Sollte man die Klassiker der Weltliteratur kennen auch ohne sie gelesen zu haben?

  • Ich hoffe ich hab meine Frage deutlich genug ausgedrueckt. Mir geht es diesmal nicht um diese typische Frage, welche Buecher man gelesen haben sollte. Die ist ja schon oft genug Grund fuer mehr oder wenige streitige Diskussionen.


    Mir geht es eher darum zu sehen ob ihr denkt, dass man im Rahmen seiner Allgemeinbildung zumindest mal von den grossen Klassikern gehoert haben sollte. Und vielleicht zumindest so in etwas weiss worum es da geht.


    Anlass dafuer war fuer mich die Erkenntnis, dass es wohl gar nicht so ungewoehnlich ist, dass jemand noch nie was von Tolstois Anna Karenina gehoert hat. Dabei dachte ich eigentlich, dass die Thematik dieses Buches und das Ende doch sehr bekannt seien. Ich wusste davon schon Jahre bevor ich mich traute es zu lesen.


    Aehnlich geht es mir mit anderen Titeln. Goethes "Faust" hab ich nie gelesen, nicht mal in der Schule. Aber dennoch weiss ich worum es im Kern darin geht. Oder Victor Hugos "Les Miserables". Gelesen hab ich es nie (auch wenn es weit oben auf meiner Liste steht), Einzelheiten kenn ich nicht, weiss aber doch so ein paar Grundzuege.


    Ist sowas als Teil der Allgemeinbildung heutzutage gar nicht mehr in? Oder gar nicht notwendig?

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Eine interessante Frage.


    Ich persönlich lese sehr gerne Klassiker.
    Ich tue das aber nicht weil ich denke, ich müsste das tun. Man muss garnichts Deswegen ist man kein besserer Mensch. Jeder kann das lesen, was er möchte, und was denjenigen interessiert. Ich sehe darin keinen Sinn. So ist man auch nicht offen für das geschriebene.


    Ich lese Klassiker für mich selber, um mich weiter zu bilden, weil mich die Geschichte an sich interessiert, weil mich interessiert was die „Großen“ verfasst haben, die alte Ausdrucksweise, e.c.t.
    Ich habe zum Beispiel Jane Austen lieben gelernt. Und vor kurzen habe ich ein Buch von Guy de Maupassant gelesen, was mich sehr fasziniert und beeindruckt hat.
    Klassiker gehören für mich einfach dazu. Schaden kann es jedenfalls nicht. ;-)

  • Ob in oder notwendig kann ich nicht beurteilen, aber für mich gehört es schon zur Allgemeinbildung wenigstens die Titel und Schriftsteller der sogenannten Weltliteratur zu kennen. Optimal natürlich wenn man auch von der Handlung eine grobe Vorstellung hat. Ich sag mal, wenigstens auf "Wer wird Millionär"-Niveau. ;-)


    Ich will damit nun nicht unbedingt sagen, dass ich selbst da unbedingt meine eigenen Vorstellung voll erfülle... aber das kommt noch! :-)

  • Hm... man "sollte" vielleicht, um Peinlichkeiten zu vermeiden. Gewisse Dinge gehören für mich zu unausweichlichem Wissen; man hat es einfach, woher auch immer.
    Mir wäre zB nicht ganz klar, wie jemand NICHT in groben Zügen wissen könnte, worum es in Les Miserables geht, und vermutlich würde ich schön blöde gucken, wenn mir jemand begegnete, der's nicht "kennt". Aber gelesen haben muss man's meiner Meinung nach dann doch nicht.
    Ich muss auch nicht die Relativitätstheorie erklären können; es reicht, wenn ich weiss, dass es sie gibt und was mir das Ding sagen würde, wenn ich's denn verstünde.
    Äh.
    Ja.

    Receive what cheer you may- the night is long that never reaches the day (Willy Shakespeare)

  • hmmm...also ich mag einige Klassiker.. Hamlet, Faust I, Der Steppenwolf usw...
    Ich persönlich mag sie ganz gerne mal und lese immer mal in welche rein.


    Aber ehrlich...warum sollte das Allgemeinbildung sein? Ich meine, wie bringt es einen denn weiter? Bzw macht es das Leben leichter? Oder hilft einen (abgesehen von diesen ganzen Quizshows *g*) aus brenzligen Situationen oder in der Meinungsbildung? Ich denke wenn jemand kein Interesse daran hat ist das ok, weil es halt nichts ist, was man wirklich wissen muss um überhaupt vernünftig leben zu können ;-)


    ich interessiere mich dafür nicht für Autos ;-)


    gruß
    aj

  • Mir fällt beim Thema Klassiker immer wieder auf, dass es doch stark von der Schulform abhängt, ob und welche Klassiker man gelesen hat oder auch nur grob kennt. Auch ist es entscheidend, aus welcher sozialen Schicht man stammt und damit den Zugang zu diesen Werken hat bzw. das Interesse geweckt oder auch dafür "gesorgt" wurde, dass man sich mit diesen Büchern beschäftigt.
    Wobei ich klar stellen möchte, dass diese Faktoren nicht als Ausrede gelten sollten, warum man zumindest keine Kenntnis hat, dass es Weltklassiker gibt und welche bedeutende Autoren es gibt.


    Dann sollte man zum besseren Verständnis noch klären, was man unter Allgemeinbildung versteht. Ob hierzu nur Kenntnisse der Geisteswissenschaften zählen oder es auch gut sein kann, die Grundlagen der Naturwissenschaften zu wissen.


    Ob man sich an Klassiker ohne Zwang ranwag und daraus einen Gewinn zieht sollte jeder für sich selbst entscheiden. Aber das ist eher weniger die Frage dieses Threads.


    Ich kann nur sagen, dass ich von einigen Büchern weiß, dass sie zur bedeutenden Literatur zählen und auch grob die Geschichte weiß.

  • Zu meiner Schulzeit (lang ists her ...) gab es einen Deutschlehrer, der viel Zeit damit verbrachte, uns den Inhalt von Klassikern zu erzählen. Der hatte das so gut drauf, dass bei vielen die Lust entstand, die Bücher dann selbst zu lesen.


    Ob so ein Wissen lebensnotwendig ist, wage ich zu bezweifeln. Aber zur Allgemeinbildung gehört es schon und ich bin froh, dass dieser Lehrer es auch so sah.

  • Grundsätzlich bin ich eigentlich der Meinung, dass es jedem selber überlassen ist, was und wieviel er weiss. Wie kann ich von jemandem verlangen, dass er Bücher kennt, wenn diese Person sich absolut nicht für Bücher interessiert. Ich kenne mich zwar bei Büchern (etwas) aus, aber dafür bin ich bei berühmten Sportlern ne Niete. Da kenn ich grad nur die wenigsten. Federer, Schumacher, Beckenbauer, halt in diese Richtung.


    Dass man Titel wie "Faust", "Krieg und Frieden", "Schuld und Sühne" (und dergleichen, also Klassiker) zumindest vom Hörensagen kennt, wäre schon schön. Man muss ja nicht mal wissen, wer es geschrieben hat, oder worum es geht, aber einfach wissen, dass es solche Bücher gibt.


    Vllt ist es aber auch so, dass wir da zu viel von den Menschen, die nie lesen, verlangen. Jemand, der sich absolut null (und da gibt es viele Menschen) für Bücher oder Schriftsteller interessieren, werden auch nicht aufhorchen, wenn sie in irgendeiner Zeitschrift die Wörter "Faust" oder "Schuld und Sühne" oder "Franz Kafka" hören. Der Mensch ist nun mal jemand, der sich vorallem für seine eigenen Interessen interessiert.
    Und Dinge, die ihn nicht ansprechen, werden auch kaum gespeichert.


    Edit: Ich weiss ehrlich gesagt nicht, einfach so aus dem Kopf raus, worum es in "les miserables" geht. Ich werd mal googlen und dann werde ich sicher sagen: "Ach ja, darum gehts. Wusste ich ja eigentlich" ;)


    Edit2:War ja klar, das ist dieses Musical ;) Aber jetzt weiss ich auch noch, dass das Musical auf der Buchvorlage "Die Elenden" von Victor Hugo beruht. (aber das ist offTopic)

  • Alsoooo....ähm, äh!


    Ich weiss jetzt wirklich nicht, wer da immer noch auf diesen Godot wartet, weiss auch nicht wie hoch dieser Zauberberg ist, also wieviele m.ü.M meine ich....und warum Balzac seine Illusionen verlor, wieviele Schubladen Dantes göttliche Kommode hat....und so weiter und so fort :lache


    ....und bin immer noch am Leben. Glück gehabt vielleicht? :gruebel

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Es wird halt noch immer erwartet, dass man die Klassiker kennt. Selbst wenn beim Smalltalk irgenwann das Gespräch auf Klassiker kommen sollte - ich möchte nicht wissen, wie viele da nur Halbwissen haben, das im Gespräch aber nie zugeben würden.


    Ich denke auch, Autoren und Titel sollten zumindest bekannt sein und vielleicht auch ein grobes Wissen über den Inhalt.


    Naja und für den Notfall gibts ja dann noch das Buch der 1000 Bücher :grin

  • Der Thread titel ist ein widerspruch in sich. entweder kennt man Texte, dann hat man sie gelesen oder man kennt sie nicht. mal was davon gehört haben ist nicht kennen, sondern eben mal was gehört haben. einen film zu sehen, heisst einen film zu sehen und ein theater stück sehen heisst, sehen, was ein regisseur in einem stück liest.
    kennen lernt man einen Text ausschließlich durch die (gründliche) Lektüre.

  • Zitat

    Original von licht
    kennen lernt man einen Text ausschließlich durch die (gründliche) Lektüre.


    Ich hab in meiner Ausgangsfrage "kennen" definiert als dass man zumindest so in etwas weiss worum es da geht

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Ich bin manchmal erstaunt wie hoch bei WWM so läppische Fragen wie, wer hat Madame Bovary geschrieben, angesiedelt sind.
    Für mich ist es recht selbstverständlich und auch ein Teil der Allgemeinbildung, Klassiker ihrem Autor, der ungefähren Zeit und dem Herkunftsland zuordnen zu können. Auch teilweise ohne das ich sie gelesen habe. Vorallem mit den russischen Klassikern tue ich mich schwer. Hindert aber nicht, zumindest die Autoren von Krieg und Frieden, Die Gebrüder Karamasow und Krebstation zu wissen.


    Allerdings ersetzt das oberflächliche Wissen nicht das Lesen, das ist für mich klar.



    Zitat

    Original von redator
    Aber ehrlich...warum sollte das Allgemeinbildung sein? Ich meine, wie bringt es einen denn weiter? Bzw macht es das Leben leichter? Oder hilft einen (abgesehen von diesen ganzen Quizshows *g*) aus brenzligen Situationen oder in der Meinungsbildung? Ich denke wenn jemand kein Interesse daran hat ist das ok, weil es halt nichts ist, was man wirklich wissen muss um überhaupt vernünftig leben zu können ;-)


    Im Zeitalter von Google und Wikipedia leider eine gängige Meinung.
    "Ich muß das nicht wissen, ich muß nur wissen, wo ich es nachlesen kann"
    Oder noch besser ist der Spruch: Allgemeinwissen ist doch nur was für Angeber, die sich nur mit intellektuellem Geschwätz von den anderen Abheben können.



    Nein, Allgemeinbildung hilft einem nicht in brenzligen Situation, im Straßenverkehr, an der Supermarktkasse. Aber sie hilft einem durchaus in der Meinungsbildung. Denn die Meinungsbildung wird durchaus von dem beeinflußt was man weiß und was man nicht weiß.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Ich denk mir immer: Man sollte am besten gar nichts.


    Allgemeinbildung ist heutzutage ein Riesenteppich, in dem jeder so seine Loecher hat, denn schliesslich kann keiner den ganzen Tag sitzen und sich allgemein bilden. Man moecht' sich ja auch mal im Speziellen bilden, sich fuer dieses und jenes interessieren, dieses und jenes langweilig finden, oder auch ab und an den mit allgemeiner Bildung vollgestopften Kopf auf irgendein Kissen pressen und schlafen.
    Klassiker - finde ich - sind Buecher, von denen man die, die einem liegen, mit viel Gewinn lesen kann - so man moechte und einem das Lesen nicht durch "sollte" verdorben worden ist.


    Ich hab eine Fuenf in Mathematik erfolgreich zum Abitur transportiert, mir wurde ganz haeufig mit sehr hohem Zeigefinger erklaert, ich muesse zumindest lernen, worum es bei der Integralrechnung ginge, denn das gehoere zur Allgemeinbildung und ich wuerde meine Ignoranz eines Tages bereuen.


    Nun hab ich die Vierzig schon hinter mir, und von der ganzen Mathematikquaelerei ist mir nichts geblieben. Immerhin kenne ich noch den Begriff! Integralrechnung! Aber ganz ehrlich: So sehr ich's bedaure, hat sich bisher noch keine einzige Gelegenheit fuer mich ergeben, wo ich den ganz schlau haette einwerfen koennen ...


    Vor wenigen Wochen starb ein blutjunger Schauspieler, um den scheinbar die halbe Welt trauerte. Ich hatte den Namen noch nie gehoert.
    Wenn von amerikanischen Filmen, Fernsehsendungen, moderner Musik die Rede ist, verstehe ich nicht einmal Bahnhof.


    Wieso sollt' ich also anderen mangelnde Allgemeinbildung vorwerfen, wenn sie ein Buch nicht kennen, das sie nicht lesen wollen?


    Mein Kopp ist klein, sein Stauraum begrenzt, ich stopf rein, was mir schmeckt. Selbst dafuer ist er zu eng und platzt oft aus allen Naehten, sodass mir etwas, das mir teuer war, rausplumpst. Da hat nichts Platz, das mich nicht brennend interessiert - es sei denn, ich wuerde ernsthaft ueber die Anschaffung mindestens eines Drittkopfes nachdenken.


    Alles Liebe von Charlie

  • Charlie


    Du sprichst mir auch der Seele. :anbet


    Da ich kaum schlafen konnte, habe ich mir über diesen Thread hier noch so meine ureigenen Gedanken gemacht.
    Zuerst einmal habe ich mich gefragt, wieviele dieser sogenannte Klassiker gibt es eigentlich, um jetzt einfach mal bei den Büchern zu bleiben in Sachen Allgemeinwissen/Allgemeinbildung. Sind es ein paar Hundert, oder Tausend, Fünftausend, Zehntausend.....oder gar noch mehr?
    Reicht denn ein Menschenleben aus, um all diese Klassiker da hineinzustopfen? Vielleicht reicht es, wenn dieser Mensch nichts anderes mehr tut als lesen. Das würde dann heissen, dass er sich kaum mehr bewegt. Null Sport, höchstens noch der Gang zur Toilette auf sich nimmt.
    Fürs Schlafen bliebe wohl auch kaum Zeit übrig, und fürs Beischlafen grad auch nicht :lache
    Sich mit anderen Menschen zu treffen, auch das würde dahinfallen....ja, dann frage ich mich, warum tut man sich das dann an, nur zu lesen, damit man sich auf "hochstehendem" Niveau mit anderen unterhalten kann, um jetzt bei der Ausgangsfrage zu bleiben.


    Ein wunderschönes, abwechslungsreiches Wochenende wünscht ....Joan :wave

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  • Ich mache ja gerade bei den Klassiker-Leserunden mit um diese kennenzulernen. Und ehrlich gesagt bin ich ganz froh, dass ich von einigen die Handlung und das Ende noch nicht kenne, sonst würde mir da sicher auch Motivation fehlen das zu lesen (ich mags einfach nicht das Ende vorher zu wissen). Titel und Autor von den meisten sagt mir schon was, aber wenn man mal ein solches Buch von dem man angeblich schon was wusste liest, fällt einem doch auf wie unterschiedlich manchmal das dargestellte Bild vom selbst "erlebten" ist. Am liebsten gehe ich als unbeschriebenes Blatt an diese Leserunden. ^^ Ich kannte vorher z.B. weder "Von Mäusen und Menschen" noch "Deutschstunde" vom Inhalt her (Namen hatte ich zwar schon mal gehört, aber was bringt mir das?). Das "Buch der 1000 Bücher" hab ich übrigens auch. Aber die Einträge lese ich dann eben meist auch erst nachdem ich das eigentliche Buch gelesen habe.


    Ich finde Charlies Bild von der Allgemeinbildung als Riesenteppich in dem jeder das eine oder andere Loch hat sehr passend, gefällt mir wirklich.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Sicher gehört das reine Wissen "Wer hat was geschrieben" zur Allgemeinbildung. Sinn macht dieses Wissen aber wirklich erst dann, wenn man auch weiß was sich denn hinter den einzelnen Titeln verbirgt. Dazu muss man nicht alles gelesen haben, aber nur Autor und Titel zu kennen genügt in meinen Augen nicht. Man sollte schon wissen worum es sich denn im Einzelnen dreht. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.


  • :write Sehr schön geschrieben, Charlie. Ganz meine Meinung! :write