Kleine Feuer überall - Celeste Ng

  • Englischer Originaltitel: Littel Fires Everywhere


    Klappentext

    Es brennt! In jedem der Schlafzimmer hat jemand Feuer gelegt. Fassungslos steht Elena Richardson im Bademantel und den Tennisschuhen ihres Sohnes draußen auf dem Rasen und starrt in die Flammen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie die Erfahrung gemacht, »dass Leidenschaft so gefährlich ist wie Feuer«. Deshalb passte sie so gut nach Shaker Heights, den wohlhabenden Vorort von Cleveland, Ohio, in dem der Außenanstrich der Häuser ebenso geregelt ist wie das Alltagsleben seiner Bewohner. Ihr Mann ist Partner einer Anwaltskanzlei, sie selbst schreibt Kolumnen für die Lokalzeitung, die vier halbwüchsigen Kinder sind bis auf das jüngste, Isabel, wohlgeraten. Doch es brennt. Elenas scheinbar unanfechtbares Idyll – alles Asche und Rauch?



    Die Autorin

    Celeste Ng (sprich: Ing), geboren Anfang der 80er-Jahre in Pittsburgh, Pennsylvania, wuchs als Kind chinesischer Einwanderer in Pennsylvania und Ohio auf. Beide Eltern waren Wissenschaftler. Nach ihrem Studium in Harvard und an der University of Michigan veröffentlichte sie zahlreiche Kurzgeschichten. »Kleine Feuer überall« ist ihr zweiter Roman




    Ich war mir gar nicht sicher, ob dieses Buch überhaupt etwas für mich sein würde. Ich kenne Ngs „Was ich euch nicht erzählte“ und fand es so naja. Es hatte mich nicht so begeistert wie den Großteil der Leser. Ich empfand es als sehr langsam und dachte, das Ng vielleicht einfach keine Autorin nach meinem Geschmack wäre. Aber nun habe ich ihr doch noch mal eine Chance gegeben. Und ich bin sehr froh darüber.


    „Kleine Feuer überall“ beginnt ruhig und unaufgeregt, obwohl gerade ein Haus abbrennt und die Familie staunend davor steht. Es beginnt also mit dem Ende. Wie es dazu kam, erfahren wir im Laufe des Buches. Der Schreibstil der Autorin hat mich diesmal sofort gefangen genommen. Ich war so unerwartet schnell in der Geschichte drin, dass ich mich kaum losreißen konnte und den Großteil in einem Rutsch durchlas.


    Shaker Heights ist eine kleine Modellsiedlung, eine Vorstadt von Cleveland. Einst von der religiösen aber sehr modernen und toleranten Gruppe der Shaker gegründet, gibt es viele Regeln, an die sich die Bewohner halten müssen. In welcher Farbe welcher Typ Haus gestrichen werden oder wie hoch das Gras höchstens wachsen darf. Regeln halten alles zusammen und geben Halt und Ordnung. Das denkt jedenfalls Elena Richardson. Sie wurde hier geboren und ist nach dem Studium in diese perfekte Vorstadtidylle zurückgekehrt mit dem jungen Mann, den sie auf der Uni kennenlernte. Inzwischen haben sie 4 Kinder. Die Richardsons haben noch ein zweites Haus in dem Ort, das sie vermieten. Elena zieht immer nur Mieter in Betracht, von denen sie glaubt, dass sie mit ihrer Großmut, ihnen diese Wohnung zu einem anständigen Preis zu vermieten, etwas Gutes tut. In dieses Schema passt Mia, eine freischaffende Künstlerin, mit ihrer 15jährige Tochter Pearl. Mia arbeitet mit Fotografien. Sie sucht nach Ideen und wenn sie etwas verwirklicht hat, zieht sie weiter. Sie leben überall nur wenige Monate. Da ihre Kunst nicht genug Geld einbringt, arbeitet sie nebenbei noch in unterschiedlichen Jobs. Diesmal aber hat sie Pearl versprochen, dass sie sesshaft werden. Pearl freundet sich rasch mit den Kindern der Richardsons an und geht schon bald dort ein und aus. Izzy, Elenas jüngste, fühlt sich dagegen von Mia mehr verstanden als von ihrer Mutter.

    Viel mehr möchte ich zum Inhalt nicht sagen. Die Geschichte entfaltet sich langsam. Mia und Pearl bringen das Gleichgewicht innerhalb der Familie Richardson durcheinander. Aller Personen reagieren irgendwie aufeinander und Mia bringt vor allem in Elena nicht das Beste zutage. Zudem spaltet ein Sorgerechtsstreit die Einwohner des Vororts.


    Das Buch spielt in einer nicht näher definierten Zeit. Zuerst dachte ich, es würde in den 60er Jahren spielen, aber das stellte sich als nicht richtig heraus. Es spielt aber auf jeden Fall in einer Zeit, in der Handys noch nicht normal waren sondern eher eine Ausnahme. Es weht aber ein etwas altmodischer Wind durch die ganze Geschichte. Trotzdem ist sie zeitlos. Es geht vor allem um Mütter und ihre Beziehungen zu ihren Töchtern. Die Frage, was eine Mutter ausmacht, wie man mit Kindern, Schwangerschaften etc. umgeht ist ein großes Thema.


    Die vielschichtige Story mäandert dahin und stellt uns alle Figuren vor. Zwar werden hauptsächlich die weiblichen Figuren näher beleuchtet, aber jeder Charakter ist individuell und plastisch. Auch die Verbindungen, die untereinander entstehen, im Guten wie im Schlechten, sind sehr realistisch dargestellt. Ng hat eine wunderbare Sprache. Mir fehlen ein wenig die Worte, um die Story und was sie ausmacht, richtig zu beschreiben. Oberflächlich gesehen, passiert nicht viel. Die Story geht langsam voran. Und trotzdem passiert unterschwellig so viel. Das Buch umgibt eine gewisse Traurigkeit. In der Beziehung von Eltern zu ihren Kindern ist auch immer Verlust und Schmerz enthalten. Und kleine Feuer brennen in allen Figuren.


    „Kleine Feuer überall“ ist ein außergewöhnliches Buch. Wunderbar geschrieben, hat es mich eifrigen Psychothriller-Leser mit seiner Ruhe und exaktem Blick für die menschlichen Schwächen, in seinen Bann gezogen und für seine traurige Geschichte eingenommen. Von mir gibt’s volle Punktzahl und eine unbedingte Leseempfehlung.

  • Ich war schon von Celeste Ngs ersten Roman total begeistert. Kleine Feuer überall gefällt mir genau so gut. Der Roman spielt in Shaker Heigts, einem wohlhabenden Vorort Clevelands in Ohio, in dem die Autorin teilweise aufwuchs.


    Der Roman fängt und endet mit dem Brand des Hauses, das die Izzy gelegt hat. Dazwischen wird die Geschichte von der Autorin wunderbar lebhaft und liebevoll erzählt.

    Die Familie Richardson besteht aus Vater, einem Anwalt, Mutter Elena, Reporterin, und vier Kindern, zwei Söhnen und zwei Töchtern, Trip, Lexie, Moody und Izzy. Eine Familie die sehr von sich eingenommen ist.

    Sie haben eine Wohnung vermietet, an die Künstlerin Mia und ihre Tochter Pearl. Da gibt es auch einige Geheimnisse.


    Die Probleme und Ansichten der Teenager werden gut interpretiert. .Dann geht es noch um ein asiatisches Kind. Celeste Ng erzählt über ihre Personen besonders intensiv und einfühlsam.

    Es ist ein Roman über Mütter und Töchter. Es gibt immer wieder neue Themen, die aber nicht zu viel wurden, sondern besonders dramatisch. Ich war die ganze Zeit gefesselt und konnte nicht genug bekommen. Die Autorin erzählt aber auch zu spannend.


    Ich möchte diesen Roman sehr empfehlen und freue mich schon auf weitere Bücher von Celeste NG.

  • Celeste Ng - Kleine Feuer überall / Little Fires Everywhere

    Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)

    Es brennt! In jedem der Schlafzimmer hat jemand Feuer gelegt. Fassungslos steht Elena Richardson im Bademantel und den Tennisschuhen ihres Sohnes draußen auf dem Rasen und starrt in die Flammen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie die Erfahrung gemacht, »dass Leidenschaft so gefährlich ist wie Feuer«. Deshalb passte sie so gut nach Shaker Heights, den wohlhabenden Vorort von Cleveland, Ohio, in dem der Außenanstrich der Häuser ebenso geregelt ist wie das Alltagsleben seiner Bewohner. Ihr Mann ist Partner einer Anwaltskanzlei, sie selbst schreibt Kolumnen für die Lokalzeitung, die vier halbwüchsigen Kinder sind bis auf das jüngste, Isabel, wohlgeraten. Doch es brennt. Elenas scheinbar unanfechtbares Idyll – alles Asche und Rauch?


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)

    Celeste Ng (sprich: Ing) wuchs auf in Pittsburgh, Pennsylvania und in Shaker Heights, Ohio. Ng studierte in Harvard und machte ihren Master an der University of Michigan. Sie schrieb Erzählungen und Essays, die in verschiedenen literarischen Magazinen erschienen und mit dem Hopwood Award und dem Pushcart Prize ausgezeichnet wurden. 'Was ich euch nicht erzählte', ihr erster Roman, war ein New York Times-Bestseller, der, vielfach prämiert, in 20 Sprachen übersetzt wurde und auch verfilmt wird.


    Allgemeines

    Titel der Originalausgabe: „Little Fires Everywhere“, ins Deutsche übersetzt von Brigitte Jakobeit

    Erschienen am 20.04.2018 bei der dtv Verlagsgesellschaft als HC mit 384 Seiten

    20 Kapitel, Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven

    Handlungsort und -zeit: Shaker Heights (Vorort von Cleveland, Ohio), 1997-1998


    Zum Inhalt

    Shaker Heights ist ein Vorort von Cleveland in Ohio, hier leben die gutsituierten und „anständigen“ Bürger nach festen Regeln, die Länge des Rasens ist ebenso reglementiert wie der Anstrich der Häuser und ein gewisser Verhaltenskodex. Auch die Familie Richardson mit ihren vier Kindern Lexie, Trip, Moody und Izzy ist schon lange fester Bestandteil einer Gesellschaft, in der das Aufregendste der Klatsch über Nicht-Angepasste ist. Zu diesen gehört allerdings auch die junge Izzy, die zum Ärger ihrer nach außen hin perfekten und wohltätigen Mutter Elena nicht nur eigenständige Gedanken hat, sondern diese auch unverblümt ausspricht. Das friedlich dahinplätschernde Leben der Familie bekommt Risse, als Elena ein von ihren Eltern geerbtes Haus an die alleinerziehende Künstlerin Mia und deren Tochter Pearl vermietet. Auch Mia ist eine Individualistin, die sich weder in ihr Leben hineinreden lässt noch zögert, für das einzutreten, was sie für richtig hält. Als sie damit gegen die Interessen einer guten Freundin von Elena vorgeht, beschließt diese, in der bisher nie thematisierten Vergangenheit von Mia herumzuschnüffeln, um eine Waffe gegen sie in der Hand zu haben.

    Doch die „Zündeleien“, die sie vornimmt, werden zu „Kleinen Feuern überall“ in ihrem eigenen Haus führen…


    Beurteilung

    Der Roman schildert das Leben einer wohlhabenden amerikanischen Familie in den Jahren 1997 / 1998, dieses Leben wurde und wird vor allem von der Mutter Elena, die bereits in Shaker Heights geboren und aufgewachsen ist, durchgeplant. Für die Kinder – inzwischen allesamt Teenager - sind ein guter Abschluss an der Highschool und dann ein Studium vorgesehen. Drei der vier Kinder „funktionieren“ auch gut, doch die Begegnung mit der unkonventionellen Kunstfotografin und Gelegenheitsjobberin Mia und ihrer Tochter Pearl eröffnet den Jugendlichen einen Blick auf eine andere Welt und bisher unbekannte Denkmodelle. Elena ist vor allem mit dem Kleinkrieg gegen die aufmüpfige Izzy beschäftigt, sie bekommt nicht mit, dass es auch im Leben der anderen Kinder zu Verwerfungen kommt. Als Mia sich indirekt ins Leben einer guten Freundin von Elena einmischt, beschließt Elena, die Geheimnisse in Mias Leben auszuspionieren.

    Die Charakterisierung aller Romanfiguren ist sehr ausgefeilt, die Autorin verleiht allen Figuren eine individuelle Persönlichkeit. Besonders Elena, die der Leser anfangs für eine sympathische und liebevolle Familienmangerin halten muss, entpuppt sich immer mehr als eine manipulative Intrigantin.

    Getrieben von Rachsucht und Halbwissen legt sie unbeabsichtigt viele kleine Feuer, die ihr schließlich einen hohen Preis abverlangen.

    Der Roman thematisiert in unterschiedlicher Weise das Verhältnis von Müttern zu eigenen und Adoptiv-Kindern und bietet damit interessante Diskussionsanreize zur Frage, inwieweit und unter welchen Umständen Mütter das Recht an ihren Kindern haben und ob Mutterliebe allein grundsätzlich das Kindeswohl garantieren kann.

    Die eigentlich eher unspektakulär gehaltene Erzählung ist äußerst fesselnd, da der Leser durch den Perspektivwechsel Einblick in die Gefühlswelt aller Romanfiguren erhält und deshalb immer einen Wissensvorsprung vor allen Familienmitgliedern hat. Es fällt sehr schwer, diesen Roman aus der Hand zu legen, bevor man ihn ausgelesen hat.


    Fazit

    Eine intelligent konstruierte und sehr fesselnde Familiengeschichte, die allerhand Diskussionsgrundlagen zu bieten vermag, unbedingt empfehlenswert!

    10 Punkte

  • Uneingeschränkte Leseempfehlung!


    Nach „Was ich euch nicht erzählte“ legt die Autorin Celeste Ng mit „Kleine Feuer überall“ ihren zweiten Roman vor. „Was ich euch nicht erzählte“ zählt zu meinen absoluten Lieblingsbüchern, daher war ich entsprechend neugierig auf den „Neuen“ aus der Feder von Celeste Ng und meine Erwartungen entsprechend hoch.



    Zur Handlung

    Worum geht es in „Kleine Feuer überall“ eigentlich? In einem malerischen Vorort, so scheint es, führt Celeste Ng ihren Lesern eine augenscheinliche Bilderbuchfamilie vor Augen: Die Richardsons. Vater, Mutter, vier Kinder. Nur die Jüngste rebelliert offensichtlich und sichtbar gegen die starren Regeln und Konventionen, die das Leben in Shaker Heights ausmachen. Und dann tritt eine ganz und gar unkonventionelle Familie in das Leben der Richardsons. Die neuen Mieter der Mutter (die Künstlerin Mia und ihre Tochter Pearl) sind für nahezu alle Familienmitglieder auf die eine oder andere Art faszinierend. Während diese beiden Familien sich erst näherkommen, entwickelt sich aus der Unterschiedlichkeit der beiden Lebensmodelle und vor dem Hintergrund wohlgehüteter Geheimnisse eine Anspannung, die sehr wohl zu Feuer und Rauch führen kann…


    Meine Meinung

    Auch wenn die Handlung relativ einfach klingt, fasziniert es mich, wie es der Autorin gelingt, dass man so unglaublich gefesselt ist von den Charakteren, den Situationen und Bildern, die einem vor Augen geführt werden. Es ist eine Kunst, wie die Autorin gezielt einzelne Puzzleteile Stück für Stück zusammenfügt und emotional fesselnd eine Geschichte von Familie, von Träumen und Hoffnungen, von Selbstbild und Fremdbild, von Schein und Sein und noch vielem mehr erzählt. Eindringlich werden einem die verschiedenen Charaktere und deren Beweggründe nähergebracht, sodass einen die Ereignisse wirklich erschüttern und mitnehmen. Von mir erhält „Kleine Feuer überall“ daher definitiv zehn von Zehn Punkten und eine unbedingte Leseempfehlung!

    "Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns."

    Franz Kafka, Brief an Oskar Pollak, 27. Januar 1904






    :lesend

  • Shaker Heights im US-Bundesstaat Ohio im Jahr 1998: Elena Richardson, eine fast 40-jährige Lokaljournalistin, steht fassungslos vor dem Haus ihrer Familie. In jedem der Schlafzimmer hat jemand ein Feuer gelegt. War es ihre jüngste Tochter, Sorgenkind Isabelle, genannt Izzy? Und, falls ja, warum hat sie so etwas getan? Ihr ganzes Leben lang hat Mrs. Richardson die Erfahrung gemacht, „dass Leidenschaft so gefährlich ist wie Feuer“. Deshalb passte sie nach Shaker Heights, den wohlhabenden Vorort von Cleveland, in dem der Anstrich der Häuser ebenso geregelt ist wie der sonstige Alltag der Bewohner. Ihre Ehe mit Bill, einem Anwalt, verläuft ohne Schwierigkeiten, auch ihre übrigen drei Kinder Trip, Lexie und Moody machen ihr keine Sorgen. Doch mit dem Brand droht Elenas Idylle in Flammen aufzugehen…


    „Kleine Feuer überall“ von Celeste Ng ist eindrucksvoller Roman über Lügen, Geheimnisse und andere Katastrophen, die ein geregeltes Leben durcheinanderbringen können.


    Meine Meinung:

    Eingeteilt ist der Roman in 20 Kapitel. Erzählt wird im auktorialen Stil, der die Ereignisse aus der Sicht der Hauptpersonen beleuchtet. Nach der Schilderung des Brandes folgt ein Zeitsprung in die Vergangenheit, der dem Leser Stück für Stück offenbart, wie es soweit kommen konnte. Insgesamt ist der Roman mit Raffinesse konstruiert. Geschickt werden unterschiedliche Stränge der Erzählung miteinander verwoben. Der Aufbau der Geschichte ist sehr gut durchdacht und äußerst gelungen.


    Auch sprachlich konnte mich das Buch ab der ersten Seite begeistern. Das schriftstellerische Können der Autorin zeigt sich beispielsweise daran, dass die Feuer-Metapher sich gekonnt durch den gesamten Roman zieht. Der angenehme Schreibstil lässt viele Bildern entstehen und schwenkt den Fokus gekonnt von einer Person zur anderen, ohne dass die Geschichte ins Stocken gerät oder unübersichtlich wird. Dabei wird der Roman zu keiner Zeit langatmig, sondern bleibt – auch dank einiger Wendungen und Überraschungen - durchweg spannend.


    Gut gefallen haben mir ebenfalls die Charaktere. Authentisch und glaubwürdig werden die Akteure und deren Handeln dargestellt. Dabei gibt es viele Grautöne. Sowohl die Mitglieder der Familie Richardson als auch die 36-jährige Künstlerin Mia Warren und ihre 15-jährige Tochter Pearl werden als vielschichtige Personen beschrieben, die nicht nur gute, sondern auch schlechte Seiten haben. Bewusst wird der Finger in Wunden gelegt, um zu zeigen, wie Lebensentwürfe aufeinanderprallen und welche Erlebnisse ein Schicksal bestimmen können.


    Auch thematisch ist der Roman recht komplex. Dabei werden zentrale Fragen aufgeworfen: Lässt sich das Leben regeln? Wie wichtig ist Liebe, wie wichtig Wohlstand, wie wichtig Moral? Wie sollte man mit Fehlern umgehen? Was muss eine Familie aushalten? Mit ihrer Geschichte legt die Autorin eine interessante Gesellschaftstudie vor, die zum Nachdenken anregt. Schritt für Schritt werden Oberflächlichkeit, Arroganz und Egoismus entlarvt. Doch dabei verzichtet die Autorin bewusst auf den erhobenen Zeigefinger und lässt dem Leser den Raum, sich seine eigene Meinung zu bilden.


    Das schlichte und gleichzeitig ansprechende Cover passt gut zum Inhalt des Romans. Auch der Titel, der sich am amerikanischen Original orientiert, ist sehr treffend.


    Mein Fazit:

    „Kleine Feuer überall“ von Celeste Ng ist ein besonderer Roman, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird und schon jetzt als eines meiner Lesehighlights in diesem Jahr bezeichnet werden kann. Ich kann die Geschichte wärmstens empfehlen und freue mich schon auf die angekündigte Verfilmung.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

  • Amerikanisches Idyll


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    Shaker Heights am Rand von Cleveland ist ein Mustervorort, ein Idyll, wie es im Buche steht - aber auch ein Ort, an dem klare Regeln gelten. Wenn der Rasen zu lange nicht mehr gemäht wurde, gibt es freundliche, aber bestimmte Mahnungen von der Gemeinde, und für all die prächtigen Häuser, in denen gutsituierte Familien wohnen, gelten strikte Bestimmungen, was die Außenfarbe und die Renovierungszyklen anbetrifft. Die Straßen sind kurvenreich, um schnelles Fahren zu unterbinden, die Begrünung ist großzügig und die Infrastruktur perfekt. Die öffentlichen Schulen gehören zu den besten in den Staaten.


    Ein traumhafter Ort für Caroline Richardson, die von Kindheit an nicht nur in Shaker Heights, sondern auch in den Gedanken an eine wohlgeordnete, reglementierte Welt verliebt war. Mrs Richardson glaubt fest an Regeln und ihre Einhaltung, aber auch an ein System des ausgleichenden Gebens und Nehmens. Ihren eigenen Wohlstand empfindet sie durchaus als Verantwortung, die sie nicht nur als Reporterin für das regionale Blatt wahrnimmt, sondern auch dadurch, dass sie die beiden Wohnungen im Zweithaus der Richardsons günstig an Menschen vermietet, die ihr bedürftig und förderungswürdig erscheinen. Und so kommt es, dass eines Tages in den späten Neunzigern die Künstlerin Mia Warren und ihre fünfzehn Jahre alte Tochter Pearl nach Shaker Heights ziehen. Die alleinerziehende Mutter und ihr Kind haben vorher sage und schreibe sechsundvierzig Wohnorte gehabt, aber dieses Mal, verspricht Mia ihrer Tochter, soll es für länger sein, vielleicht sogar für immer.


    Mrs Richardson, die eigentlich richtige Journalistin werden wollte, aber beim örtlichen Blatt immerhin nur über nette Themen schreiben muss, hat mit ihrem Mann, der Anwalt ist, vier Kinder, die im Abstand von jeweils einem Jahr geboren wurden. Drei davon sind wohlgeraten: Die hübschkluge Lexie, der sportliche Trip und der nachdenkliche, wissbegierige Moody. Nur Izzy, die eigentlich Isabell heißt, fügt sich nicht so recht in das Muster ein. Izzy ist eigenbrötlerisch, aufmüpfig, nachdenklich. Dass diese Eigenschaften in der Hauptsache der Kontrollwut der Mutter entspringen - Izzy war ein Frühchen -, ist dieser nicht bewusst. Mrs Richardson ist fest davon überzeugt, immer das Richtige zu tun - denn darum geht es schließlich, davon ist sie felsenfest überzeugt.


    Die völlig unterschiedlichen Lebensentwürfe der Warrens und der Richardsons prallen nicht gerade aufeinander - es ist eher eine langsame, fast gemächliche Kollision, die dafür umso wirksamer und nachhaltiger ausfällt. Während sich Pearl mit Moody anfreundet und die beiden mit der Zeit etwas entdecken, das einer Wesensverwandtschaft sehr nahe kommt, verliebt sich Trip in die eigenartige, schlaue und auf ungewöhnliche Art attraktive Tochter der Mieterin. Die rebellische Izzy findet in Mia, die eine äußerst begabte Fotografin ist, eine Mentorin und ein Vorbild. Parallel zu diesen und den ziemlich dramatischen Entwicklungen um das Kind einer Freundin von Mrs Richardson erzählt Celeste Ng die Hintergründe und Vorgeschichten ihrer präzise gezeichneten Figuren.


    Dieser bemerkenswerte und nahezu perfekt komponierte Roman beginnt damit, dass die Warrens wieder aus Shaker Heights wegziehen, während das Haus der Richardsons abbrennt, verursacht durch mehrere kleine Feuer, die Izzy in den sechs Schlafzimmern gelegt hat. Erst anschließend erfährt man, wie es dazu kommen konnte, wie sich die Lebensentwürfe vermischten und die Paradigmen kollidierten. Und das ist schlicht großartig gemacht. Celeste Ng (sprich: Ing) ist eine starke Erzählerin, die vor allem die emotionale Interaktion ihrer Figuren, das Gefühlsgewebe und dessen Ursachen ungeheuer anschaulich wiedergibt. "Kleine Feuer überall" ist auf recht leise Art dramatisch, dazu spannend, äußerst klug und sehr ergreifend geschrieben. Man freundet sich mit dem Personal dieses tollen Romans schnell an, der ziemlich subtil Elitarismus, Rassismus, den irrationalen Mikrokosmos der (nicht nur) amerikanischen weißen Mittelschicht und die elementaren Probleme des menschlichen Miteinanders thematisiert. Strikte Leseempfehlung!

  • Ich mochte schon das Erstlingswerk von Celeste Ng. Kleine Feuer überall hat mich nicht enttäuscht. Die Autorin schafft es wieder, mich in den Bann zu ziehen. Die Romanhandlung ist sehr dicht und hat eine eigene Dynamik. Die Handlung beginnt mit einem Brand in Shaker Heigts, einem Vorort von Clevelands. Die Menschen in Shaker Heigts wirken alle perfekt: Perfekte Bildung, tolle Karieren, sehr große Häuser und ein großer Lifestyle.


    Der Brand wurde von Izzy gelegt, der Tochter von Elena Richardson. Sie lebt mit ihren vier Kindern und ihrem Mann in Shaker Heigts und führt ein geordnetes, konventionelles Leben. Sie vermietet ihr ehemaliges Elternhaus an Mia und Pearls. Die Story bekommt ihre eigene Dynamik, denn Pearls freundet sich mit den Kindern von Elena an. Als auch noch Mia für Elena als Haushälterin arbeitet, nimmt die Geschichte ihren Lauf. Es sind die Richardsons, die das perfekte Leben führen. Sie haben Geld und natürlich die richtigen Freunde, die McCulloughs beispielsweise. Als Linda McCullough ein chinesisches Baby bei sich aufnimmt, weiß sie nicht, dass sie bald vor Gericht stehen wird, weil die leibliche Mama ihr Kind zurückhaben will.


    Vier Kinder ganz unterschiedlichen Naturells können die Richardsons vorweisen, von denen nur das jüngste, die anstrengende, ständig aufbegehrende Izzy Sorgen bereitet. Zum eigentlichen störenden Element jedoch werden die Mieter, denen Elena in einem Gestus der Nächstenliebe eine Wohnung anvertraut. Mia ist Künstlerin und damit der zielstrebigen Elena ein Dorn im Auge. Mia lebt in den Tag und ist mit ihrer Tochter 26 Mal umgezogen. Celeste NG gelingt es hier, raffiniert Welten zu verbinden.

    Rassismus, Intrigen, Liebeleien und Ethik werden in diesem dichten Roman zusammengefügt. Das zentrale Thema ist und bleibt aber die Liebe von Eltern und ihren Kinder. Was macht eine Familie aus? Wann ist eine Mutter eine Mutter?

    "Was macht jemand zu einer Mutter? War es allein die Biologie, oder war es Liebe?“.


    5/5 Sterne

  • Reese Witherspoon hat sich früh nach dem Erscheinen die Filmrechte an "Kleine Feuer überall" gesichert. Und obwohl das Ergebnis ein wenig klinisch und überproduziert daherkommt, und manchmal eher eine äußerst edle Soap ist als ein Drama über Selbstgerechtigkeit, Vorort-Idyllen, Rassismus und Mütter mit Kontrollzwang, ist es sehr sehenswert, nicht zuletzt dank Reese Witherspoon als Caroline Richardson, die in der Miniserie Elaine heißt. Abgesehen hiervon ist die Serie ziemlich dicht am Buch, in dem meiner Erinnerung nach allerdings nie die Rede davon ist, dass Mia und Pearl Afroamerikaner sind. Die acht Folgen sind seit ein paar Tagen für Prime-"Mitglieder" kostenlos bei Amazon streambar. Über eine Free-TV-Verwertung gibt es noch keine Informationen.

  • Ich bin auf deine Meinung zum Buch gespannt. Bei mir subt es schon ewig (genauso auch ihr anderes Buch "Was ich euch nicht erzählte").

    Werde berichten. Bin scheinbar gerade auf dem Amerikanische-Kleinstädte/Städte-Trip. Mein derzeitiges Netgalley-Buch ist sehr intensiv und hat auch eine Kleinstadt-Perspektive. Sehr empfehlenswert. Rezi folgt nach Beendigung. ;)

    Hollundergrüße :wave




    :lesend








    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern daß er nicht tun muß, was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich bin auf deine Meinung zum Buch gespannt. Bei mir subt es schon ewig (genauso auch ihr anderes Buch "Was ich euch nicht erzählte").

    Ich habe „Kleine Feuer überall“ vor wenigen Wochen gelesen und fand es sehr gut. Der Rezension von Tom ist m. E. nichts hinzuzufügen, treffender kann man diesen Roman nicht beschreiben.


    Meine eindringliche Empfehlung für Dich:

    schleunigst entsubben

  • Ich wollte „Kleine Feuer überall“ eigentlich schon zum Zeitpunkt des Erscheinens lesen, aber es kam mir immer wieder irgendein anderes Buch dazwischen. Nun habe ich es gelesen und bin total begeistert. Ich freue mich jetzt sehr, bald die Serie anzusehen.


    Das Buch beginnt mit dem Brand des Hauses der Richardsons. Die Familie Richardson lebt in Shaker Heights, einem Ort, der für mich wie die Klischeewohnsiedlung in den USA klingt, eben so, wie man es in diversen amerikanischen Serien sieht. Mama Richardson ist total durchorganisiert und führt das Haus mit harten Regeln, die niemals gebrochen werden dürfen. Sie hat aber die Rechnung ohne ihre Tochter Izzy gemacht. Izzy rebelliert quasi von Geburt an und auch als Leser/Leserin hat man das Gefühl, Izzy gehört gar nicht in diese Familie. Als Mia mit ihrer Tochter Pearl in eine Mietwohnung der Richardsons einzieht, verweben sich die Leben der Familienmitglieder immer mehr.


    Mia, die Mutter von Peal, habe ich vom ersten Moment an in mein Herz geschlossen. Sie hat zwar ein Geheimnis, das sie seit vielen Jahren nicht nur vor Pearl geheim hält, aber ihr ganzes Handeln und ihre Persönlichkeit fand ich einfach so warmherzig und liebevoll. Für mich ist sie die Hauptprotagonistin des ganzen Romans. Die andern Figuren mochte ich zum größten Teil auch sehr gern. Cheleste Ng schafft es auf den knapp 400 Seiten einen bei allen Begebenheiten mitfiebern zu lassen. Ich habe die ganze Zeit am Buch geklebt, weil ich wissen musste, wie es weiter geht, obwohl die Geschichte gar nicht so sonderlich spektakulär ist.


    Ich werde mir in der nächsten Zeit die Serie ansehen und bis sehr gespannt, wie sie umgesetzt wurde. „Kleine Feuer überall“ kann ich jedenfalls wärmstens empfehlen.

  • Ich bin recht schwer in das Buch hineingekommen. Mit dem Schluss der Geschichte anzufangen und dann in Retrospektive das Geschehene in der Entwicklung zu sehen ist nicht so meins. Aber jedes Buch hat eine Chance bis Seite 100 und dort angekommen war ich längst drin in der Geschichte, nein eigentlich in den Geschichten um das Thema was macht eine Mutter aus- Erziehung, Liebe, Geburt, Sehnsucht, Verzweiflung, Adoption, Entführung, Kontrollzwang und -verlust all das spielt eine Rolle und wird genial zu einer Geschichte verwoben deren Antwort sich jeder selber geben muss und deren Ende offen bleibt. Volle Leseempfehlung.

  • Reese Witherspoon hat sich früh nach dem Erscheinen die Filmrechte an "Kleine Feuer überall" gesichert. Und obwohl das Ergebnis ein wenig klinisch und überproduziert daherkommt, und manchmal eher eine äußerst edle Soap ist als ein Drama über Selbstgerechtigkeit, Vorort-Idyllen, Rassismus und Mütter mit Kontrollzwang, ist es sehr sehenswert, nicht zuletzt dank Reese Witherspoon als Caroline Richardson, die in der Miniserie Elaine heißt. Abgesehen hiervon ist die Serie ziemlich dicht am Buch, in dem meiner Erinnerung nach allerdings nie die Rede davon ist, dass Mia und Pearl Afroamerikaner sind. Die acht Folgen sind seit ein paar Tagen für Prime-"Mitglieder" kostenlos bei Amazon streambar. Über eine Free-TV-Verwertung gibt es noch keine Informationen.

    Wenn Mrs. Richardson in der Serie Elaine heißt liegt das vermutlich daran, dass sie im Buch Elena heißt (nie Caroline!;))


    Mir war das Setting im Buch schon zu idyllisch-amerikanisch und wenn ich es nicht geschenkt bekommen hätte, hätte ich es wahrscheinlich nie gelesen. Aber jetzt in der Nachbetrachtung und mit Euren Rezensionen und Meinungen bin ich doch ganz froh darüber. Man kann schon ins Grübeln kommen, wie durchgeplant ein Leben am besten sein soll. Sowohl Elena als auch Mia sind im Irrtum in ihren Lebensentwürfen. Mia hat zwar die Freiheit gewählt, damit aber auch die Flucht vor der Verantwortung, was auch zu Verletzungen ihrer Nächsten führt.


    Soweit ich es verstanden habe, sind nicht Mia und Pearl Afroamerikaner, sondern Lexies Freund Brian und vielleicht der Busfahrer, der Nachbar im Haus. Die Gutsituierten sind sehr stolz darauf nicht rassistisch zu sein. Trotzdem darf Izzie das Mobbing des Lehrers nicht ansprechen und wird bestraft :gruebel


    Gut gefallen hat mir der Schluss, wo jede Figur ihr Leben und die Einstellung zu anderen überdenken kann.:thumbup:

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust