Leere Herzen - Juli Zeh

  • Juli Zeh: Leere Herzen

    Luchterhand Literaturverlag 2017. 352 Seiten

    ISBN-10: 3630875238

    ISBN-13: 978-3630875231. 20€




    Verlagstext

    Sie sind desillusioniert und pragmatisch, und wohl gerade deshalb haben sie sich ‎erfolgreich in der Gesellschaft eingerichtet: Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi. Sie haben sich damit abgefunden, wie die Welt beschaffen ist, und wollen nicht länger verantwortlich sein für das, was schief läuft. Stattdessen haben sie gemeinsam eine kleine Firma aufgezogen, "Die Brücke", die sie beide reich gemacht hat. Was genau hinter der "Brücke" steckt, weiß glücklicherweise niemand so genau. Denn hinter der Fassade ihrer unscheinbaren Büroräume betreiben Britta und Babak ein lukratives Geschäft mit dem Tod. - Als die "Brücke " unliebsame Konkurrenz zu bekommen droht, setzt Britta alles daran, die unbekannten Trittbrettfahrer auszuschalten. Doch sie hat ihre Gegner unterschätzt. Bald sind nicht nur Brittas und Babaks Firma, sondern auch beider Leben in Gefahr...
    "Leere Herzen" ist ein provokanter, packender und brandaktueller Politthriller aus einem Deutschland der nahen Zukunft. Es ist ein Lehrstück über die Grundlagen und die Gefährdungen der Demokratie. Und es ist zugleich ein verstörender‎ Psychothriller über eine Generation, die im Herzen leer und ohne Glauben und Überzeugungen ist.


    Die Autorin

    Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, studierte Jura in Passau und Leipzig. Schon ihr Debütroman "Adler und Engel" (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt. Ihr Gesellschaftsroman "Unterleuten" (2016) stand über ein Jahr auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Rauriser Literaturpreis (2002), dem Hölderlin-Förderpreis (2003), dem Ernst-Toller-Preis (2003), dem Carl-Amery-Literaturpreis (2009), dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Hildegard-von-Bingen-Preis (2015).


    Inhalt

    Offiziell betreibt Britta Söldner in Braunschweig eine kleine Praxis für Psychotherapie, Coaching und Ego-Polishing. Ungewöhnlich an ihrer Tätigkeit sind zunächst ein IT-Fachmann und ein eigener Serverraum. Wir befinden uns circa zwischen 2020 und 2030. In dieser verflixt nahen Zukunft weiß „niemand mehr, wofür oder wogegen er zu sein hat“. Angela Merkel ist im wohlverdienten Ruhestand; Frankreich scheint die EU verlassen zu haben. Das bedingungslose Grundeinkommen ist längst durchgesetzt, konnte aber offenbar die gesellschaftliche Spaltung nicht ungeschehen machen. Nicht alle Bürger können sich mit der Herrschaft einer Besorgte-Bürger-Partei abfinden. Burnout-Lebensläufe und Selbstmorde haben rapide zugenommen, obwohl das BBB-Regime seinen Untertanen Entscheidungen weitgehend abnimmt. Britta und Babak sind indessen konkurrenzlos erfolgreich in ihrer Branche. Sie bieten ein exaktes Scoring an, prüfen die Ernsthaftigkeit ihrer Kandidaten ähnlich gnadenlos wie die GSG9 ihre Bewerber und streichen am Ende einen fürstlichen Gewinn ein. Doch als in Leipzig ein Attentat aus dem Ruder läuft, spürt Britta, dass ihr auf ihrem ureigenen Spezialgebiet Konkurrenz droht. Wer hätte gedacht, dass es eine Frau sein wird, die sich der Macht der Algorithmen widersetzt.


    Juli Zeh gibt mit ihrem spekulativen Politthriller Einblick in den Alltag zweier Paare, die jeweils ein grundschulpflichtiges Kind erziehen. Ähnlich wie in „Unterleuten“ seziert die Autorin gnadenlos die kleinbürgerliche Idylle bildungsbeflissener Eltern mit all ihren Lebenslügen. Soziales Geschwafel vom „5. Effizienzpaket“ verschlägt einem die Sprache mit seiner Nähe zu Politikern, deren wohltönende Projekte allein dem kleinen Mann in die Tasche greifen, oder zu einem Staat, der vom Zwangsumtausch seiner Besucher existierte. Spannend fand ich von der ersten Szene an das Rätseln, ob ich mich wirklich in der Zukunft befinde und wohin die ganze Chose führen soll. Zu nah an der Realität sind die Entwicklungen, um sich beim Lesen damit aus der Affäre zu ziehen, dass es sich hier um eine Utopie handelt. Brittas und Babaks zynisches Geschäftsmodell katapultiert den Leser gnadenlos mitten in die Gegenwart. Gerade weil ich nach „Unterleuten“ Schlimmeres, Zynischeres von Juli Zeh erwartet hatte, verblüfft mich ihre analytische Eleganz.


    Fazit

    Wie jemand sein Geld verdienen kann – und vor allem, wer die Zeche zahlt – das ist unbedingt lesenswert.

  • @ Buchdoktor


    danke für die Rezi!


    Erfreut habe ich "Leere Herzen" am Samstag in der Buchhandlung gesehen. Nach dem Anlesen war ich dann gar nicht mehr undankbar für den Regensonntag. Juli Zeh ist es gelungen, Gesellschaftskritik locker, elegant und leicht erzählt in eine überaus spannende Handlung einzubetten, und zeigt uns überdeutlich, wo wir in wenigen Jahren sein könnten (und hoffentlich nicht sein werden).


    Ich wünsche diesem Buch viele LeserInnen, bei denen es den entsprechenden Nachhall findet.


    10 von 10 Punkte von mir.

  • Wenn ich endlich diesen Ziegel "Aus hartem Holz" von Annie Proulx hinter mich gebracht habe (zuweilen interessant und spannend, aber ich weiß jetzt mehr als genug über Holzfällerei und die kanadische Geschichte), steht der neue Zeh auf dem Leseplan. Ich weiß allerdings nicht, ob ich mich wirklich darauf freuen soll, denn statistisch betrachtet fand ich bislang jeden zweiten Roman von ihr nicht so toll, und das ist wieder ein zweiter.

  • Wenn ich endlich diesen Ziegel "Aus hartem Holz" von Annie Proulx hinter mich gebracht habe (zuweilen interessant und spannend, aber ich weiß jetzt mehr als genug über Holzfällerei und die kanadische Geschichte), steht der neue Zeh auf dem Leseplan. Ich weiß allerdings nicht, ob ich mich wirklich darauf freuen soll, denn statistisch betrachtet fand ich bislang jeden zweiten Roman von ihr nicht so toll, und das ist wieder ein zweiter.

    Oh je, das klingt, als sollte ich den Ziegel von meiner Wunschliste nehmen...


    Ich habe bisher nur zwei Bücher von Juli Zeh gelesen: "Unterleuten" per Zufall (stand in einem Hotelbücherschrank und ich kam dann nicht mehr davon weg) und "Leere Herzen" - letzteres fand ich besser. Bei "Unterleuten" kann ich mich als Leserin über "die Anderen", die jeder kennt, aus der Distanz amüsieren, auch wenn das Lachen im Hals stecken bleibt. Bei "Leere Herzen" trifft Juli Zeh m. E. alle. Die winzige Kritik, die ich hätte, ist, dass mir im letzten Viertel der erhobene Zeigefinger manchmal zu sehr wahrnehmbar ist.

  • Dieser Roman zeichnet ein graues Bild in naher Zukunft in Deutschland, denn grau dominiert weite Teile des Romans. Die „BBP“,Besorgte Bürger Partei, stellt die Regierung. Ein schleichender Prozess beginnt, denn durch effiziente Maßnahmen wird mehr und mehr in das öffentliche Leben eingegriffen.. Verfällt die Bevölkerung in Lethargie, gibt es Widerstand oder wird alles als gegeben hingenommen? Ist das Wahlrecht weniger wert als eine Waschmaschine? Genügt es durch die Kampagne „Sport ist öffentlich“ Zufriedenheit herzustellen?


    Im Mittelpunkt steht Britta mit ihren ungewöhnlichen und erfolgreichen Geschäftsmodell. Wie dieses funktioniert erstaunt den Leser. Politik steht bei ihr und ihren Freunden nicht an erster Stelle. Es wird das Bild einer durchschnittlichen Mittelstandsfamilie gezeichnet, die selten etwas kritisch hinterfragt.


    Die Autorin hat hier ein Szenario beschrieben, bei dem man hofft, dass dieser Fall nie eintrifft. Die Tendenz sieht leider anders aus.

    Ein sehr aktueller Politthriller, der durch seinen Schreibstil überzeugt. Lesenswert!


    10 Eulenpunkte

  • Dreiundachtzig Prozent


    Kurz nach der Bundestagswahl im September 2017 machte eine Zahl die Runde durch die sozialen Netzwerke, Chats und Foren: Von den fast schon magischen 83 Prozent war überall die Rede, denen man als guter, ethisch und moralisch denkender, demokratischer Mensch angehören würde, weil man schließlich nicht "die da" gewählt hatte, die Dreckspatzen, die Lauten, die Nationalistischen, die Unerträglichen, die immerhin und erschütternderweise 17 Prozent abbekommen hatten. So lange man einer solch deutlichen Mehrheit angehörte, war immer noch alles im Lot, wollte man sich dadurch sagen, und nicht wahrhaben, dass man sich in die Tasche log. Denn die Zahl bedeutete nichts weiter, als dass sich bislang 83 Prozent der Leute noch nicht getraut hatten, ihren blanken Egoismus, ihren Sozialneid, ihren Frust, ihre Faulheit, ihre Gier, ihre Sehnsucht nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen und nicht zuletzt ihren latenten Rassismus in eine Wahlentscheidung einfließen zu lassen. Ganz davon abgesehen, dass zu den Parteien, die die 83 "guten" Prozent eingesammelt hatten, auch nicht nur strahlende Helden der täglichen Nächstenliebe gehörten.


    In Juli Zehs neuestem und sehr schnell nach "Unterleuten" erschienenen Roman sind auch diese 83 Prozent überwiegend umgekippt und haben die "BBB" an die Macht gewählt, die "Bewegung besorgter Bürger". Mithin regieren diese Leute, die Ära Merkel liegt mehr als zehn Jahre zurück, und das Land wird ganz gemächlich, aber akribisch durchnationalisiert. Überall veranstalten "Sport-ist-öffentlich"-Gruppen gemeinsam Leibesübungen, Zeitungen sind eingestellt oder nach rechts gerückt, die Ladenpassagen stehen leer oder haben ausschließlich deutsche Mieter, "Effizienzpakete" werden umgesetzt und die EU wird demontiert, von der nach dem "Frexit" und weiteren Abspaltungen sowieso kaum noch etwas übrig ist.


    Waren sie in den ersten Jahren noch fassungslos, sind jene, die vor diesem Erdbeben der intellektuellen Elite angehörten, inzwischen verstummt, haben sich mit der Situation abgefunden, wie eine Entpolitisierung im gesamten Land wahrzunehmen ist. Zu jenen, die sich früher interessiert haben, jetzt aber nur noch ihren persönlichen Profit aus der Situation zu schlagen versuchen, gehört die smarte, kluge und extrem ordnungsliebende Britta, die mit ihrem Geschäftspartner Babak ein Unternehmen namens "Brücke" betreibt. Die Brücke ist vorgeblich eine psychotherapeutische Praxis, die suizidgefährdete Menschen vom Selbstmordwunsch befreit, hinter den Kulissen aber mehr als das tut: Wer das haarsträubende 12-Stufen-Programm durchläuft und "oben" ankommt, ohne den Selbsttötungswunsch abgelegt zu haben, wird als Attentäter an NGOs vermittelt, etwa "Green Power" oder ähnliche. Britta und Babak haben das Geschäft mit dem selbstmörderischen Anschlag durchorganisiert, mit unternehmerischer Verlässlichkeit versehen und als gesellschaftliches Phänomen etabliert. Die Geschäftsidee ist mehr als erfolgreich. Britta kann Freunden Geld leihen, um ein Häuschen im Grünen zu kaufen, und lebt selbst mit Ehemann Richard und Töchterchen Vera relativ glücklich im blitzsauberen Betonhaus am Rand von Braunschweig. Wären da nicht ständig diese Bauchschmerzen.

    Und gäbe es da nicht diesen Anschlag auf das Frachtterminal des Leipziger Flughafens. Einen Anschlag, der nicht über die "Brücke" organisiert wurde, sondern von zwei Attentätern auszuführen versucht wurde, die seltsame Tätowierungen am Hals trugen: Empty Hearts - leere Herzen.


    Man merkt "Leere Herzen" deutlich an, wie sehr sich Juli Zeh mit diesem Buch ihre persönliche Wut (das ist eigentlich das falsche Wort, kommt der Absicht aber am nächsten) von der Seele geschrieben, wie sehr sie sich hier mit einem Thema befasst hat, das sie energisch umtreibt und in einer Weise sorgt, die mit diffusen Ängsten vor "Überfremdung" oder ähnlich fiktiven Problemen nichts gemein hat. Der Roman hat enorme Kraft, sehr hohe Geschwindigkeit, ist getrieben und atemlos, dabei stringent, logisch, präzise geplant, ungeheuer klug, sehr spannend und großartig besetzt. Im Gegensatz zum vorletzten Roman "Nullzeit", der als ein solcher verkauft wurde, ist "Leere Herzen" fast ein Thriller, dazu eine bösartige, aber keineswegs böswillige Vision, eine Warnung, von der man nur hoffen kann, dass sie gehört wird, aber dieser Wunsch ist unrealistisch, denn die Richtigen lesen solche Bücher nie. Kluge Manifeste teilen zumeist das Schicksal, nur von Leuten zur Kenntnis genommen zu werden, die ohnehin schon die Meinung der Autoren teilen.


    "Leere Herzen" ist ein atemberaubendes Buch, meiner Meinung nach in gewisser Weise Juli Zehs bester Roman - von dem man also nur hoffen kann, dass er häufig in die falschen Hände gerät, damit am Ende nicht nur acht Komma drei Prozent übrigbleiben. Denn dort, liebe Mitmenschen, wird die Reise hingehen, wenn wir nicht aufpassen.


    (10/10)

  • Vor die Wahl gestellt, würden die meisten Menschen lieber auf ihr Wahlrecht verzichten, als auf ihre Waschmaschine.


    Dieses fiktive Umfrageergebnis formuliert Juli Zeh in ihrem Roman und ich sehe es als die Kernaussage dessen, was sie in ihrem Roman vermitteln will. Die Autorin beschreibt eine Gesellschaft, die der unseren leider sehr ähnlich ist. Gewissermaßen wagt sie einen Blick in eine Zukunft, die sehr plausibel erscheint. Die Gleichgültigkeit und Wahlverdrossenheit der Bevölkerung hat eine rechtsgerichtete Regierung möglich gemacht. Wir werden nicht mit einem Untergangsszenario gequält, aber die kleinen, eingeflochtenen Hinweise sind gruselig genug.


    Politisch motivierte Texte sind mir oft ein Gräuel, doch Juli Zeh wäre nicht eine meiner Lieblingsautorinnen, wenn sie nicht jedes Thema mit einer besonderen Kreativität herausarbeiten würde. So auch in diesem Roman. Sie lässt uns ihrer Protagonistin Britta über die Schulter blicken, die einer derart ausgefallenen Arbeit nachgeht, dass man einfach fasziniert sein muss.


    Ein schweres Thema kommt auf leichten, aber niemals seichten Füßen einher. Ein eindringliches Buch, wichtig, spannend, unbedingt lesenswert! Auch stilistisch wieder wunderbar gearbeitet, mit punktuell herrlichen Sprachbildern garniert.


    Der Titel ist perfekt gewählt: Leere Herzen sind eine Gefahr für uns alle. Wir können es uns nicht leisten, keine Meinung, keine Ziele und Wünsche zu haben, in dumpfer Gleichgültigkeit zu verharren.


    10 von 10 Eulenpunkten

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Franz Kafka

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  • "Leere Herzen" ist leicht zu lesen, innerhalb einiger Stunden hatte ich es regelrecht weginhaliert. Es ist eine Geschichte der nahen Zukunft, die "BBB" (die "Bewegung Besorgter Bürger") sitzt in der Regierung und erlässt Effizienzpakete: Einführungen von Zwischenprüfungen in der Grundschule ( Schulversager frühzeitig aussortieren), die Anzahl der Verfassungsrichter reduzieren, den Import ausländischen Bieres verbieten. Angela Merkel ist zurückgetreten, Frau Wagenknecht ist Innenministerin. Innenstädte sind weitestgehend "gereinigt" von allem, was vorwiegend muslimisch anmuten könnte. Das Bedingungslose Grundeinkommen ist Realität und Gemeinschaftssinn gehört zum guten Ton des öffentlichen Ansehens. "Sport ist öffentlich"- Gruppen sind allgegenwärtig. Politik findet statt, ohne dass es die meisten Menschen noch interessieren würde, die Masse ist gleichgültig und eingelullt und nach einer Umfrage würden sie eher auf ihr Wahlrecht, denn auf ihre Waschmaschine verzichten.


    Britta, die Hauptprotagonistin dieses Romans, ist mal politisch interessiert und engagiert gewesen, bis sie irgendwann einfach resigniert und durch die Gründung eines Unternehmens -der "Brücke"- maximalen, perfiden Gewinn aus dieser kalten, gesellschaftlichen Entwicklung, zieht. Sie vermittelt Selbstmordattentäter an interessierte Organisationen, den Daesh, an Ökoaktivisten, an alle, die Interesse bekunden. Das Geschäft ist sauber und kontrolliert- ein Server fischt mit ausgeklügelnden Algorithmen alle in Frage kommenden "Kandidaten" aus Internet und Darknet, Britta und ihr Kollege Babak selektieren, bilden aus, vermitteln. Die Attentate sind wohl überlegt, medienwirksam, aber kontrolliert mit so wenigen Kollateralschäden, wie möglich. Die moralisch- ethischen Bedenken wischt die unterkühlte Britta mit der Gesellschaftsspiegellung- Legitimation beiseite, ihr Magen aber, der lässt sich nicht belügen.


    Die Ereignisse überschlagen sich, als es eines Tages zu einem Attentat kommt, das nicht von der "Brücke" organisiert wurde und Britta sich verfolgt wird. Wer steckt dahinter? Konkurrenz, der Staat?


    Meine Meinung


    Juli Zeh hat eine besondere Gabe- sie beobachtet klug und spinnt weiter. Und das, was sie dort beobachtet und weiterspinnt, hat Hand und Fuß. Dieses Buch ist realistisch, authentisch, nicht weit hergeholt und vor allen Dingen eins: im höchsten Maße beängstigend und beunruhigend. Jedenfalls für jemanden wie mich, die das alles auch kommen sieht. Den ganzen Hass, Neid und die Missgunst, die immer größer werdende Spaltung der Gesellschaft. Wir sollten unsere Kinder nicht zu stumpf gehorsamen, sondern zu hinterfragenden Menschen erziehen, wir sollten alle aufstehen und revolutionieren.


    Nur wie?


    Ich vergebe alle Punkte der Welt und des Universums, die möglich sind. Großartig.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Juli Zeh hat mit Leere Herzen einen ungewöhnlichen Roman geschrieben. Sie ist eine von den Autoren, deren Romane ich fast alle gelesen habe. Mir gefällt ihr guter Schreibstil.

    Dieser Roman „Leere Herzen“ spielt in der nahen Zukunft 2025. Die Autorin beschreibt die politische Lage Deutschlands so, wie sie nicht weit von dem jetzigen Durcheinander entfernt ist. Das Geschehen ist brandaktuell.

    Britta ist verheiratet und hat eine Tochter. Sie leben und arbeiten in Braunschweig.

    Beruflich betreibt sie mit Babak eine Agentur für Selbstmörder, die „Brücke“. Was für ein Gedanke, ganz schön schräg und sie verdienen gut.

    Die Art und Weise ist provokant und erschreckend. Die Brücke scheint Konkurrenz bekommen zu haben, es wird gefährlich.

    Irgendwie weiß ich nicht, ob ich die Story mag. Trotzdem ist sie interessant.

    Das Ende ist erstaunlich.

    Die Autorin versteht es, ihre Leser wach zurütteln, das sie sich Gedanken um die Politik machen. Sie schreibt spannend und fesselnd.

    Nachdenklich zurücklassend.

    Eine klare Leseempfehlung.

  • Spieltrieb und Unterleuten hatte ich von Juli Zeh schon gelesen. Das erste fand ich ganz furchtbar, Unterleuten dagegen sehr gut. Bei "Leere Herzen" bin ich leider etwas zwiegespalten.


    Die Idee ist sehr gut, die Einfälle und die Sprache haben mir auch sehr gut gefallen. Viele lustige bis intelligente Anmerkungen und Anspielungen auf Entwicklungen und stereotype Satzfragmente in unserer Gegenwart ("wenn Du noch einmal 'mega' sagst..." und dieses ewige "wie geil ist das denn") hat Juli Zeh untergebracht. Nur leider zieht sich die Handlung ab der Hälfte bis kurz vor dem Ende ein wenig, dass ich zwischendurch etwas genervt war.

    Und so besonders überraschend fand ich das Ende dann leider auch nicht mehr.


    Interessant zu lesen ist es jedoch und die politische Botschaft wird auch sehr eindeutig rübergebracht, ein Lese-Highlight war es für mich aber leider nicht.
    7 Punkte würde ich vergeben.

  • Nachdem mich Juli Zehs „Unterleuten“ nicht so überzeugen konnte, dachte ich mir, gebe ich ihr mit dem von der Inhaltsangabe her interessant klingenden neuen Roman „Leere Herzen“ eine zweite Chance. Und siehe da, der Anfang glich tatsächlich genau dem gesuchten Gesellschaftsroman, den ich bei „Unterleuten“ erwartete hatte. Die desillusioniernte Geschichte spielt in einer nahen Zukunft und greift einige tagespolitische Themen auf. Auch sonst ist es politisch interessant: Trump und Putin haben sich verbrüdert und den Syrienkrieg beendet. Unsere Innenministerin heißt Sahra Wagenknecht und es gibt Pläne zur Auflösung der UNO. Unter genau diesem Setting hatten die Protagonisten Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi die wirklich originelle Idee, ein Selbstmord-Therapie-Unternehmen namens „Brücke“ zu gründen. Um entweder die Suizidgefährdeten zu kurieren oder – Achtung, jetzt kommt’s! – sie an radikale Organisationen zu vermitteln ("Körperkapitalismus"), die diese dann für ihre Anschlagpläne einsetzen können.

    Laut Klappentext handelt es sich bei „Leere Herzen“ um „einen provokanten, packenden und brandaktuellen Politthriller. Es ist ein Lehrstück über die Grundlagen und die Gefährdungen der Demokratie. Und es ist zugleich ein verstörender Psychothriller über eine Generation, die im Herzen leer und ohne Glauben und Überzeugungen ist.“

    Im Ansatz stimmt das sogar, allerdings ist „Thriller“ meiner Meinung nach hier ein viel zu starkes Wort. Thrill bedeutet ja Nervenkitzel. Genau den vermisse ich hier allerdings. Sobald man sich an das interessante Setting gewöhnt hat, verzettelt sich die Geschichte in Nebensächlichkeiten und kalte Charaktere, die einen nicht mitreißen. Es gibt auch kaum Cliffhanger oder Tempo, was die Spannung erzeugen und die Geschichte vorantreiben könnte. Von daher: Als Gesellschaftsroman ist die Story interessant, als Thriller kann sie nicht überzeugen. Vielleicht ist letzteres aber auch einfach nicht Juli Zehs Metier.

  • Was für ein Wahnsinns-Buch!!!!!


    Für mich war "Leere Herzen" das erste Buch von Juli Zeh, welches ich gelesen habe. Ich wollte schon immer mal ein Buch von ihr lesen, weil die Autorin mir hier im Forum schon so oft über den Wege gelaufen ist. Also habe ich die Chance genutzt, diesen Roman als Wanderbuch lesen zu dürfen. (Vielen Dank noch mal dafür an Buchdoktor!:blume)


    Ich bin ganz unvoreingenommen an das Buch herangegangen, ohne irgendwelche Erwartungen oder vorher Rezis gelesen zu haben. Und mich hat "Leere Herzen" komplett umgehauen. Was für ein tolles, spannendes, verstörendes und gesellschaftskritisches Buch! Für mich ein absolutes Highlight in diesem Jahr!


    Der Roman spielt so ca. 10 bis 20 Jahre in der Zukunft. Merkel ist nicht mehr an der Macht, dafür regiert die "Besorgte-Bürger-Partei". Die Hauptperson des Romans ist Britta, die zusammen mit ihrem Kollegen das Unternehmen "Die Brücke" leitet. Nach außen hin handelt es sich dabei um eine normale Psychotherapie-Praxis. In Wahrheit betreiben die beiden aber ein wirklich erschreckendes Geschäft mit dem Tod.

    Eines Tages melden die Medien einen missglückten Anschlag im Cargo-Bereich eines Flughafens. Und ab diesem Tag und mit diesem Ereignis ändert sich plötzlich schlagartig alles für Britta und ihren Kollegen. Sie muss um ihr Leben und das ihrer Familie fürchten.


    Ich fand das Buch von der ersten Seite an spannend und fesselnd zu lesen. Juli Zeh beschreibt eine erschreckende nahe Zukunft und sie hat mich mit ihrer verstörenden Geschichte sehr zum Nachdenken angeregt. "Leere Herzen" ist eine beängstigende Zukunftsvision und für mich ein absolut notwendiges und wichtiges Buch, dem ich noch ganz viele Leser wünsche.

    Ich hatte beim Lesen richtig das Gefühl, dass sich Juli Zeh ihre ganze Wut vom Herzen geschrieben hat.

    Ich fand dieses Buch so spitzenmäßig gut, dass ich es mir, nachdem ich das Wanderbuch gelesen hatte, sofort für mich selber gekauft habe.


    Eine absolute Leseempfehlung, 10 von 10 möglichen Punkten. Ein Jahreshighlight für mich!

  • Ein sehr nachdenklich machendes Buch, das sich mit den Ängsten aber auch den Hoffnungen und tiefsten Verzweiflungen von Menschen auseinandersetzt.

    Die Idee der "Brücke" Brittas und Babaks Firma, finde ich ja mal gar nicht so verkehrt. Warum nicht? Ähnliche Organisationen die mit dem freiwilligen Tod von Menschen Geld verdienen gibt es heute ja auch schon, wenn auch mit anderen Intentionen.

    Die politische Situation im Buch ist allerdings eine spezielle. An der Regierung ist die BBB, die besorgte Bürgerbewegung. Ich setze sie mal mit Pegida gleich. Das fand ich schon etwas gruselig, denn wer möchte sie oder vergleichbare Parteien/Organisationen an der Regierung haben mit einem Freibrief für totale Überwachung??

    Auf jeden Fall ein lohnenswertes Buch das ich nur weiter empfehlen kann.


    10 Punkte

  • Erstmal vielen Dank fürs Wandern lassen :)


    Eigene Meinung:

    Dies war mein erstes Buch von Juli Zeh. Mich hat der Klappentext sehr angesprochen, ich lese gerne "Zukunftsromane".

    Anfangs hat es sich auch recht flüssig/interessant gelesen, leider wurde es dann zum Ende hin etwas langatmig.

    Wenn man sich politisch etwas interessiert, versteht man auch gewisse Seitenhiebe. Ob das nun aber alles so realistisch ist/wird mag ich nicht beurteilen.

    Die Protagonisten sind mir eher blass in Erinnerung geblieben, gefühlskalt. Ob ich einfach nicht warm mit ihnen geworden bin oder das von der Autorin so gewollt ist, weiß ich nicht. Es würde aber zur Gesamtszenerie passen.

    "Menschen würden lieber eine Waschmaschine kaufen, statt wählen zu gehen"


    Ich gebe 7/10 Punkten