'Der Gang vor die Hunde' - Seiten 155 - 230

  • Wie erwartet ist Fabian nach der Trennung von Cornelia am Boden zerstört, damit sind jetzt wohl all seine Hoffnungen und Zukunftspläne dahin. Als er da ziellos durch die Stadt marschiert, wirkt er völlig teilnahmslos und völlig betäubt, auch der Arbeiteraufstand, der da am Weddingplatz stattfindet, interessiert ihn nicht im Mindesten.


    Diese Krawalle fand ich in der Art und Weise, wie sie geschildert werden, auch bemerkenswert. Das wird förmlich in Stichworten abgehandelt, Arbeiter brüllen, Polizei geht auf sie los, Passanten gaffen, Verletzte, Menge zerstreut sich, fertig. Das wirkt so banal, so alltäglich, als wäre es damals wirklich an der Tagesordnung gewesen und nicht weiter der Rede wert. Wahrscheinlich war es das auch.


    Am erstaunlichsten in diesem Abschnitt fand ich aber Kästners Weitblick und die erschreckende Aktualität dieses Textes, da sind Zeilen dabei, die klingen, als stammten sie aus einer 2018er-Neuerscheinung. Die Parallelen zu damals können einem wirklich Angst machen.


    Im Buch kommt nun der allerletzte Hammer, Labude erschießt sich, weil er dem giftigen Scherz eines Neiders aufsitzt. Sein Tod als Versehen. Und Fabian ist ein gebrochener Mann, der steht da ja völlig unter Schock. Alles hat er verloren. Das Ende, das ihm selbst zu guter Letzt beschert ist, ist ja fast schon zwangsläufig in seiner Sinnlosigkeit. Wenigstens hat der Moralist sein Leben denn auch bei einer höchst moralischen Tat, nämlich dem Versuch, ein Leben zu retten, verloren. Auch wenn das Leben gar nicht gerettet werden musste. Einmal mischt er sich wirklich ein, geht über seine unsichtbare Grenze hinaus, die ihn bislang vor allem Einsatz zurückgehalten hat, wird vom Beobachter zum Handelnden, und büßt es prompt mit dem Tod.


    Ich muss sagen, dass mich der letzte Abschnitt ganz schön runtergezogen und deprimiert hat. Was zeigt Kästner dem Leser da, dass letztendlich ohnehin alles sinnlos und beliebig austauschbar ist? Dass es keinen Ausweg gibt und dass das Leben mit uns eh macht, was es will, ohne dass wir auch nur den geringsten Einfluss darauf hätten? Dass die Menschen sich nicht ändern werden und wir nur die "Krätze auf diesem Planeten" sind, wie er es an anderer Stelle nennt? Wobei, bei letzterem würde ich ihm da sogar zustimmen.


    Einzig die Überschrift des Kapitels setzt das Ende auch in ein etwas anderes Licht. "Lernt schwimmen!" sagt Kästner da, und zeigt dem Leser gleich einen möglichen Ausweg aus dessen Hilflosigkeit, eine kleine Hoffnung, dass es nicht so kommen muss, sondern dass man doch etwas ändern und verbessern kann, aber dass man bei sich selbst anfangen muss. Dass man, hat man einmal Schwimmen gelernt, nicht zwangsläufig untergehen muss, nur weil man moralisch handelt. Fabian war, so wie er war, nicht überlebensfähig, nicht widerstandsfähig genug, und letzteres sogar buchstäblich. Vielleicht ist es gerade diese Fähigkeit zum Widerstand, die auch heute wieder fehlt.


    Auch hier war wieder eine so gespenstisch aktuelle Stelle, die einem fast Gänsehaut beschert …

    S. 185, oben, als Fabian zu seinem toten Freund spricht:

    "Siehst du, nächstens wird ein gigantischer Kampf einsetzen, … Unter den Anführern werden auf allen Seiten Marktschreier stehen, die stolze Parolen erfinden und die das eigene Gebrüll besoffen macht." Jeden Tag in den Nachrichten zu sehen. Die heißen heute nur nicht mehr Marktschreier, sondern Populisten.


    Hmjoa, das wäre so meine Interpretation und das, was ich beim Lesen gedacht und empfunden habe. Wenn ich ein Fazit ziehen müsste, würde ich sagen, es ist ein detailliertes Gesellschafts- und Zustandsbild der damaligen Zeit, und zudem ein aufrüttelndes und sehr politisches Buch. Und es ist, obwohl es vor über 80 Jahren erschienen ist, erschreckend aktuell.

  • Mir fehlt der letzte Abschnitt noch mit der Zusammenstellung der Vorworte und Anhänge. Ja, das Buch ist von seiner Grundaussage wohl eher deprimierend, so empfand ich das auch. Die Moral hat keine Chance und wird wohl auch noch nicht einmal gebraucht. Ohne Moral lebt es sich auf jeden Fall besser. Man nimmt sich alles, was man gerade braucht, hat kein schlechtes Gewissen und überlässt den anderen, die Folgen seines Tuns auszuhalten.


    Auf der Seite 218 fand ich die Sätze mit seinem Nazikumpel Wenzkat noch sehr aktuell: "Zum Kampf kommt es gar nicht erst, wenn ihr anfangt, sagte Fabian. Es kommt gleich zur Verzweifelung."

  • Ja, so deprimierend habe ich das auch empfunden.


    Über ein Bild grübele ich noch. Als Fabian im Zug die Landschaft vorbeiziehen sieht, meint Kästner:

    Zitat


    Dann fuhren sie durch einen düsteren Fichtenwald. Die Stämme waren von grauen Flechten bewachsen. Die Bäume standen da, als seien sie aussätzig und als habe man ihnen verboten, den Wald zu verlassen.

    Seit wann dürfen Bäume den Wald verlassen? :gruebel

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Tante Li  

    Da er den Begriff "aussätzig" benutzt, könnte ich mir mit viel Fantasie vorstellen, dass diese dicht gedrängten, flechtenüberzogenen Bäume im übertragenen Sinn so aussehen wie eine Kolonie Leprakranker, die man auf engem Raum zusammengepfercht hat, und die nun ihr abgesperrtes Lager nicht mehr verlassen dürfen. So würde ich es evtl interpretieren, aber vielleicht hatte der Autor da auch etwas ganz anderes im Sinn, wer weiß :)

  • Aufgefallen ist mir noch eine andere Stelle besonders: der Vater fragt die Mutter, was denn mit dem Sohn los ist und bekommt detailliert Auskunft über den Zustand Fabians.

    Anscheinend kann er den Sohn nicht selber fragen oder er braucht die Zusammenfassung in der Sprache seiner Frau, um ihn zu verstehen. :gruebel


    Ist das nicht oft noch immer so, dass Väter nicht mit ihren Söhnen direkt kommunizieren?

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Auf der Seite 218 fand ich die Sätze mit seinem Nazikumpel Wenzkat noch sehr aktuell: "Zum Kampf kommt es gar nicht erst, wenn ihr anfangt, sagte Fabian. Es kommt gleich zur Verzweifelung."

    Auch wie das Gespräch weitergeht, fand ich im Zusammenhang mit der derzeitigen Lage recht denkwürdig.

    "Ich weiß nicht, ob das dem ganzen Volk recht ist", wandte Fabian ein. "Woher nehmt ihr die Dreistigkeit her, sechzig Millionen Menschen den Untergang zuzumuten ..."

    Das gibt es ja heute auch, dass einzelne Gruppierungen oder Strömungen gleich meinen, sie müssten sich zum Sprachrohr aller aufschwingen, ohne sich aber um die Ansichten dieser "aller" im Mindesten zu scheren. Mir kamen an der Stelle diese Pegida-Demos in den Sinn, wo die eifrigen Lauscher dieser rechten Trommler und Marktschreier auch immer lauthals skandieren "Wir sind das Volk" und offenbar denken, dass sie mit ihrer Meinung die ganze deutsche Bevölkerung repräsentieren.


    Bei diesem Gespräch zwischen Wenzkat und Fabian prallen ohnehin ganze Weltanschauungen aufeinander, krasser könnte der Unterschied zwischen den Ansichten kaum sein. Die ganze Szene ließe sich tatsächlich gut in die Gegenwart versetzen, sowas in der Art könnte ich mir ohne weiteres noch heute an einem Stammtisch vorstellen.


    Was dieser "Stahlhelm" ist, den Wenzkat da nennt, muste ich aber erst nachlesen, das war mit bis jetzt kein Begriff. Den Kerl empfand ich als einen furchtbarer Widerling, auch wie er später im Bordell das Mädchen behandelt, die nachher kaum mehr sitzen kann ... ein richtiger "Herrenmensch", der hätte nach 1933 bestimmt eine große Karriere vor sich gehabt.

  • Aufgefallen ist mir noch eine andere Stelle besonders: der Vater fragt die Mutter, was denn mit dem Sohn los ist und bekommt detailliert Auskunft über den Zustand Fabians.

    Anscheinend kann er den Sohn nicht selber fragen oder er braucht die Zusammenfassung in der Sprache seiner Frau, um ihn zu verstehen. :gruebel


    Ist das nicht oft noch immer so, dass Väter nicht mit ihren Söhnen direkt kommunizieren?

    Das war in meiner Familie, als mein Vater noch lebte, ganz genauso. Der konnte auch nicht direkt mit seinen Kindern reden oder Kritik äußern, dazu hat er immer meine Mutter vorgeschickt. Die musste übermitteln, reden, klären, alles in Ordnung bringen, was dem Vater mißfiel, und wenn das Ergebnis nicht nach seinen Wünschen war, war auch sie es, die deswegen eine auf den Deckel gekriegt hat.


    Damals gab es halt eine viel striktere Trennung (die es eben manchmal auch heute noch gibt): für alle Haushalts- und Familienbelange, war einfach die Ehefrau zuständig, also auch dafür, über den Zustand der Kinder Bescheid zu wissen und all deren Angelegenheiten zu regeln. Mit solchen "niederen" Dingen musste sich der Haushaltsvorstand nicht beschäftigen, das war nicht sein Aufgabenbereich. Zumindest in meiner Familie halte ich das für den (Haupt-) Grund für dieses Nicht-Kommunizieren.

  • Ja, ähnlich war das bei uns auch.


    Es könnte natürlich auch sein, dass Erich Kästner noch einmal speziell auf den Generationenkonflikt hinweisen möchte. Fabian wird ja immer zu den Jungen Männern gezählt, obwohl er eigentlich schon längst als erwachsen angesehen werden könnte.


    Wer keine eigene Familie gründet, bleibt ewig das Kind. :gruebel

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Ich fand den Roman auch sehr beeindruckend. Hatte ihn so gar nicht mehr auf dem Schirm. Und die erschreckende Aktualität ist überdeutlich.

    Fabian ist eine tragische Gestalt, stolpert durch sein Leben, und als er endlich versucht eine Perspektive zu finden, sich dem Leben stellen will, wird ihm alles genommen.

  • Ich habe das Buch gestern fertig gelesen. Mir fehlen ur noch die Anhänge, bzw das Nachwort. Das werde ich dann die nächsten Tage noch in Ruhe lesen.

    Die Geschichte um Fabian hat mich sehr bewegt und die Aktualität der Geschehnisse fand ich erschreckend und bestürzend.

    Ich muss das Ganze noch mal ein wenig sacken lassen. Auf jeden Fall bin ich sehr froh, dass Buch durch die Leserunde entdeckt und gelesen zu haben. Sonst wäre ich wahrscheinlich nie auf dieses Buch gekommen und mir wäre etwas entgangen. Auch wenn es über große Teile hinweg von der Stimmung sehr düster und depremierend war, habe ich es wirklich gerne gelesen.

  • So, nun ist tatsächlich alles vor die Hunde gegangen. Die Geschichte um Labudes Selbstmord war wirklich tragisch - alles nur wegen des blöden Scherzes eines neidischen Mitarbeiters! :-(


    Als Fabian sich in den Zug nach Hause setzt, war das für mich die äußere Bestätigung, dass er sich sein Scheitern eingesteht, denn in der Provinz hat er mit seinem Beruf und seinen Ambitionen ja auch keine Chance. Dass er dort nicht mehr hingehört, merkt er ja auch bei dem Gang durch seine Heimatstadt, außer seiner Mutter scheint sich ja niemand so wirklich darüber zu freuen, dass er wieder da ist. Dass er dann ausgerechnet bei dem Versuch, einmal etwas richtig zu machen, ums Leben kommt, ist wirklich bitter. Aber wenigstens hat es ihm den Selbstmord erspart - ich hatte mich nämlich schon gefragt, wie das Buch sonst enden könnte!


    Trotz der traurigen Geschichte hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich bin froh, dass ich durch Euch dazu gekommen bin, mal einen Kästner für Erwachsene zu lesen! :-) Dieses Buch wäre sicher auch nochmal einen Re-read wert, allein schon der Sprache wegen und um alle Zusammenhänge und Anspielungen noch besser aufnehmen zu können.

    Wer keine eigene Familie gründet, bleibt ewig das Kind.

    Ich glaube, auch wenn du eine eigene Familie hast, bleibst du für deine Eltern immer das Kind, egal ob es noch eine Generation danach gibt oder nicht.


    LG, Bella

  • Ja, so deprimierend habe ich das auch empfunden.


    Diese Stimmung zieht sich ja so ziemlich bis zum Ende hin.


    Tragisch war der Selbstmord Labudes und alles nur wegen eines vermeintlichen Scherzes? Danach sah es mir nicht so recht aus, oder dann muss sich Labude das ja ordentlich zu Herzen genommen haben oder den Scherz nicht verstanden haben. Aber ich dachte mir auch, dass dieser Typ es im Nachhinein es als Scherz darstellt, um sich aus der Sache rauszuwinden und die Schuld von sich zu weißen.


    Dass er dann ausgerechnet bei dem Versuch, einmal etwas richtig zu machen, ums Leben kommt, ist wirklich bitter. Aber wenigstens hat es ihm den Selbstmord erspart - ich hatte mich nämlich schon gefragt, wie das Buch sonst enden könnte!

    Ja, das habe ich mich gegen Ende hin auch gefragt, zu welchem Ende das Buch gelangt. Einerseits bot sich Fabian die Gelegenheit, aktiv zu werden, andererseits leider mit tragischem Ausgang.


    Auch wenn ich in der Leserunde nicht so aktiv war, bin ich ganz froh, es hier gelesen zu haben, denn der Roman steht bereits seit langer Zeit in meinem Regal und bin nun endlich dazu gekommen, es zu lesen.

  • Tragisch war der Selbstmord Labudes und alles nur wegen eines vermeintlichen Scherzes? Danach sah es mir nicht so recht aus, oder dann muss sich Labude das ja ordentlich zu Herzen genommen haben oder den Scherz nicht verstanden haben.

    Ich denke, dass die Auskunft, dass seine Arbeit nun endgültig vom Professor abgelehnt und sogar noch duch den Schmutz gezogen wurde, Labude wirklich tief getroffen hat. Das war so etwas wie sein Lebenswerk, sein Baby, woran sein Herzblut hing. Sicher kam seine pessimistische Stimmung der politischen Lage und dem Leben überhaupt hinzu, aber das war wohl so etwas wie der Tropfen auf den heißen Stein.

  • Ich denke, dass die Auskunft, dass seine Arbeit nun endgültig vom Professor abgelehnt und sogar noch duch den Schmutz gezogen wurde, Labude wirklich tief getroffen hat. Das war so etwas wie sein Lebenswerk, sein Baby, woran sein Herzblut hing. Sicher kam seine pessimistische Stimmung der politischen Lage und dem Leben überhaupt hinzu, aber das war wohl so etwas wie der Tropfen auf den heißen Stein.

    So hatte ich das auch verstanden. Zudem muss dieser Assistent, der ihm das falsche Ergebnis mitgeteilt hat, das auch recht höhnisch und abwertend getan haben, der war ja offenbar sehr neidisch auf Labudes Erfolg und auf sein Talent und Können. Und das hat Labude dann sicherlich noch mehr getroffen, dass er für sein vermeintliches Versagen und den Verlust seines Lebenswerkes auch noch ausgelacht und verhöhnt wird.


    Das war für mich das tragischste Ereignis im ganzen Buch. Auch Labudes Eltern, sein Professor und natürlich Fabian, die taten mir alle so leid. Ich bin bestimmt kein Befürworter von körperlicher Gewalt, aber diese Prügel, die Fabian dem Kerl dann verabreicht, die hat dieser wirklich verdient, finde ich. Mir war es jedenfalls eine Genugtuung. Und ich finde, es war sogar noch ein recht kleiner Preis dafür, dass er aus Missgunst und Gehässigkeit das Leben eines Menschen ausgelöscht hat.

  • Das war für mich das tragischste Ereignis im ganzen Buch. Auch Labudes Eltern, sein Professor und natürlich Fabian, die taten mir alle so leid. Ich bin bestimmt kein Befürworter von körperlicher Gewalt, aber diese Prügel, die Fabian dem Kerl dann verabreicht, die hat dieser wirklich verdient, finde ich. Mir war es jedenfalls eine Genugtuung. Und ich finde, es war sogar noch ein recht kleiner Preis dafür, dass er aus Missgunst und Gehässigkeit das Leben eines Menschen ausgelöscht hat.

    Dieses Ereignis empfinde ich als Wendepunkt im Roman, für alle und besonders für Fabian. Labude resigniert daran, dass er nichts bewegen kann und es sich nichts bewegen wird, alles sinnlos ist und doch bewegt er gerade mit seinem Selbstmord alles. Welche Ironie...

    Was er immer bemängelte, die getrennten Wege seiner Eltern, Fabians Ziel- und Plan- und Perspektivlosigkeit, kommen nun in Bewegung.

  • Ich bin mit diesem Abschnitt noch nicht durch. Nur soviel mal zum Tode Labudes:


    Die Umstände von Labudes Tod sind tragisch. Jeder geht anders damit um. Mich wundert, dass Fabian neben dem Toten sitzend zu solch klaren und sachlichen Gedanken fähig ist. Er vergleicht ihn mit Lessing. Ich hätte eher erwartet, dass sich seine Gedanken im Kreis drehen darüber, wie es hat soweit kommen können und ob das Unglück hätte vermieden werden können.

    Später entlädt sich seine ganze Wut an dem Assistenten Wechelin (so hieß er, glaube ich). Doch genauso schnell ist diese Wut auch verschwunden. Das ist schon bemerkenswert, wie er ihn entschuldigt. Und dann die Frage: Wem war mit der Wahrheit gedient?

    Erst als er zu Hause ist, kann er weinen.


    Frau Labude will nicht, dass tiefer gegraben wird. Offensichtlich fällt es ihr leichter, den Tod ihres Sohnes zu akzeptieren, solange ein plausibler Grund da ist. Sie hat Angst, dass dieser Grund sich in Luft auflöst.


    Herr Labude scheint keine Schuldgefühle zu haben, obwohl er weiß, dass er ein schlechter Vater war. Oder will er es sich nur einreden, dass er nichts dafür kann. Auch wenn sein Sohn erwachsen war, hätte ihm väterliches Interesse sicher geholfen, diese Enttäuschung zu bewältigen.


    Ich frage mich, warum Labude die Ablehnung seiner Doktorarbeit nicht in Zweifel gezogen hat. Ich stelle mir vor, dass man bei solch unerwarteten Hiobsbotschaften erst einmal denkt: „Das kann doch nicht sein, da muss doch ein Irrtum vorliegen.“ War er durch die Trennung von seiner Verlobten schon so deprimiert, dass er keine Widerstandskraft mehr hatte?



    Im 20. Kapitel ist großartig beschrieben, wie Fabian es erlebt, wie beim Aufwachen sein Kummer wieder in sein Bewusstsein dringt.


    Die Idee zu dem Film, in dem Cornelia die Hauptrolle spielen soll, ist ja gruselig. Ist es möglich, dass ein Mensch dadurch zu seiner wahren, verdrängten Natur findet, indem er sie als Rolle spielt?


    Es ist doch erstaunlich, dass Fabians Eltern den Knacks, den er wohl abgekriegt hat, im mangelnden Glauben sehen. Kommen sie nicht auf die Idee, dass es am Krieg gelegen haben könnte?

  • Interessante Gedanken, made!

    Am Totenbett ist alles an Gedanken möglich, da ist jeder anders. Manche Menschen erschrecken darüber, was sie neben dem Toten sitzend denken, wo sie doch ihrem Gefühl nach an das Bedauern und die Trauer denken müssten. Daher halte ich Fabians Gedankengänge durchaus für plausibel, zu ihm passend.


    Die Filmidee finde ich auch gruselig, Cornelia ja auch. Ich denke, man kann Beinsleiner Kostellation einiges über sich lernen oder auch daran kaputt gehen, ganz nach einem selbst. Für Cornelia fürchte ich allerdings Letzteres.


    Labude hat schon so lange auf die Bewertung seiner Arbeit gewartet, dass er innerlich vielleicht schon aufgegeben hatte, unbewusst. Daher war er so schnell und fraglos bereit das alles zu glauben. Denke ich.

  • Labude hat schon so lange auf die Bewertung seiner Arbeit gewartet, dass er innerlich vielleicht schon aufgegeben hatte, unbewusst. Daher war er so schnell und fraglos bereit das alles zu glauben. Denke ich.

    Das denke ich auch. Wenn man sich nie bestätigt sieht, keinen Rückhalt halt, ist man schnell verunsichert. Die Familie hat ihm das nie gegeben. Er hatte nur Fabian und der war ein Rohr im Wind. Selbst unfähig an sich und an andere zu glauben.

  • Noch so ein überflüssiger Todesfall. Du meine Güte!!


    Irgendwie stimmt das Timing in Fabians Leben überhaupt nicht. Irgendwie ist immer alles zeitlich daneben.

    Zuerst hat er keinen Ehrgeiz in seinem Leben, weil sowieso alles vor die Hunde gehen wird. Doch als er Cornelia kennenlernt, ändert sich das. Eigentlich Gelegenheit für einen Neuanfang. Doch Cornelia wartet nicht. Weil das Geld fehlt, geht sie andere Wege. Das Geld kommt zu spät und auch nur weil sein bester Freund sich umbringt. Und das macht der auch nur, weil er den Professor nicht persönlich antrifft, sondern nur den Assistenten. Also wieder der falsche Zeitpunkt.

    Als Fabian dann zu Hause neu anfangen will, ist er zur falschen Zeit am falschen Ort und springt ins Wasser, obwohl er nicht schwimmen kann.


    Und das alles passiert innerhalb weniger Tage. Was für ein Leben!