Joël Dicker - Das Verschwinden der Stephanie Mailer

  • Klappentext

    Es ist der 30. Juli 1994 in Orphea, ein warmer Sommerabend an der amerikanischen Ostküste: An diesem Tag wird der Badeort durch ein schreckliches Verbrechen erschüttert, denn in einem Mehrfachmord sterben der Bürgermeister und seine Familie sowie eine zufällige Passantin. Zwei jungen Polizisten, Jesse Rosenberg und Derek Scott, werden die Ermittlungen übertragen, und sie gehen ihrer Arbeit mit größter Sorgfalt nach, bis ein Schuldiger gefunden ist. Doch zwanzig Jahre später behauptet die Journalistin Stephanie Mailer, dass Rosenberg und Scott sich geirrt haben. Kurz darauf verschwindet die junge Frau




    Der Autor

    Joël Dicker wurde 1985 in Genf geboren. Nach den Weltbestsellern »Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert« und »Die Geschichte der Baltimores«, die sich weltweit mehr als 6 Millionen mal verkauften, ist dies Joel Dickers dritter ins Deutsche übersetzte Roman. Für »Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert« bekam Dicker den Grand Prix du Roman der Académie Française zugesprochen sowie den Prix Goncourt des Lycéens. Seit seinem Erscheinen im März dieses Jahres steht »Das Verschwinden der Stephanie Mailer« auf Platz 1 der französischen Bestsellerliste.





    Ich liebe es, wenn mich ein Buch sofort ab der ersten Seite in seine Geschichte zieht und fesseln kann. Lange Einstiege oder erstmal seitenlanges Vorstellen der Personen und der Leben mag ich nicht. Hier geht es jedenfalls gleich los. Wir bekommen gleich einen Mord an 4 Menschen geschildert, der 1994 in einer kleinen idyllischen Stadt in den Hamptons geschah. Er wurde aufgeklärt von zwei jungen Polizisten. Einer von ihnen, Jesse Rosenberg, möchte nun, 20 Jahre später, in seinen vorzeitigen Ruhestand gehen. Er wird der Hundertprozentige genannt, denn er hat jeden Fall in seiner Karriere erfolgreich aufgeklärt. Umso erstaunter ist er, als sich auf seiner Pensionsfeier ihm eine junge Frau vorstellt und behauptet, dass er in seinem ersten Fall, dem besagten Vierfachmord, nicht den richtigen Täter gefunden hat. Das lässt Jesse keine Ruhe. Und so verbringt er seine letzten Tage im Dienst nicht mit Kaffeetrinken sondern dem Stöbern in alten Akten. Als dann die junge Frau spurlos verschwindet ist ihm klar, dass damals wirklich etwas schiefgelaufen ist.


    Joel Dicker hat mich vor einigen Jahren mit seinem Roman „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ total umgehauen. Mir hat das Buch sensationell gut gefallen und ich habe es unzählige Male anderen Lesern aufgedrängt. Aus irgendwelchen undefinierbaren Gründen habe ich aber „Die Geschichte der Baltimores“ immer noch auf meinem SuB liegen. Als ich die ersten Seiten von „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ las, hat mich die Geschichte sogleich gefesselt. Er hat sich eine verzwickte und verschachtelte Geschichte ausgedacht, die es langsam aufzudröseln gilt. Dafür fährt er einiges Personal auf und macht immer wieder Zeitsprünge und wechselt die Perspektive. Leider übertreibt er manchmal etwas und ist auch nicht konsequent. Wenn z.B. über einem Kapitel „Jesse Rosenberg“ steht, so lesen wir nicht immer nur aus seiner Sicht. Es kann auch sein, das es Einschübe von anderen Personen gibt und wir lesen, was sie gerade machen obwohl Jesse das gar nicht wissen kann. Zudem schiebt er auch gerne kurze Rückblenden ein, wenn eine Person über die Vergangenheit redet. Anstatt in Interaktionen die Geschichte zu erzählen kommt plötzlich eine kurze Rückblende ins betreffende Jahr und wir erleben die Szene. Für mein Empfinden unterbrach es meinen Lesefluss und ich habe den Sinn nicht ganz verstanden. Die Story wird dadurch ein wenig sprunghaft. Im Laufe der Zeit wurde das manchmal etwas unübersichtlich und ich hatte auch Probleme, die vielen Personen, die mal mit Vornamen, mal mit Nachnamen oder, falls vorhanden, mit Titel bezeichnet werden auseinander zu halten (ein Tipp: es gibt ein Personenregister am Ende; dummerweise habe ich das erst nach der Hälfte des Buches gesehen).


    Ein richtiger Negativpunkt sind für mich aber tatsächlich die Dialoge. Sie klingen alle etwas aufgesetzt und es wird auch nicht wirklich richtig miteinander gesprochen. Zudem driften sie oft ins Komische ab. Sie sind flapsig und einige Figuren sind vollkommen überzeichnet und agieren fast satirisch. Das Buch hat ein ernstes Thema, Mord. Mehrere Menschen werden getötet und zuerst ist der Ton auch ernsthaft wie in den meisten Krimis. Aus mir unbekannten Grund lässt Dicker seinen Ton dann ins Comichafte umschlagen. Das hat mich etwas irritiert.


    Ich bin etwas zwiegespalten mit meiner abschließenden Meinung zu dem Buch. Die Story ist nicht schlecht und die ganzen Verwicklungen schwer zu durchschauen. Allerdings hatte ich gleich zu Anfang das richtige Gefühl, was die Polizei denn damals übersehen haben könnte. Das wiederrum macht Jesse und seinen Partner nicht zu den brillanten Ermittlern, als die sie das ganze Buch hindurch dargestellt werden. Im Grunde haben sie die ganze Zeit keinen Plan, wer wann wo was gemacht hat und lassen sich auch ständig überrumpeln. Sie erscheinen mir mehr chaotisch als gute Ermittler. Auch hat mich der über weite Teile unpassend flapsige Ton in den Dialogen etwas gestört. Trotzdem meiner Kritikpunkte lassen sich die über 600 Seiten leicht weglesen und machen es zu einem kurzweiligen Leseerlebnis. Für mich kommt dieses Buch aber nicht an „Harry Quebert“ heran.




  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: So viel mehr als nur ein Roman...



    Dies war mein erster Dicker und wird ganz sicher nicht mein letzter gewesen sein, denn was ich hier zu lesen bekam, war so viel mehr als ich erwartet hatte.



    In der Geschichte geht es um die beiden Polizisten Derek Scott und Jesse Rosenberg, die vor 20 Jahren als junge Beamte einen Vierfachmord aufgeklärt und gelöst hatten. Doch dann taucht plötzlich die Journalistin Stephanie Mailer auf und behauptet, dass die beiden Ermittler den falschen Kerl erwischt hätten und der Fall gar nicht gelöst sei. Hat die Reporterin wohlmöglich Recht? Als die junge Frau plötzlich spurlos verschwindet, zweifeln die beiden am damaligen Ergebnis und setzen mit den neuen Ermittlungen einen Strudel in Gang, der sie bald selbst in den Abgrund reißen wird...



    Zunächst einmal muss ich erwähnen, dass sich die fast 700 Seiten ungalublich flüssig lesen ließen. Die komplette Handlung fühlte sich wie eine immens gute Krimiserie an, bei der man keine Folge verpassen darf, wenn man alles mitbekommen will und so muss man hier sehr sorgfältig und aufmerksam lesen, wenn man die Zusammenhänge begreifen möchte. Dicker wechselt zwischen den Zeiten und mehreren Personen, das heißt mal bewegen wir uns in der Gegenwart und mal in der Vergangenheit und als Erzähler fungieren mal die Polizisten und auch andere im Fall verwickelte Protagonisten.



    Mir hat am besten Polizistin Anna Kanner gefallen, weil sie sich in der harten Männerdomäne Polizei nicht die Butter vom Brot nehmen lässt und in den Ermittlungen immer sehr pfiffig agiert und eine regelrechte Spürnase hat.



    Ansonsten sind alle im Buch agierenden Protagonisten sehr detailliert beschrieben, so dass wohl jeder Leser jemanden im Buch findet, mit dem er sich identifizieren kann.



    In der Handlung beleuchtet der Autor nicht nur allein den damaligen Mordfall, sondern auch zahlreiche Nebenhandlungsstränge und -schauplätze, was den Roman unglaublich vielseitig und spannend macht, denn gefühlt ganz nebenbei werden Themen wie Ehebruch, Mobbing, Drogenmissbrauch und ähnliches thematisiert.



    Das Besondere an dem Buch ist wohl, dass man bis zuletzt meint den Täter zu kennen, nur um dann eines besseren belehrt zu werden und von dem Ende gänzlich überrascht wird. Für mich war der Schluss komplett nachvollziehbar und keine Frage blieb mehr offen.



    Für mich war der Roman perfekt bis auf eine Sache: Mein vorliegendes Buch ist die zweite Auflage und ich musste beim Lesen vermehrt feststellen, dass es diverse Schreibfehler im Text gibt, die den Lesefluss ein ums andere Mal gestört haben. Mal wird aus einem mit ein mir, mal fehlt ein Buchstabe oder Worte wurden im Text vertauscht und selbst bei den Namen hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen, wird aus Tracy plötzlich Stacy. Das sollte bei so einem Spitzentitel, der zudem ja nicht ganz billig ist, einfach nicht passieren. Daher würde ich mir wünschen, dass in zukünftigen Auflagen dies vielleicht nochmal überarbeitet wird.



    Fazit: Wer statt Krimiserie mal ein unglaublich gutes Buch lesen will, der kommt an diesem Dicker nicht vorbei. Ich kann nur eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen. Absolute Spitzenklasse!


    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Handlungsort ist vor allem Orphea, ein kleines Städtchen an der Atlantikküste der USA und das dort stattfindende Theaterfestival.


    1994 als fast alle Bewohner und Gäste des Festivals zum Aufführungsort strömen, erschüttert und lähmt ein Vierfachmord den Ort. Meghan Padalin, die jeden Tag ihre Joggingrunden dreht, wurde vor dem Haus des damaligen Bürgermeisters erschossen. Im Haus selbst wurde der Bürgermeister, seine Frau und der Sohn niedergestreckt. Die Ermittlungen wurden durch zwei junge Polizeibeamte geführt, die sehr schnell den Täter ermittelten. 2014 hat Stephanie Mailer, eine junge Journalistin, neue Nachforschungen angestellt. War Ted Tennenbaum tatsächlich als Täter? Da er sich mittlerweile erhängt hat, kann er keine Antworten geben. Aber jetzt ist Stephanie Mailer verschwunden. Was hat sie bei ihren Nachforschungen erfahren, ist das der Grund für ihr Verschwinden?



    Der Autor hat mich bereits mit seinen zwei Romanen „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ und „Die Geschichte der Baltimores“ begeistert und das kann ich auch von diesem behaupten.


    Er dröselt den alten Fall und auch die Gegenwart akribisch auf und tatsächlich möchte ich von den 660 Seiten keine einzige entbehren. Als Leser ist man gefordert, aufmerksam bei der Sache zu bleiben, denn Dicker führt sehr viele Figuren ein, beschreibt sie samt ihrer Geheimnisse und Charaktereigenschaften ausführlich und bildhaft. Ein Personenregister ist am Ende des Buches zu finden. Dicker läßt vor allem die beiden Beamten Derek Scott die Sicht von 1994 erzählen und Jesse Rosenberg die von 2014. Nebenbei erfährt man auch ihr privates Drama, das mit den damaligen Ermittlungen im Zusammenhang steht. Außerdem kommt der damalige Polizeichef Kirk Harvey und die neu zugezogene Beamtin Anna Kanner zu Wort und sie unterstützen Derek und Jesse tatkräftig.


    Dieser komplexe Kriminalfall wurde spannend und natürlich sehr ausführlich beschrieben. Als Leser wurde man mitgenommen auf falsche Fährten, man konnte die neu gewonnenen Erkenntnisse gut nachvollziehen, einordnen und vor allem eigene Überlegungen anstellen. Ich möchte keine einzige Seite des Buches missen. Es ließ sich flüssig lesen und man kann richtig abtauchen in die Geschichte. Meine Lieblingsfigur war unbestritten Anna Kanner, die zweite stellvertretende Leiterin der Polizei von Orphea. Sie ist nach ihrem Eheende in New York mit dieser neu geschaffenen Position in den „verschlafenen“ Ort gelockt worden. Anfangs muß sie sich als einzige weibliche Beamtin gegen alle Widerstände der männlichen Kollegen durchsetzen und sie schafft das erfolgreich. Privat muß sie sich gegenüber ihren Eltern behaupten, die sie gerne wieder an der Seite des Ex-Ehemanns sehen würden und auch in einem hübschen Häuschen in ihrer Nachbarschaft. Aber sie schafft es, ihren eigenen Kopf durchzusetzen, akzeptiert zu werden und ist dabei äußerst clever.


    Von mir eine eindeutige Leseempfehlung für diesen opulenten Roman!

  • Das Verschwinden der Stephanie Mailer – Joel Mailer


    Mein Eindruck:

    Vor diesem Buch, das mich sehr gut unterhalten hat, hatte ich noch nichts von Joel Dicker gelesen.

    Obwohl er Schweizer ist, spielt der Roman in den USA und wirkt auch ganz und gar amerikanisch. Der Schauplatz mit der Kleinstadt in den Hamptons ist gut gewählt.

    Vielleicht ist das keine große Literatur, aber die Komplexität der Handlungsstränge mit diversen Zeitebenen und Erzählperspektiven ist schon beeindruckend geschickt gemacht.


    Der Roman kann als Krimi verortet werden, doch ich mochte besonders die gesellschaftsrelevanten Aspekte, z.B. wenn die Geschichten der Figuren nach und nach stückchenweise erzählt werden.

    Einige haben mich sehr gepackt. Das sind z.B.


    - Die Kindheit von Jerry Rosenberg mit seinen originellen Großeltern und später seine Liebesgeschichte mit Natascha. Später folgt der große Verlust, was ihn und seinen Kollegen Derek Scott jahrelang verfolgte.


    - Die Schwierigkeiten die die geschiedene Polizistin Anna als einzige weibliche Person auf dem Revier in der Kleinstadt Orphea hat. Obwohl sie wirklich kompetent ist, legen ihr die männlichen Kollegen Steine in den Weg.


    - Die Krise von der jungen Dakota, die gerne geschrieben hat, jetzt aber aufgrund eines schlimmen Vorfalls an Depressionen leidet und an Alkohol und Drogen geriet. Hier ist die Mobbing-Geschichte mit den sozialen Medien tragisch. Beeindruckend schließlich, wie sich ihr Vater für sie einsetzt.


    - Die Abhängigkeit eines 50jährigen verheirateten Journalisten von einer egoistischen 25jährigen Frau, mit der er eine Affäre hat.


    Joel Dicker kann diese Themen wirklich gut herausarbeiten. Die Auflösung des Falls am Schluß war auch nicht schlecht.

  • Ich mochte beide vorangegangenen Romane von Joël Dicker. Aber dieser hier ärgert mich gerade ganz schön. Darüber, dass Dicker in den Perspektiven nicht sauber arbeitet kann ich hinwegsehen. Sogar, dass er die Erzählstimme nicht verändert beim Perspektivenwechsel. Was mich aber schon stört, sind die logischen Brüche in der Handlung (z. B. Seite 230 ff.). :pille


    Dass der Verlag nicht dafür gesorgt hat, dass Druckfehler, Namensfehler und Grammatikfehler korrigiert werden, liegt wohl nicht an Herrn Dicker. :(


    Ich les trotzdem mal weiter.

  • Ich mochte beide vorangegangenen Romane von Joël Dicker. Aber dieser hier ärgert mich gerade ganz schön. Darüber, dass Dicker in den Perspektiven nicht sauber arbeitet kann ich hinwegsehen. Sogar, dass er die Erzählstimme nicht verändert beim Perspektivenwechsel. Was mich aber schon stört, sind die logischen Brüche in der Handlung (z. B. Seite 230 ff.).

    Ich höre gerade das Hörbuch und Torben Kessler liest das Buch so gut, dass das Problem mit der Erzählstimme hier wegfällt. Ich habe allerdings ein Problem mit dem Erzählstrang "Steven Bergdorf", der mich zunehmend nervt.

  • Ich habe das Hörbuch gestern beendet und ja, das Buch ist unterhaltsam, spannend und zum großen Teil auch interessant. Aber Dicker hat hier für meinen Geschmack teilweise maßlos übertrieben. Ständig bringt er neue Ideen, neue Wendungen, neue "Geschichtchen" seiner Protagonisten mit ein. Für mich wirkt das oft so, als habe er noch eine skurrile Idee gehabt und noch eine und noch eine und alle mussten unbedingt irgendwie eingebaut werden. Auch in seinen anderen Büchern neigt er zur Übertreibung und Klischeehaftigkeit, was mich nicht gestört hat, hier war es mir aber teilweise zu viel und zu oberflächlich, vor allem in den Dialogen. Das hat mich genervt und mir den Spaß an der Geschichte etwas verleidet.

  • Auch in seinen anderen Büchern neigt er zur Übertreibung und Klischeehaftigkeit, was mich nicht gestört hat, hier war es mir aber teilweise zu viel und zu oberflächlich, vor allem in den Dialogen.

    Das hat mich ja bei den Baltimores schon sehr gestört. Jetzt weiß ich auf jeden Fall, dass ich dieses Buch erst mal nicht lesen möchte .Danke Saiya für Deine Einschätzung.:wave

  • Das Verschwinden der Journalistin Stephanie Mailer führt dazu, dass die Ermittlungen in einem 20 Jahre alten Vierfachmord neu aufgerollt werden. Nach und nach zeigt sich, dass die damaligen Ermittler nicht alle Fakten kannten, doch heißt das auch, dass der überführte Täter gar nichts mit den Morden zu tun hat? Jesse Rosenberg und Derek Scott hatten 1994 ihren ersten großen Fall, und stellen 2014 ihre damaligen Ermittlungen in Frage.


    Nachdem mich Joël Dickers ersten zwei Romane bereits begeistert haben, musste ich auch seinen dritten unbedingt lesen – und auch hier findet sich wieder Dickers typischer Stil. Der Roman ist sehr komplex, erst nach und nach gibt er die ganze Wahrheit preis. Bis dahin hat der Leser Überraschungen erlebt, Schockierendes gelesen und seine eigenen Vermutungen immer wieder korrigieren müssen. Den Leser lange im Ungewissen zu lassen, ihn manchmal regelrecht an der Nase herumzuführen, das beherrscht der Autor perfekt. Auch wenn hier manche Szenen schon fast satirehaft überspitzt wirken, bleibt die Logik nie auf der Strecke, und am Ende fügt sich alles meisterhaft zusammen.


    Wie das Geschehen sind auch die Charakter vielschichtig angelegt und ebenfalls alle für eine Überraschung gut. In diesem Roman hat man allerdings hin und wieder das Gefühl, auch manche Charaktere sind allzu überspitzt dargestellt, vor allem den ehemaligen Polizeichef Kirk Harvey kann man kaum ernst nehmen. Ob man allerdings die Charaktere richtig eingeschätzt hat, erfährt man erst am Ende des Romans.


    Nicht nur das Geschehen und die Charaktere sind komplex, auch Dickers Erzählstil. Wie schon in den Vorgängern erzählt er auch hier wieder auf mehreren Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven, vorwiegend in der Ich-Form, zwischendurch aber auch immer wieder in der dritten Person, wobei hier auch die Ich-Erzähler auftauchen können. Man muss schon ein bisschen aufmerksam lesen, damit einem nichts entgeht und man immer weiß, wo und wann man sich befindet. Für mich haben solche Erzählungen immer einen gewissen Reiz und sorgen dafür, dass ich den Roman nur schwer aus der Hand legen kann.


    Der Roman ist ein typischer Dicker, komplex, deckt nach und nach Zusammenhänge auf, hat immer wieder Überraschungen zu bieten, mehrere Zeitebenen und Perspektiven. Dickers beide anderen Romane haben mir etwas besser gefallen, aber auch sein dritter Roman ist absolut lesenswert und ich freue mich schon auf viele weitere. Von mir gibt es 9 Punkte und natürlich eine Leseempfehlung.

  • Dies war mein erstes Buch von Joel Dicker und ich bereue es nicht, mir hat die facettenreiche Geschichte sehr gut gefallen. Wir werden bei der Suche nach Stephanie Mailer mit sehr vielen Personen vertraut gemacht, die alle etwas mit einem grausamen Mord vor zwanzig Jahren zu tun gehabt haben können. Die Geschichte wird in unterschiedlichen Zeitebenen erzählt und aus der Sicht sehr unterschiedlicher Personen. Ich mag solche Bücher sehr, wo viele Ebenen zu berücksichtigen sind.

    Ich werde mir jetzt mal die ersten beiden Bücher in meinen SUB legen, damit ich sie zeitnah lesen kann. Von mir eine klare Leseempfehlung und 10 Punkte.

  • Ein Buch, welches mich unzufrieden zurücklässt und ich muss echt grübeln, was alles mich gestört hat - und das war einiges.


    Erst mal das Positive.


    Ich finde, Dicker hat einen schönen Schreibstil. Den habe ich in seinen ersten zwei Büchern auch schon sehr geschätzt und daran ändert sich auch hier nichts. Es gibt einige Szenen, die wirklich zu Herzen gehen. Vor allem die Schicksale der jungen Frauen in diesem Roman sind oft sehr hart und zeigen, dass Dicker intensive Charaktere erschaffen kann.


    Die Krimihandlung an sich - also der Vierfachmord und die sehr komplexen Ermittlungen, die in 1994 und 2014 angelegt sind - ist solide, hat jede Menge Überraschungen, falsche Fährten, forensische Details, Zeugen, die lügen oder auch nicht. Und die Auflösung lässt keine Fragen offen und geschieht tatsächlich erst auf den allerletzten 30 Seiten.


    Jetzt kommt der dicke Packen, der mich sehr gestört hat.

    Zuerst mal die Erzähltechnik, die er hier anwendet. Es wird nicht nur aus zwei Zeitsträngen erzählt - also 1994 und 2014. Diese sind relativ deutlich an den Jahreszahlen über den Abschnitten erkenntlich. Auf dieses HIn- und Hergehopse konnte ich mich noch gut einlassen, auch wenn man erst mal die Namen der zahlreichen Protas präsent haben musste, damit man nicht durcheinanderkam. Mich störte, dass es daneben zusätzlich sehr viele rasche Perspektivwechsel gab. Teilweise in der Ich-Person, oft in der dritten Person. Da kam jeder Darsteller mal zu Wort. Außerdem wurde, wenn z.B. in einem Verhör ein Zeuge etwas aus irgendwann in der Vergangenheit erzählte - also auch vor 1994 oder zwischen den Hauptzeitsträngen - dann wurde das so erzählt, als würde es gerade geschehen. Also in einem Film wären das Rückblenden gewesen. Das fand ich aber meistens total unnötig und es nahm ständig das Tempo aus der Geschichte.


    Dann gab es einen Erzählstrang, der eigentlich vollkommen neben dem eigentlichen Hauptstrang herlief. Der Chefredakteur und dessen geldgierige junge Geliebte, derer sich der untreue Ehemann irgendwann einfach nur noch entledigen wollte. Diese beiden Charaktere waren fürchterlich anstrengend, überzogen, unglaubwürdig und führten irgendwann so ein Eigenleben inkl. einem eigenen Showdown und einem eigenen schrägen Abschluss, dass ich nur noch den Kopf geschüttelt habe, was der Autor mir damit sagen wollte.


    Außerdem gab es mehrere Personen, dessen Verhalten schrill bis überzogen und für mich in hohem Maße unglaubwürdig war. Auch wenn man im Fokus hat, dass es sich ja um eine Kleinstadt handelt und die Menschen vielleicht etwas spießig, prüde, naiv und manipulativ sind. Das Theaterstück eines durchgeknallten Ex-Polizeichefs aufzuführen, tagelang diesem unfähig tobenden Regisseur irrsinnige Texte nachzuplappern, sich halbnackt mit einem ausgestopften Tier lächerlich zu machen.... Es war so viel hahnebüchener Unsinn in den Handlungen der Akteure, dass ich mich an Filme von Louis de Funes erinnert fühlte. Im schlechtesten Sinne. Also nicht mal lustig.


    Ganz prinipiell war es mir auch von allem zu viel. Es waren mir tatsächlich zu viele Volten, zu viele falsche Verdächtige, zu viele seltsame Querverbindungen und am Ende sogar viel zu viele Toten. Dieses zu Viel stumpfte mich für das Ende total ab. Da war ich nur noch froh, dass endlich doch eine einigermaßen plausible Erklärung gegeben wurde und ein Täter ein Geständnis ablegte.


    Es gab noch einige Kleinigkeiten mehr, die mich gestört haben, aber die sind nur noch Steinchen zum großen Ganzen meiner Unzufriedenheit. Für mich, der ich die ersten beiden Bücher von Joel Dicker heiß und innig liebe, war die Enttäuschung umso größer. Ja, ich hatte hohe Erwartungen und bin traurig, dass sie nicht mal ansatzweise erfüllt wurden.


    5 Punkte von 10


    Nachsatz: Ich habe jetzt, nachdem ich meine Gedanken festgehalten habe, die Rezis der anderen Eulen gelesen. Okay, das ist echt "lustig". Diesmal bin ich die jenige, die den Dicker "verreißt". Bei den zwei Vorgängern waren es ja andere, da war ich die Euphorische. Wieder mal ein Dicker-Roman, der sehr unterschiedlich ankommt beim Leser. :gruebel

    Hollundergrüße :wave




    :lesend








    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern daß er nicht tun muß, was er nicht will - Jean Rousseau)

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  • Tilia Salix die Baltimores hab ich geliebt. Eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Ich stelle immer wieder fest, das es wirklich nur sehr wenige AutorINNen gibt, die es schaffen, mich mit JEDEM Buch zu überzeugen. Und dass ich vorsichtig mit meinen Erwartungen sein sollte.

    Hollundergrüße :wave




    :lesend








    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern daß er nicht tun muß, was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Seit „Der Fall Harry Quebert“ bin ich ein großer Fan von Joel Dicker, aber leider bin ich bis jetzt nicht dazu gekommen, das vorletzte Buch „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ zu lesen.


    Eigentlich handelt es sich gar nicht primär um die Ermittlung, wo Stephanie Mailer abgeblieben ist, sondern eher darum, warum sie verschwunden ist. Stephanie wollte einen Mord aus dem Jahr 1994 in der fiktiven Stadt Orphea aufklären, denn ihrer Meinung nach sind die falschen Täter gefasst worden.


    Auch dieses Buch hat mir wieder richtig gut gefallen. In der gewohnten Dicker-Art sind die Charaktere und ihre Beweggründe wieder sehr ausführlich geschrieben, so dass ich eigentlich die ganze Zeit das Gefühl hatte, die Personen tatsächlich kennen zu lernen. Am Ende des Buches hatte ich dann auch ein kleines Verlustgefühl, denn das Buch steht ja für sich alleine und ist nicht Teil einer Reihe. Aufgrund der vielen Zeit- und Personensprünge musste ich gut aufpassen, wo und vor allem bei wessen Erzählung ich mich gerade befinde. Aber genau das hat das Buch für mich so interessant gemacht, weil ich nicht nur die Begebenheiten in 2014 bzw. 1994 erfahren habe, sondern auch Dinge aus der Kindheit, Jugend bzw. dem ganzen Leben der einzelnen Personen. Sowas mag ich immer besonders gern. Die Informationen wurden dabei nur ganz langsam entblättert und so im Buch verteilt, dass es durchweg spannend war. Während des Hörens habe ich mich ununterbrochen gefragt, wie die Erzählstränge am Ende zusammen passen sollen, aber es hat sich alles perfekt zusammen gefügt. Lediglich einen Erzählstrang fand ich für die Geschichte unwichtig und glaube, dass sie als Ablenkung gedacht war.


    Torben Kessler, den ich in „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara lieben gelernt habe, hat auch dieses Buch wieder ganz großartig gesprochen. Seine Stimme ist schuld daran, dass ich es gehört und ich nicht gelesen habe.


    Wenn ihr schon mal etwas von Joel Dicker gelesen habt und ausführliche Beschreibungen von Geschehnissen und Personen mögt, ist „ Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ auf jeden Fall etwas für euch. Ich werde demnächst „Das Geheimnis von Zimmer 622“ vom Audible-SuB befreien. Es wird übrigens ebenfalls von Torben Kessler gelesen.