'Jahre aus Seide' - Seiten 001 - 080

  • Wir sind immerhin auch schon Mitte der 1920er Jahre, wo es schon einige Fabriken gab, die Massenware hergestellt haben. Handwerk würde immer weniger. Und man muss auch bedenken, was für ein großes Gebiet der Herr Meyer abdeckt. Niederrhein, Münsterland .. da gehört das Ruhrgebiet immerhin auch komplett zu und gerade da gab es viele Familien, die zum einen Massenware gewöhnt waren und zum anderen sich diese eher leisten konnten als Maßanfertigungen.

  • Auch würde sich heute kaum einer aus der gut verdienenden Mittelschicht mehr ein Hausmädchen leisten, oder eine Köchin. Ich denke mal, damals gehörte das noch zum guten Ton, das zeigte, was man erreicht hat.

    Personal war damals auch noch verhältnismäßig günstig, im Vergleich mit heute. Mädchen und Frauen hatten ja eher selten Berufe und so kamen sie in Lohn und Brot, wie man so sagte. Zumindest bis zur Heirat, wenn nicht, oder wie im Falle der Köchin, konnten sie weiter in Anstellung arbeiten. War oft komfortabler als in der Fabrik.

  • ich glaub Schuster waren in den Zwanzigern schon nicht mehr so verbreitet, Maßschuhe sind ja nochmal teurer. Du hast schon recht, die großen Kaufhäuser waren da ja erst im entstehen, aber Schuhgeschäfte hat es sicher auch damals gegeben. Und die mussten ja schließlich ihre Schuhe irgendwo herkriegen, Internet gab’s ja noch nicht (Gott sei Dank!). Ich denke mal Karl hat genau diesen Zwischenhandel organisiert. Und wenn man da ein gutes Gespür für das hat, was den Leuten gefällt, ist man sicher auch erfolgreich und baut sich nen Kundenstamm auf.

    Wenn Du irgendwann von Peter Prange "Unsere wunderbaren Jahre" lesen wirst, wirst Du nach Düsseldorf in Schuhläden genommen. :-)


    Ich muss meine Mutter noch einmal fragen. Diese hat vor wenigen Tagen ihr Weihnachten 1948 aufgeschrieben und dass ihre Eltern beim Schuster Winterstiefel für sie kaufen. Meine Großeltern hatten kein Geld um für sie passende Winterstiefel zu kaufen, ihr drohte mangels Schuhen den Winter in der kleinen Wohnung zu verbringen, nicht in die Schule zu können. So hat meine Mutter sich mit anderen Nachbarskindern abends vor ein Lokal gestellt und von den Soldaten mit dem Zaubersatz, den sie nicht verstanden hat: "Have you a penny?" Geld erbettelt. Die Eltern wussten davon und als sie 13,50 DM zusammen hatte, musste sie abends zuhause bleiben. Meine Mutter war damals fünf und hat sich viele Jahre für das Betteln geschämt.

    Wenn ich mir vorstelle, wie gut ich es hingegen hatte und habe... gerade nach der Lektüre von "Schwestern vom Kudamm" führt mir die Geschichte meiner Mutter sehr deutlich vor Augen, wie entbehrungsvoll diese Jahre waren und den kalten Winter habe ich von ihr auch beschrieben bekommen. Die heruntergeschnittenen Obstbäume etc. Brigitte Riebe  


    Daher müssen Schuster zumindest zu der Zeit nach dem 2 WK eine Rolle gespielt haben. Vielleicht haben Schuster aber auch mit Schuhen gehandelt, sie nicht unbedingt selber hergestellt?

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Ich habe heute mit dem Buch angefangen und gleich den ersten Abschnitt durchgelesen. Bis jetzt gefällt es mir schon mal sehr gut.

    Die erste Seiten von dem Buch, also der Original-Tagebucheintrag von Ruth hat mich gleich mal sehr bewegt und gerührt. Da merkt man sofort, was für eine besondere Frau diese Ruth gewesen sein muss, so stark und empfindsam kommt sie mir vor.

    Super finde ich auch, dass es eine kleine Personenübersicht zu Beginn gibt. Ich komme gerne mal mit den Namen durcheinander und dann finde ich es schön, wenn man kurz nachschauen kann, wer die einzelnen Personen sind.


    Die Geschichte im ersten Abschnitt geht ja erst mal mehr um die Eltern von Ruth. Die kommen mir beide sehr liebevoll vor. Sie kümmern sich wirklich sehr herzlich um die Kinder und versuchen für sie die besten Möglichkeiten zu schaffen. Ich finde es auch sehr interessant, wie so ein paar jüdische Gebräuche oder Feiertage mit einfließen in die Geschichte. Und wie man merkt, dass die Familie zwar jüdischen Glaubens ist, aber trotzdem nicht alles so streng sieht. Zum Beispiel ist ihnen das koschere Essen nicht wichtig.

    Ach ja, und ich finde es toll, das die Krefelder Rennbahn in dem Buch vorkommt.:-] Ich war dort schon mal selber zu Gast und meine Mutter war mit einem Trainer von den Rennpferden aus Krefeld eng befreundet. Es war mir gar nicht so bewusst, dass es die Rennbahn dort schon so lange gibt und das sie damals wohl als gesellschaftliches Ereignis an den Wochenenden eine große Rolle gespielt hat.

    Ich freue mich jetzt schon auf das Weiterelsen, auch wenn die Zukunft von Ruth wohl nicht so wahnsinnig glücklich sein wird. So ein wenig klingt es ja schon an in dem ersten Abschnitt, mit der zunehmenden Feindlichkeit gegen die Juden.:(

  • Ich muss wohl gestern Abend, als ich mit dem Buch begonnen habe, schon sehr müde gewesen sein, denn die Seite mit dem Tagebucheintrag habe ich glatt übersehen - und mich nun gewundert, worüber Ihr da alle schreibt. :gruebel

    Jetzt habe ich es natürlich nachgelesen und es hat mich sehr berührt.


    In die Geschichte bin ich sehr gut reingekommen, die Figuren waren mir gleich sympathisch und vertraut - mit Ausnahme von Emilie, aber es liegt wohl daran, dass sie ihr eigenes Geschäft geführt hat - da hat sie sich vermutlich diese energische Art zugelegt.

    Da ich in letzter Zeit öfter in Krefeld war, sagen mir auch die Ortsbezeichnungen etwas, was mir noch mehr das Gefühl gibt, mitten in der Geschichte zu sein.


    Was mich ein wenig gewundert hat ist, dass die Meyers, als recht junge Familie, doch sehr wohlhabend zu sein scheinen. Da wird erst ein Mietshaus gekauft, dann ein Grundstück, ein Haus wird gebaut, die Familie hat mehrere Angestellte - sicher ist das Personal günstiger als heutzutage, und die Familie kann neben Karls Einkommen auch noch über die Mieteinnahmen verfügen, aber ich finde sie erstaunlich wohlhabend.


    In diesem ersten Abschnitt deutet noch nichts darauf hin, dass der Familie schwierige Zeiten bevorstehen. Zwar klingt gelegentlich an, dass es Menschen gibt, die den Umgang mit Juden meiden, allerdings scheint die Famile davon noch nicht direkt betroffen zu sein.

  • Für mich ist das Buch wieder ein echter Gewinn:knuddel1

    Ich bin wieder gut rein gekommen und war schnell mittendrin im Leben der Familie Meyer.

    Mich hat der Reichtum dieser Familie mit Chauffeur, Köchin, eigenen Immobilien, etc. auch gewundert, zumal Karl ja ein Handelsvertreter für Schuhe ist, aber es war wohl so..

    Ich hatte in diesem ersten Abschnitt immer Filmbilder der Familie vom Nesthäkchen im Kopf..:)

    Für mich ist es schwer zu ertragen, zu wissen, das auf diese nette Familie bald schon ganz schreckliche Zeiten zukommen werden!

  • Was mir gut gefallen hat war, dass die Schwiegermutter da vermittelt und Martha erklärt, warum die Mutter vielleicht so ist, wie sie ist.

    Das hat mir auch gut gefallen. Wenn man selbst betroffen ist, sieht man manche Dinge einfach nicht. Dann ist es gut, wenn jemand von außen seine Sicht der Dinge erzählt. Dass es in diesem Fall die Schwiegermutter ist, find ich gut. Überhaupt gefällt mir Karls Familie sehr gut. Sie sind so herzlich.

    Mich wundert schon, dass es damals so einen großen Markt für fertige Schuhe gab. Schließlich war es eher üblich sein Schuhe beim Schuster maßanfertigen zu lassen. Und große Kaufhäuser mit Schuhabteilung waren eher selten. :gruebel

    Mich wundert das irgendwie gar nicht. Karl war halt einfach so ein Zwischending, zwischen Schuster und großem Kaufhaus.

  • Ich bin auch gut in das Buch reingekommen. Das großzügige Schriftbild sorgt für ein schnelles Vorankommen. ;-)

    Die Familie Meyer ist sehr sympathisch dargestellt. Sie führen ein rundum, sag ich mal, sorgenfreies Leben. Geld ist so gut wie kein Thema, Angestellte sind ausreichend vorhanden, was ansteht, ist z.B. die Einrichtung des neues Hauses oder die Vorbereitung des Einweihungsfestes.

    Aber auch hier beschränkt sie das meistens auf die Planung und Organisation.

    Man kann also feststellen, dass es der Familie Meyer wirklich sehr gut geht. :-)

    Zudem gehen die Eltern sehr gleichberechtigt miteinander um. Was vielleicht zu dieser Zeit auch nicht selbstverständlich war.

    Wir als Leser ahnen natürlich, dass dunkle Zeiten auf die Familie zukommen werden.

    Die ersten Anzeichen sind ja schon da...……..


    Ob der entlassene Chauffeur nochmal eine Rolle spielen wird?:/

  • Ich habe mir über den Reichtum auch eher weniger Gedanken gemacht und das so hingenommen. Ich kann es überhaupt nicht einschätzen, wie viel Karl hätte verdienen können, weiß aber, dass auch heute noch Menschen in ähnlichen Positionen von großen Firmen viel Geld scheffeln können.

  • Ich finde, dass man auch hier wieder ganz klar Ulrikes Schreibstil erkennt. Ich weiß nicht genau, woran ich das festmachen sollte, aber ich fühle mich direkt zu Hause in dem Buch.


    Ich mag die Familie Meyer einfach so gern, bis auf die Mutter Emilie. Die erinnert mich auch ziemlich unangenehm an jemanden, der mit mir auch so umspringt. Nie ist das was man tut richtig oder gut genug, egal wie sehr man sich anstrengt. Daher finde ich genau richtig, dass sie eben doch das Haus bauen.


    Ich bin jetzt schon traurig, wenn ich drüber nachdenke, was Ruth und ihre Familie noch alles erleiden müssen.

  • Ich bin jetzt schon traurig, wenn ich drüber nachdenke, was Ruth und ihre Familie noch alles erleiden müssen.

    :( Ja das ging mir am Anfang auch gleich so. Man weiß ja genau, was für schlimme Zeiten bevorstehen. Zum Glück haben Ruth und ihre Familie zu Beginn der Geschichte noch eine Weile eine schöne und unbeschwerte Zeit.

  • :( Ja das ging mir am Anfang auch gleich so. Man weiß ja genau, was für schlimme Zeiten bevorstehen. Zum Glück haben Ruth und ihre Familie zu Beginn der Geschichte noch eine Weile eine schöne und unbeschwerte Zeit.

    Da kann ich euch nur zustimmen. Aber ich finde auch, dass es sehr gut gemacht ist, weil ich mir noch gar nicht vorstellen kann, welch ein Schicksal über die Familie hineinbrechen wird, auch wenn ich es natürlich nur zu genau weiß. Aber die Bedrohung und Gefahr scheint gerade doch wirklich sehr fern zu sein.

  • Es tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde, hatte aber leider vorher keine Ruhe zu posten :(, obwohl ich im Buch schon etwas weiter bin und es sich sehr flüssig und angenehm liest!

    Ich bin wunderbar ins Buch gestartet, es ist komischerweise alles sofort so vertraut, als würde man die Familie schon kennen. Oft ist es ja so,das die Eltern der Hauptfiguren sehr streng sind, hier ist es mal anders. Ich mochte Martha und Karl sofort, sie sind so liebevoll im Umgang mit Ruth und Ilse. Die Grossmutter Emilie dagegen hab ich jetzt schon gefressen, scheint eine ziemlich hochnäsige Person zu sein. Die Eltern von Karl finde ich bisher ganz nett. Mir gefällt hier auch sehr gut, wie die jüdischen Traditionen beschrieben werden, das gehört eben auch in diese Zeit und zu unserer Geschichte.

    :write Dieses Buch liest sich wirklich sehr gut! Ich habe bisher noch kein Buch der Autorin gelesen - aber ich war schnell in der Geschichte "drin" und die Charaktere gefallen mir (bis auf Marthas Mutter ;)) sehr gut! Besonders Martha gefällt mir mit ihrer aufmerksamen Art und Ruth mit ihren Fragen! Auch die Familie Aretz ist mir sehr sympathisch. Ich bin neugierig, wie die Familien sich weiterentwickeln!:wave

  • Da kann ich euch nur zustimmen. Aber ich finde auch, dass es sehr gut gemacht ist, weil ich mir noch gar nicht vorstellen kann, welch ein Schicksal über die Familie hineinbrechen wird, auch wenn ich es natürlich nur zu genau weiß. Aber die Bedrohung und Gefahr scheint gerade doch wirklich sehr fern zu sein.

    Das war für mich leider ein Problem in dem Buch. Andererseits fand ich es super, dass eben diese gemächliche Zeit, in der alles wieder gut läuft, man im Wohlstand und Frieden lebt, nach dem "Großen" Krieg, einfach gut lebt, so schön beschrieben wird. Dann aber, mit dem Wissen von heute, wollte ich immer den Leuten einen Schubs geben, macht hinne, es wird schlimmer als ihr denken könnt, lasst eure Hoffnungen fahren usw. und es brannte mir in der Seele, ihnen diese Warnung zukommen zu lassen. Da wollte ich immer mehr Feuer, mehr drive oder wie man sagt, fällt mir jetzt nicht ein. Aber es ist gut so wie es geschrieben ist. Alles zu seiner Zeit.

  • Ich bin so gut in die Geschichte reingekommen, als wäre ich dabei. Ich finde Karl und Martha einfach super. Sie gehen so toll miteinander um und sind auch liebevolle Eltern. Mir gefällt die ganze Familie. Es herrscht soviel Harmonie.

    Auch die Eltern von Karl finde ich super nur die Mutter von Martha, Emilie kann ich überhaupt nicht ausstehen. Sie ist für mich das sprichwörtliche "schwarze Schaf" der Familie. Ich glaube dass Martha bei ihr keine schöne Kindheit hatte und kann verstehen, dass sie es bei ihren Kindern besser machen will. Dies gelingt ihr auch außerordentlich gut.

  • Das war für mich leider ein Problem in dem Buch. Andererseits fand ich es super, dass eben diese gemächliche Zeit, in der alles wieder gut läuft, man im Wohlstand und Frieden lebt, nach dem "Großen" Krieg, einfach gut lebt, so schön beschrieben wird. Dann aber, mit dem Wissen von heute, wollte ich immer den Leuten einen Schubs geben, macht hinne, es wird schlimmer als ihr denken könnt, lasst eure Hoffnungen fahren usw. und es brannte mir in der Seele, ihnen diese Warnung zukommen zu lassen. Da wollte ich immer mehr Feuer, mehr drive oder wie man sagt, fällt mir jetzt nicht ein. Aber es ist gut so wie es geschrieben ist. Alles zu seiner Zeit.

    Wir haben das Wissen über die Zukunft. Die Leute damals hatten dies nicht. Man konnte es nicht vorausahnen!