ja dann auch wieder Karl stärker betreffen

  • Ich muss Rouge zustimmen, die Vorbereitungen auf Chanukka und Weihnachten fand ich sehr besinnlich. Ganz ehrlich , es war das erste Mal, dass bei mir sowas wie Weihnachtsstimmung aufkam.

    Ja bei mir auch.:) Ich finde es gerade total passend, dieses Buch, bzw. den Abschnitt, in dem es um Weihnachten geht hier in der Vorweihnachtszeit zusammen zu lesen. Bis jetzt ist das für mich ein richtiges Wohlfühlbuch.

  • Ich fühle mich mit dem Buch auch total wohl. Grade genau das Richtige um zur Ruhe zu kommen. Ich brauche auch kein Drama. Eine liebevoll erzählte Geschichte ist völlig in Ordnung.


    Die eingestreuten jüdischen Bräuche und Erklärungen dazu finde ich total interessant. Ich finde es schön, wie Martha und auch Karl immer wieder betonen, dass sie in erster Linie Deutsche sind und dann erst Juden. Wie sie christliche und jüdische Bräuche miteinander verbinden, weil sie den Kinder genau das mitgeben möchten. Es gibt zwar unterschiedliche Religionen, aber trotzdem sind wir alle gleich. Es ist echt schlimm zu wissen, was da noch auf sie zukommt. Noch ist die politische Lage recht entspannt, aber die ersten Sorgen sind da.


    Ruth gefällt mir nach wie vor gut. Sie ist ein aufgewecktes Mädchen. Wie süß sie sich Gedanken über die passenden Geschenke für alle macht, und dass es was selbstgemachts sein muss. Da geht einem das Herz auf.


    Merländer kann ich noch nicht richtig einschätzen. Irgendwie ist er mir suspekt.


    Mit Theissens als Nachbarn wird es sicher auch noch Probleme geben.

  • Dieses Buch unbelastet zu lesen, wenn man weiß, was auf Deutschland und die jüdische Bevölkerung zu kommt, ist wirklich schwer. Dennoch hat auch dieser Abschnitt viel Wohlfühlpotenzial. Auch wenn ich denke, dass das durch den Einzug des neuen Nachbarns sicherlich getrübt werden wird. Interessant, dass er sich ausgerechnet diese Gegend ausgesucht hat, wo doch einige jüdische Familien wohnen. Ob ihm das bewusst ist? Oder ist er (noch) gar nicht antisemitisch eingestellt?


    Etwas über die jüdischen Bräuche und Feiertage zu erfahren gefällt mir sehr. Aber ich habe mich gefragt, ob 8 Tage lang Chanukka gefeiert wird oder man die sieben Tage vorher eher wie eine verkürzte Adventszeit ansehen kann? Also ein wenig Besinnlichkeit aber keine durchgängigen Festivitäten?

  • Etwas über die jüdischen Bräuche und Feiertage zu erfahren gefällt mir sehr. Aber ich habe mich gefragt, ob 8 Tage lang Chanukka gefeiert wird oder man die sieben Tage vorher eher wie eine verkürzte Adventszeit ansehen kann? Also ein wenig Besinnlichkeit aber keine durchgängigen Festivitäten?

    Ich habe es so verstanden, dass man an den 7 Tagen jeden Tag eine weitere Kerze anzündet und dann einfach nur zusammen gegessen wird. Vielleicht noch gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern. Wie du schon sagst, eine verkürzte Adventszeit.

  • Gerade die langsame Erzählweise macht es realistisch. Wer hätte denn von allen Menschen gedacht, was die Nazis für Verbrechen verüben werden. Alle haben ihr Leben gelebt, Wohlstand gewonnen und nichts Böses gedacht. Für uns ist es unvorstellbar, wirklich ein Tanz auf dem Vulkan, aber nur im Rückblick.

  • Die eingestreuten jüdischen Bräuche und Erklärungen dazu finde ich total interessant. Ich finde es schön, wie Martha und auch Karl immer wieder betonen, dass sie in erster Linie Deutsche sind und dann erst Juden. Wie sie christliche und jüdische Bräuche miteinander verbinden, weil sie den Kinder genau das mitgeben möchten. Es gibt zwar unterschiedliche Religionen, aber trotzdem sind wir alle gleich.

    Das gefällt mir auch sehr gut. Auch dass Martha ihrer Mutter so energisch widerspricht, als es um die Frage des Weihnachtsbaumschmückens geht, hat mir gut gefallen. Emilie hält wohl noch stärker an den Traditionen fest, auch wenn sie nicht streng gläubig ist.


    Ruth wirkt schon recht erwachsen für ihr Alter, allerdings finde ich das nicht so überraschend, wenn sie viel Zeit mit Erwachsenen - Kindermädchen und Eltern - verbringt. Da tut ihr Rosi als gleichaltrige Freundin sicher ganz gut.


    Dass Merländer homosexuell ist, hatte ich schon vermutet - als Mensch kann ich ihn aber nicht so wirklich einschätzen. Als homosexueller Jude kommen auf ihn schwere Zeiten zu.


    Ich finde, das Buch ist bisher eine wunderbare Wohlfühlgeschichte und genau das Richtige in der Weihnachtszeit. Allerdings habe ich schon einen kleinen Kloß im Hals wenn ich daran denke, dass es mit dieser heilen Welt bald vorbei sein wird. Erste Vorzeichen gibt es ja schon.

  • Martha betont öfter, wie gern sie sich mit ihren Töchtern beschäftigt - und dann hat sie nicht die Nerven und Geduld um Ruth die Grundtechniken des Nähens beizubringen?

    Das finde ich gar nicht so ungewöhnlich - jeder hat Dinge, die er gern macht und andere, die er weniger mag. Außerdem hatte ich es so verstanden, dass Marthas Schwiegermutter das Nähen einfach besser beherrscht - sie kann es ihrer Enkeltochter also besser beibringen und gleichzeitig mehr Zeit mit ihr verbringen. Ein Plus für alle Beteiligten also. :)

  • Etwas über die jüdischen Bräuche und Feiertage zu erfahren gefällt mir sehr. Aber ich habe mich gefragt, ob 8 Tage lang Chanukka gefeiert wird oder man die sieben Tage vorher eher wie eine verkürzte Adventszeit ansehen kann? Also ein wenig Besinnlichkeit aber keine durchgängigen Festivitäten?

    Chanukka hat mit Weihnachten wenig zu tun. Es fällt nur zufällig in unsere Advent´s oder Weihnachtszeit. https://www.google.com/search?…&sourceid=chrome&ie=UTF-8

  • Das finde ich gar nicht so ungewöhnlich - jeder hat Dinge, die er gern macht und andere, die er weniger mag. Außerdem hatte ich es so verstanden, dass Marthas Schwiegermutter das Nähen einfach besser beherrscht - sie kann es ihrer Enkeltochter also besser beibringen und gleichzeitig mehr Zeit mit ihr verbringen. Ein Plus für alle Beteiligten also. :)

    Ich habe Knöpfe annähen, Socken stopfen mit Gitterchen und Maschen aufnehmen auch mit meiner Oma geübt. Natürlich hätte das auch meine Mutter mir zeigen können, aber manchmal bietet es sich eben eher bei der Oma an, sich das abzugucken. Die hatte auch interessantere Stoffreste, schönere Knöpfe zum Üben und vor allen Dingen ein beeindruckendes Stoffmäppchen, in dem die unterschiedlichen Stiche sauber genäht waren, Hohlsaum geübt wurden, Spitze angenähnt war etc. und dazu die Geschichten von früher, denen Klein-Gucci gern nebenbei gelauscht hat. Das ist Nähe mit der Oma.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Das weiß ich schon, dass die beiden Feiertage nichts miteinander zu tun haben. Ich wollte nur wissen, wie Chanukka vor dem letzten Tag begangen wird. ;)

    Die Frage war: ob Chanukka als verkürzte Adventszeit gesehen werden kann. Kann es nicht. Da verschiedene Anlässe.

  • Ich bin so in der Mitte dieses Abschnitts - das Buch liest sich weiterhin sehr gut.

    Die Einweihungsparty war ein voller Erfolg - und in den Gesprächen hat sich gezeigt, dass die Menschen schon verunsichert sind durch die beginnende Diskriminierung etc. Die "Braunen" werden wahrgenommen - aber wie schlimm alles werden wird, ist keinem klar. Wie sollte es auch...……….das Ganze ist ja unvorstellbar. :(

  • Die "Braunen" werden wahrgenommen - aber wie schlimm alles werden wird, ist keinem klar. Wie sollte es auch...……….das Ganze ist ja unvorstellbar. :(

    Da die Juden immer schon sehr geschichtsbewusst waren, sollte es eigentlich schon klar sein, wie schlimm es werden könnte. Schließlich gab es Jahrhunderte lang immer wieder Pogrome und Judenverfolgung - auch auf deutschem Boden. Sie waren immer sehr von der Gunst des jeweiligen Landesherrn abhängig, der sogenannte Schutzjuden in seinem Herrschaftsgebiet leben ließ. Das ging meist nur so lange gut, bis sich die Herrscher bei ihren Geldverleihern (welches nur Juden sein durften) so verschuldet hatten, dass sie keine andere Möglichkeit mehr sahen, angeblich auf die Stimme des Volkes, das nur zu gern seine Vorurteile pflegte, zu hören und die ansässigen Juden zu vertreiben. Schließlich dienten sie leicht als Sündenböcke, weil sie nicht den "christlichen" Gepflogenheiten folgten.

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Tja, nur dass die letzten Progrome schon Generationen her waren, niemand konnte sich vorstellen, dass in so modernen Zeiten so etwas wieder passieren könnte.

    Wir können uns ja auch nicht mehr vorstellen, wie es ist im Krieg zu leben, unsere Generation kennt das glücklicherweise ja nur aus den Geschichten der Vorgeneration.

  • Trotzdem wissen wir, dass Krieg etwas ganz schreckliches ist und bei ungünstigen Verhältnissen immer wieder ausbrechen kann.


    Und so lange waren z.B. die Pogrome in Russland noch nicht her, dass sie völlig in Vergessenheit geraten wären. Im Roman wird ja erwähnt, dass sich viele osteuropäische Juden in der Gemeinde angesiedelt hatten. Vermutlich waren sie die Flüchtlinge dieser Pogrome.

    Hier empfehle ich mal den Film Anatevka

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Tante Li ()

  • Ich finde es super, daß Martha und Karl nicht so verbissen sind wie die Großmutter Emilie. Was spricht dagegen, daß man sich auch mit anderen Kulturen auseinandersetzt? Als Kind habe ich es gar nicht wahrgenommen, daß meine Eltern so sehr dem Katholischen verschrieben sind. Erst viel später habe ich erfahren, daß ein Nachbarjunge nicht in den Kindergarten gehen konnte, weil er evangelisch war. Meine Eltern haben eine Abneigung gegen andere Religionen und Menschen, was ich als unchristlich betrachte.

    Ruth und die anderen Kinder wachsen in einer liebevollen Umgebung auf. Ruth ist für ihr Alter sehr verständig.


    Ich habe meine Kinder so erzogen, daß man alle Menschen gleich behandeln soll, egal welcher Hautfarbe, egal welcher Religion.

  • Das stimmt sicher Tante Li, aber ich denke, vielleicht wollte man gerade in diesen Anfangsjahren gar nicht so weit denken, sich das alles gar nicht so bewusst machen, was nicht sein darf, kann nicht sein. So eine Art Verdrängung...……..

    So schlimm die Pogrome in den Jahrhunderten vorher waren, hat es die Juden nicht in dem unvorstellbaren Ausmaß getroffen wie es in Zeiten der Nazis sein würde. Es wurde hier und da mal ein Dorf überfallen, es starben auch da Menschen. Viele Juden aus Russland waren damals ja zum Teil schon nach Palästina ausgewandert. Ich glaube, dass man dachte, in einer zivilisierten Gesellschaft zu leben, außerdem waren viele konvertiert, und die meisten fühlten sich, wie ja beschreiben, vorrangig als Deutsche.