'Der Distelfink' - Kapitel 08

  • Theos Early College Progrmm ist ein Paradies, er müsste glücklich sein, dass er in NY bleiben kann, aber er kann sich nicht freuen, ist wie versteinert. Theo wirkt ernst, zu erwachsen, wie ein Kriegsheimkehrer unter Kindern. Das Wohnen bei Hobie gibt ihm Rückhalt, er könnte sicher nicht in einem Wohnheim leben. Sein Trauma ist offenbar nicht behandelt, er kann Menschenmassen nicht ertragen.


    Theo ist Hobies Geschäftspartner. Auf S. 554: Tolle Beschreibung wie weltvergessen und zweckfrei Hobie arbeitet. Hobie hat Massen von Antiquitäten eingelagert, die kaufmännische Seite des Geschäfts interessiert ihn nicht, er restauriert aus Freude an der Tätigkeit.

  • Theo hat es ins College geschafft, aber glücklich ist er nicht. In allem wie er es tut und was er tut, spielt " Der Distelfink" eine zentrale Rolle. Mann könnte sagen, er richtet sein Leben nach dem Gemälde aus. Er ist so voller Panik das für nichts sonst mehr Platz ist. Ich schätze ohne das Gemälde hätte sein Leben eine andere Richtung eingeschlagen.


    Hobie kommt mir etwas weltfremd vor. Die finanziellen Aspekte seiner Arbeit interessieren ihn nicht sonderlich. Aber allein von Arbeit wird man nicht satt, auch wenn es die Leidenschaft ist, die einen antreibt. Theo findet auch gefallen an der Arbeit.


    Als Hobie seine alte Wohnung und Jose und Goldie besuchen möchte, muss er entsetzt feststellen, das alles weg ist. Jetzt wird ein Luxuskomplex gebaut .
    Und ihm wird klar, niemand ist mehr da, der sein altes Leben kannte.

  • Ich vermute, nun wird das kleine Bild Theos einzige und letzte Verbindung zu seinem alten Leben bleiben. Alles andere verschwindet oder wird ihm entzogen.
    Es ist eine seltsame Fügung, dass Theo, der praktisch nichts mehr besitzt außer dem Bild, nun in diesem Antiquitätenlager gelandet ist, in dem Unmengen alten Krempels vor sich hinstauben.

  • ich habe mich total für Theo gefreut als er den Brief vom College bekam, musste aber ziemlich schnell feststellen, dass er es dort nicht wirklich leicht hat. Wie ihr schon richtig bemerkt habt, dreht sich sein Leben viel zu viel um den Distelfink und das macht ihn irgendwie fertig.


    Dass er immer wieder mit Hobie reden und das alles vergessen kann mag ich sehr. Ich finde die beiden sind ein sehr tolles Team.


    Dass das alte Gebäude in einen Luxus-Tempel umgewandelt wird macht mich traurig. Es ist niemand mehr da, mit dem Theo über seine Mutter und "die gute alte Zeit" reden könnte :-(

  • Theo schafft es auf die neue Schule zu kommen, kann sich allerdings trotz optimaler Voraussetzungen nicht richtig eingliedern. Das mag an Las Vegas, seiner Verlorenheit und dem Distelfink liegen, der immer noch die letzte Verbindung zur Mutter und Vergangenheit darstellt.


    Die Beziehung zu Hobie ist im Grunde fruchtbringender. Die handwerkliche Arbeit des alten Herren hat es ihm angetan. Sprachlich ist das Buch immer am Limit. Ich bestaune die schönen Vergleiche der Autorin und die Detailgenauigkeit.

  • Zitat

    Original von Luc
    Sprachlich ist das Buch immer am Limit. Ich bestaune die schönen Vergleiche der Autorin und die Detailgenauigkeit.


    ...das geht mir auch so.


    Theo hat es auf die Schule geschafft, aber, als ob er mit dem Erreichen dieses Zieles all seinen Elan verloren hat, dümpelt er da vor sich hin.
    Das Bild hat er jetzt eingelagert und hoffentlich nicht mehr soviel Stress.

  • Zitat

    Original von Zefira
    Ich vermute, nun wird das kleine Bild Theos einzige und letzte Verbindung zu seinem alten Leben bleiben. Alles andere verschwindet oder wird ihm entzogen.
    Es ist eine seltsame Fügung, dass Theo, der praktisch nichts mehr besitzt außer dem Bild, nun in diesem Antiquitätenlager gelandet ist, in dem Unmengen alten Krempels vor sich hinstauben.


    ich find, das hat ja alles irgendwie was mit Vorsehung zutun, als wenn ihm jemand zeigen muss, was er machen möchte.

  • Theo schafft es nach all seinem Schlamassel an eine neue Schule zu kommen, an der er eigentlich gute Voraussetzungen hätte. Dennoch gelingt es ihm nicht, sich dort zurecht zu finden. Sein zentrales Denken dreht sich um das Bild.


    Seine Verbindung zu Hobie ist das Einzige, das ihn irgendwie noch erdet.

  • Ich finde es schade, das Theo an seiner neuen Schule so antriebslos ist und sich auch gar nicht eingliedern will. Er hat so viele Möglichkeiten, aber er will sie gar nicht nutzen. Hobie scheint wirklich weltfremd zu sein. So gut er sich auch kümmert um Theo, letztendlich ist es nur oberflächlich, denn er bekommt anscheinend nicht mit, das Theo sich nur dahintreiben lässt.


    Die Manie um das Bild ist nervig. Es ist ein schönes und wertvolles Bild. Ich finde es unverantwortlich von Theo, das er es einfach wegschließt. Es kann beträchtlichen Schaden nehmen bei dieser unsachgemäßen Behandlung. Ich glaube nicht, das es ihn an seine Vergangenheit und seine Mutter bindet. Es hat mit seinem Leben nichts zu tun, ich finde, es erinnert ihn eher an die Explosion und den Verlust seiner Mutter. Vielleicht würde es ihm gut tun, es zurückzugeben. Viel schlimmer ist da die Veränderung seines alten Wohnhauses.


    Ich mag Tartts Erzählstil, aber manchmal könnte sie sich wirklich kürzer fassen. Ein gutes Beispiel ist in diesem Kapitel die Einführung des Transportfahrers Grischa. Er wurde benötigt, um Theo auf die Lagerungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen. Aber muss man ihn so ausführlich vorstellen? Muss man sie wirklich durch die "todessternartige" Lagerräume begleiten? Solche zu langwierig ausgeführten Szenen nehmen viel Tempo aus der Geschichte, verlangsamen sie. Das finde ich schade. Manche Details, wie die über das Möbelrestaurieren, sind durchaus schön und interessant, aber manchmal übertreibt Tartt etwas.

  • Theo ist unglaublich isoliert. Ich finde das richtig bedrückend zu lesen. Er lebt wie innerlich abgeschottet von allen anderen, lässt niemanden an sich heran. Und gerade in einem Moment der Erleichterung, als er dieses blöde Bild endlich los hat, kommt der nächste Schock - das Haus wird umgebaut. Ich hoffe ja irgendwie immer, noch dass sich mal wirklich was zum Guten wendet, aber es sieht momentan nicht danach aus. :-(

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

  • Vom Prolog wissen wir ja schon, dass es nicht gut endet. Nur was wirklich vorgefallen ist, wissen wir noch nicht. Es scheint ein Buch über die Schicksalsschläge im Leben zu werden, dass uns ausführlich zeigt, warum es mit Theo so eine Entwicklung genommen hat. Sehr ausführlich. :grin

  • Zitat

    @Original von Brigia:


    Theo ist unglaublich isoliert. Ich finde das richtig bedrückend zu lesen. Er lebt wie innerlich abgeschottet von allen anderen, lässt niemanden an sich heran.


    Das finde ich auch. Einerseits aber verständlich nach dem Schicksalsschlag. Zusätzlich kommt dann noch die Zeit mit der "Verwahrlosung und den Drogeneskapaden". Ich kann mir gut vorstellen, dass es schwierig ist wieder sein normales Leben zu leben nach allem was passiert ist.

  • Die Isolierung resultiert aber auch daraus, dass es kein Erwachsener schafft, wirklich in Kontakt mit Theo zu kommen. Einzig zu Pippa war ein kurzer wahrer Austausch vorhanden. Zu Hobie gabe es nur in Theos erster Zeit in New York vernünftige Gespräche. Nach seinem Las Vegas-Aufenthalt überwiegt eigentlich Theos Angst vor Entdeckung des Distelfinks. Hobie findet alles toll und Mrs. Barbour war zu sehr auf ihre gesellschaftliche Erscheinung bedacht, dass der Kontakt ebenfalls lediglich oberflächlich blieb. Ganz schlimm schneiden eigentlich die professionellen Charaktere wie Lehrer und Psychologen ab.

  • Zitat

    Original von Aly53
    Theo hat es ins College geschafft, aber glücklich ist er nicht. In allem wie er es tut und was er tut, spielt " Der Distelfink" eine zentrale Rolle. Mann könnte sagen, er richtet sein Leben nach dem Gemälde aus. Er ist so voller Panik das für nichts sonst mehr Platz ist. Ich schätze ohne das Gemälde hätte sein Leben eine andere Richtung eingeschlagen.


    Das stimmt. Ich finde es toll, dass einmal ein Titel so gut passt und dass es so ein wiederkehrendes / zentrales Motiv wie das Bild gibt. Mich hätte es interessiert, was ohne das Gemälde aus ihm geworden wäre. Aber dann gäbe es wohl keine Geschichte zu erzählen.


    Mit gefällt die Sprache der Autorin nach wie vor sehr gut, aber teilweise finde ich, dass es schon ein wenig langatmig geraten ist. Streicht man als Autor nicht sehr viel? Wie sah ihr Roman dann wohl vorher aus ?(


    Generell wirkt alles auf mich schon sehr negativ. Und wenn für Theo mal was klappt, dann folgen deshalb weitere Probleme. Armer Kerl...

  • Der Laden-hinter-dem Laden Teil 2


    Theo wird am College angenommen, er hat es geschafft, doch er beschränkt sich auf ein Minimum der zu belegenden Fächer.
    Der Anwalt betrachtet den Aufenthalt von Theo bei Hobie nur als Zwischenstation und würde gerne das er in ein Wohnheim der Schule bleiben soll, das gefällt Theo überhaupt nicht und er denkt auch, das er das Bild unmöglich dahin mitnehmen kann.
    Er hilft Hobie wo er nur kann, macht sich mehr als nützlich, lernt eine Menge über Holz und Restaurierung und so geht wieder Zeit ins Land.
    Er erfährt durch Grischa, das Hobie ein Lager hat, wo er viele Sachen, Dinge aufbewahrt.......“Der Laden-hinter-dem Laden“, so interpretiere ich die Überschriften wobei ich nicht weiß, warum die Autorin diese beiden kurzen Kapitel zweigeteilt hat?
    Theo wittert hier vielleicht die Idee, sein Bild zu verstecken, lese ich irgendwie zwischen den Zeilen heraus, weil dort so viel und durcheinander gelagert wird, das keiner durchblickt, niemand dort nach irgendetwas suchen würde.


    Auf einem Nachhauseweg kommt Theo an seinem alten Zuhause vorbei, möchte Goldie und José besuchen und Hallo sagen, doch das Haus ist leer, wird teils abgerissen und modernisiert, keine alten Bekannten mehr, keine Verbindung in die Vergangenheit, außer dem Bild.

  • Ich fand diesen Abschnitt auch sehr bedrückend, recht düster und Theo als Figur tut einem an sehr vielen Stellen Leid. Insbesondere die Rückkehr zum Haus, in dem er mit seiner Mutter gelebt hat, macht traurig und zeigt, wie vergänglich alles wieder einmal ist. Und auch, wie wichtig einem die Kleinigkeiten und Beständigkeit war. Die letzten Zeilen des Abschnitts haben sehr zum Nachdenken angeregt. Einiges in dem Kapitel wirkte aber auch recht zäh.

  • Theo kann in NY bleiben und ein College besuchen. Freut mich für ihn. Allerdings glücklich scheint er nicht zu sein.


    Er hilft Hobie und lernt dabei so einiges über Restaurierungen. Hobie scheint noch einen geheimen Raum zu haben in dem "Schätze" zu lagern scheinen. Vielleicht überlegt Theo dort den "Distelfink" zu verstecken?


    Bin schon sehr gespannt wie es weitergeht.


    Viele Grüße :wave


  • Das kann ich auch nur unterstreichen - der Distelfink spielt tatsächlich eine zentrale Rolle in diesem Buch! Erstaunlicherweise aber nur, wenn sich Theo in New York befindet. Während seines Lebens in Vegas spielte das Bild eine weit weniger wichtige Rolle, fand ich. Lag aber sicherlich auch an den Lebensumständen, war ja ständig im Drogenrausch!


    (By the way: Und genau dieser zentrale Bezug zwischen Titel und Handlung des Buches hat mir bei "Die Mitternachtsrose" von Lucinda Riley (auch ne LR hier bei den Büchereulen gewesen) gefehlt!)


    Langatmig fand ich das Buch bisher noch überhaupt gar nicht!! Und das, obwohl es ja ein echt dicker Schmöker ist und ich immer nur häppchenweise zum Lesen komme! Ich denke, diese Ausführlichkeit ist notwendig, um die Schwermütigkeit in Theos Leben richtig rüberzubringen. Gekürzt könnte die Autorin diese Atmosphäre bestimmt nicht so transportieren. Ich wüsste keinen Teil, den ich hätte streichen wollen!


    Eine ganz ganz tolle Textstelle fand ich im übrigen wieder mal, wie die Freundschaft zwischen Hobie und Theo geschildert wird:


    S. 553
    "Obwohl ich im Keller manchmal sechs oder sieben Stunden mit Hobie arbeitete, meist ohne ein Wort mit ihm zu wechseln, fühlte ich mich im Licht seiner Aufmerksamkeit nie einsam: Dass ein Erwachsener, der nicht meine Mutter war, so mitfühlend und im Einklang mit mir sein konnte, so vollkommen präsent, verwunderte mich."


    Das beschreibt so toll die Stimmung zwischen Hobie und Theo, auch rückwirkend zwischen Theo und seiner Mutter - und eigentlich auch, dass es zwischen ihm und Mrs. Barbour z.B. nie so herzlich gewesen ist!


    Ganz großartige Erzählkunst von Donna Tartt!!!