'Wölfe' - Teil 1

  • Ist es richtig, dass Teil 1 "nur" die ersten drei Kapitel umfasst?


    Ich habe gestern schon mit dem Hörbuch angefangen und bin ziemlich beeindruckt vom Erzählstil der Autorin. Cromwell aus seiner Sicht immer als "er" zu bezeichnen, hat was. Thomas Cromwell gehört nicht gerade zu meinen liebsten historischen Figuren (warum das so ist, das kommt sicher später noch dran) und diese Schreibweise erhält für mich die nötige Distanz, die ich zu dieser Figur gerne behalten möchte. Andererseits intensiviert Mantel dadurch aber viele Beschreibungen, wie die Empfindungen bei der Prügel des Vaters oder generell Cromwells Gedanken an sich.

    Das gefällt mir sehr gut.

    Ich muss mich beim Hören konzentrieren, um der Geschichte richtig folgen zu können. Das Hörbuch hört sich nicht nebenbei. Ich bin auch froh, dass ich schon andere Romane über diese Zeit gelesen habe. Wenn z. B. plötzlich der "Kardinal" auftaucht, ohne dass ein weiterer Name genannt wird, ist mir klar, dass nur Thomas Wolsey gemeint sein kann. Das würde mich ansonsten etwas verwirren.
    Zu meinem Hörbuch gab es aber eine PDF-Datei mit einem Personenregister, sortiert nach den unterschiedlichen Handlungsorten. Das finde ich in dem Fall sehr hilfreich.


    Das Buch beginnt also mit Cromwells Flucht vor dem prügelnden Vater. Er wird Soldat und landet irgendwie bei Wolsey, der ihn unter seine Fittiche nimmt. Die unbekannte Frau, für die Heinrich VIII. den Ring in Auftrag gegeben hat, dürfte Anne Boleyn sein. Wolsey selbst scheint diese Liebelei ja noch zu unterschätzen und sucht auf dem Kontinent nach einer passenderen Frau. König und Kardinal sind sich noch sehr nah. Cromwell arbeitet zwar für Wolsey, bleibt aber in gewisser Weise auf Distanz. Er wird hier als sehr kluger, vorsichtiger Mann geschildert.
    Mir hat auch besonders der Einblick in Cromwells Familienleben gefallen. Schön, dass er es besser machen möchte, als sein Vater und seine Frau und die Kinder gut behandelt.

  • Diesen Teil habe ich auch schon beendet und mir geht es wie Saiya, das liest sich nicht nebenbei, da ich schon sehr aufpassen muss, von wem denn gerade die Rede ist, vor allem, wenn da gerade zwei Thomasse miteinander sprechen. Das stört mich ein wenig, ich musste schon so manchen Absatz doppelt lesen. Ich hoffe aber, dass es im nächsten Abschnitt besser wird, wenn ich die Personen besser kenne.


    In meinem Buch ist hinten auch ein Personenregister, wo ich schon ein Lesezeichen drin habe, um nachzuverfolgen, wer nun wer ist.


    Mich erstaunt, dass Thomas Cromwell von ganz unten kommt, das war mir nicht klar, obwohl ich auch schon ein paar mal lesetechnisch mit ihm zu tun hatte.


    Ich freu mich auf die Leserunde mit Euch, da ich ja eher selten eine mache. Doch hier dient es auch dem Alt-RUB-Abbau, ohne den das Buch bestimmt noch weitere Zeit dort verbracht hätte. :wave


    Lesen wir den zweiten Teil dann eigentlich auch gemeinsam?

  • Der Erzählstil ist wirklich besonders - und nicht gerade einfach. Mir hilft, neben diversen anderen Büchern, die in der Zeit spielen, dass ich die Verfilmung des Buches bereits gesehen habe. So ein wenig Kopfkino ist ja nichts falsches.


    Ich mochte Cromwells Schwester - für ihre Zeit schafft sie es beeindruckend gut, sich gegen ihren Mann zu behaupten. Und sie hilft Thomas, auch wenn das Ärger mit dem Vater bedeutet. Und so ein cholerischer Säufer ist unberechenbar. Insofern kann ich auch verstehen, dass sie erleichtert sind, dass Thomas sich dafür entscheidet, Putney zu verlassen. Macht ihr Leben sicher einfacher.


    Der Sprung zwischen den Kapiteln ist ziemlich groß und man muss sich aus dem Text erschließen, was in der Zwischenzeit geschehen ist. Ab hier ist dann auch ein gewisses Vorwissen wichtig. Nicht nur, um den Kardinal zu identifizieren, auch Stephen Gardiner wird ja relativ unkommentiert eingeführt. Ich fürchte, das geht so weiter... ;)

  • Ich überlege, ob Shardlake bzw. Sansom in einem seiner Bücher erwähnt hat, dass Cromwell der Sohn eines Schmieds war. Ich habe das irgendwo schon mal gelesen. Dass Wolsey der Sohn eines Fleischer war, ist mir allerdings neu. Beide haben sich hochgearbeitet und waren wohl auch sehr gebildet. Dass das den Adligen nicht gefallen hat, kann ich mir gut vorstellen.

    Das mit "Stephen" Bischof Gardiner gemeint ist, habe ich auch erst herausbekommen, als ich auf das Personenregister geschaut habe. Das ist schon beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit Hilary Mantel mit ihren Figuren umgeht, fast schon ohne Rücksicht auf den Leser.

    Die Serie möchte ich mir gerne hinterher anschauen und "Falken" würde ich ggf. auch wieder mit euch gemeinsam lesen bzw. hören wollen.

  • Mir hat die Serie sehr gut gefallen, mein Mann und ich haben sie vor einem Jahr auf Arte gesehen. Meiner Meinung nach ist sie durchgängig gut besetzt und hervorragend gespielt. Damian Lewis als Heinrich der Achte hat mir besonders gefallen.


    Ist halt nicht so ein Popcornkino wie die Tudors (auch wenn ich die ebenfalls sehr genossen habe - historische Ungenauigkeiten konnte ich da gut ignorieren).

  • Es hilft wirklich, schon eine Vorstellung von den Personen zu haben, die da auftreten. So ganz ohne Vorkenntnisse kann man das Buch kaum lesen.

    Es war etwas Besonderes, dass schon der erste Tudorkönig, Heinrich VII auch fähige Bürgerliche mit Regierungsaufgaben betraute. Das war an anderen europäischen Höfen noch lange dem Adel vorbehalten.

    Und Wolsey muss ein echtes Genie gewesen sein - er hat eine unglaubliche Arbeitslast bewältigt.

  • Ist es richtig, dass Teil 1 "nur" die ersten drei Kapitel umfasst?

    Ja, das ist so, Saiya.

    Alle 6 Teile gliedern sich in jeweils 3 Kapitel. Nur haben die in den weiteren Teilen deutlich mehr Seiten.

    Ich finde ja, dieses Buch als Hörbuch zu hören ist eine echte Aufgabe. Ich bin nicht sicher, ob ich damit zurecht käme, so oft wie ich herumblättere und immer wieder was nachlese :grin.


    Und ich bin wirklich erleichtert, dass ihr das Buch auch als relativ anstrengend empfindet.

    Ich kann absolut verstehen, warum es die Preise erhalten hat, aber ich fremdele immer noch ein bisschen mit dem Stil, auch noch nach ca. 100 S. Es gefällt mir, doch ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich die nötige Energie für 800 S. aufbringe.


    Er wird hier als sehr kluger, vorsichtiger Mann geschildert.

    Ja, das empfinde ich auch so. Als ich über ihn bei Wiki nachgelesen habe, kam er dort nicht so gut weg.


    Mir gefällt das Respektlose in Hilary Mantels Erzählweise.

  • Ich mochte Cromwells Schwester - für ihre Zeit schafft sie es beeindruckend gut, sich gegen ihren Mann zu behaupten. Und sie hilft Thomas, auch wenn das Ärger mit dem Vater bedeutet. Und so ein cholerischer Säufer ist unberechenbar. Insofern kann ich auch verstehen, dass sie erleichtert sind, dass Thomas sich dafür entscheidet, Putney zu verlassen. Macht ihr Leben sicher einfacher.

    Ja, Kat hat mir auch gefallen. Eine zupackende Person.


    Interessant fand ich auch wie Thomas an seine Lizzie gekommen ist. Eine eher pragmatische Entscheidung auf beiden Seiten, aber sie scheinen durchaus zufrieden miteinander.

  • Ich schließe mich eurer Runde noch spontan an.


    Weder kenne ich die Autorin, noch weiß ich viel über die historischen Hintergründe. Trotzdem fasziniert mich dieses Buch von der ersten Seite an.

    Ich finde den Schreibstil wirklich außergewöhnlich. Der Wechsel zwischen bildhaften Beschreibungen und äußerst knappen Gedanken ist sehr gut gelungen.


    Außerdem finde ich die Erzählperspektive sehr gelungen. Man ist ganz dicht bei Cromwell, ohne sich mit ihm zu identifizieren. Man erfährt seine Gedanken und bleibt trotzdem auf Distanz.


    Bisher fnde ich Cromwell wesentlich sympathischer als er mir sonst in der Literatur begegnet ist.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Mir fällt beim Lesen mehr als bisher auf, welch große Rolle die Religionsfrage tatsächlich gespielt hat.

    Und durch die Erzählweise der Autorin muss ich viel mehr über das nachdenken, was ich da lese. Immer wieder die Frage: Halt, wer spricht da gerade? Worauf bezieht sich jetzt dieser Gedankengang?

    Dem bei einem Hörbuch zu folgen, stelle ich mir auch sehr schwierig vor.


    Mir gefällt - bei mir - auf S. 54 die Bemerkung zu Tyndale englischer Bibelübersetzung und dem Hinweis "gedruckt in Utopia. Er hofft, Thomas More hat ein Exemplar davon gesehen."


    Gewundert habe ich mich - auf derselben Seite etwas früher - über die Verwendung des Wortes Holocaust im Zusammenhang mit der Verbrennung der Tyndaleschen Bibeln. Mir war nicht klar, dass im Englischen das Wort Holocaust auch ganz allgemein verwendet werden kann.

  • Das kann ich voll und ganz unterschreiben.

    - Hörbuch? Wäre nix für mich, eventuell später, wenn ich das Buch kenne

    - gedruckt in Utopia - da musste ich auch schmunzeln

    - Holocaust - war mir auch neu, fand ich merkwürdig, das Wort ist bei eindeutig geprägt, war damals aber ja noch vor dem von mir gemeinten.

  • Dem bisher genannten kann ich mich auch gut anschließen. Durch die gewählte Erzählweise herrscht eine Distanz, die andererseits den Spielraum schafft auf alle Seiten bzw Charaktere eingehen.


    Die Seite 54 fand ich auch sowohl durch Utopia als auch Holocaust am bemerkenswertesten, genau aus den gleichen Gründen wie meine beiden Vorposter.


    geli73 Im Buch gibt es ja auch echt genug Thomasse :cry


    Regenfisch Viel Spaß mit uns und dem Falken :)

  • Ich bin beruflich diesen Monat recht eingespannt, deshalb bin ich nicht so oft zum Lesen gekommen, wie gehofft. Es liegt also nicht am Buch, dass ich langsamer voran komme. Die ersten 28 Seiten hatte ich gleich, als ich das Buch vor Jahren beim Wichteln bekam, in einem Rutsch weg gelesen, obwohl ich eigentlich nur mal rein schauen wollte, und so ging es mir diesmal wieder. Damals hatte ich das Buch gezwungenermaßen beiseite gelegt, weil anderes dringender war, jetzt will ich mir endlich die Zeit nehmen, das Buch zu lesen. Ich fange wieder neu an, und wieder stelle ich fest, dass mich das Schicksal des jungen Thomas Cromwell sofort wieder in den Bann schlägt. Dass der nächste Abschnitt fast dreißig Jahre später spielt, enttäuscht mich ein wenig, auch wenn er spannend geschrieben ist. Vermutlich wird einiges aus diesen fehlenden Jahren zumindest noch Erwähnung in den weiteren Abschnitten finden; wie Thomas und Liz zueinander fanden, ist ja am Ende des ersten Teils schon einmal aufgeklärt (welch romantische Verstrickung :lache).

    Die groben geschichtlichen Hintergründe sind mir geläufig - Henry VIII und seine Ehefrauen, das Gewese um die Bibelübersetzungen, auch Thomas More sagt mir was, ich habe ihn aber trotzdem noch einmal nachgeschlagen. Die Autorin setzt einiges an Vorwissen beim Leser voraus, scheint mir. Zum Glück kann man heutzutage ganz unkompliziert Internetquellen zu Rate ziehen, ich glaube, mit Lexikon nebenbei zu lesen, dazu hätte ich mittlerweile keine Lust mehr.

    So, und nun lese ich erst mal nach, was ihr so geschrieben habt.


    Edit: Über die Verwendung des Begriffs "Holocaust" bin ich auch gestolpert, er scheint aber im Englischen eine breitere Bedeutungspalette zu haben. Das online-Wörterbuch, in dem ich nachgeschlagen habe, übersetzt den Begriff u.a. mit Brandopfer, was ja durchaus zum Zusammenhang passt. Ich glaube, als Übersetzerin hätte ich für die deutsche Ausgabe an dieser Stelle einen anderen Begriff gewählt.

  • Und ich bin wirklich erleichtert, dass ihr das Buch auch als relativ anstrengend empfindet.

    Ich kann absolut verstehen, warum es die Preise erhalten hat, aber ich fremdele immer noch ein bisschen mit dem Stil, auch noch nach ca. 100 S. Es gefällt mir, doch ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich die nötige Energie für 800 S. aufbringe.

    Nach dem ersten Abschnitt fremdele ich auch noch mit St

    Bisher fnde ich Cromwell wesentlich sympathischer als er mir sonst in der Literatur begegnet ist.

    Mir gefällt Cromwell hier auch besser, als in anderen Büchern.

    Vor allem sein Umgang mit Frau und Kindern.

  • Es lese das Buch jetzt zum zweiten Mal - dieses Mal auf englisch. Da ich das Buch schon gelesen habe, fiel es mir diesmal einfacher in die Geschichte hereinzukommen. Thomas Cromwell kommt mir hier auch sehr viel sympathischer vor als in anderen Romanen.


    Ich lese den Roman auch als Zweitbuch - manchmal muss ich etwas "einfacheres" lesen, dann ist mir dieses Buch zu anstrengend (oder wenn die Kinder mich auf jeder Seite mind. einmal stören ;)).


    Das Namensverzeichnis am Anfang, genau wie die Stammbäume der Tudors und der Yorks helfen natürlich auch beim Lesen...:wave