'Der Untertan' - Seiten 102 - 160

  • Ich finde ja interessant, dass Diederich eigentlich von nichts eine Ahnung hat und trotzdem große Reden schwingt, wenn es um die Politik und die Monarchie geht. Er bezeichnet sich als liberal, eiert aber herum, wenn er erklären soll, was das überhaupt bedeutet. Dass niemandem auffällt, wie doof er eigentlich ist, ist fast schon lustig. Die Hellsten scheinen sie ja alle nicht zu sein, aber Hauptsache rumkrakeelen und Machtansprüche stellen.

    Stimmt. Am Ende ist es oft so, dass der, der seine Inkompetenz am besten verkauft, am weitesten kommt. ;)

  • Ich finde ja interessant, dass Diederich eigentlich von nichts eine Ahnung hat und trotzdem große Reden schwingt, wenn es um die Politik und die Monarchie geht. Er bezeichnet sich als liberal, eiert aber herum, wenn er erklären soll, was das überhaupt bedeutet. Dass niemandem auffällt, wie doof er eigentlich ist, ist fast schon lustig. Die Hellsten scheinen sie ja alle nicht zu sein, aber Hauptsache rumkrakeelen und Machtansprüche stellen.

    Er schwenkt immer rechtzeitig um bevor es brenzlig wird. Er hat ein gutes Gespür dafür, was ankommt, was gefährlich werden kann, wo er Boden verliert.

    Eigentlich hat keiner der Gesellschaft eine Ahnung, sie stimmen bereitwillig in Diederichs Redesalven ein, Hauptsache national.

  • Diederich laviert sich geschickt zwischen den Fronten der liberal-sozialen und den nationalen. Ich bin mal gespannt welche Seite ihm den Hals bricht. Denn auf Dauer kann es ja so nicht weiter gehen. Eigentlich wird mir von dem Buch speiübel.

  • Ich bin in diesem Abschnitt noch nicht sehr weit, aber wie sich der kleine "Diederich" den Fabrikarbeitern als neuer Chef vorstellt, zeugt ja schon von seiner Lust an am machthaberischen Gebaren. Die Arbeiter werden wohl kaum Freude an ihm haben, ich kann mir vorstellen, die hätten ihm am liebsten schon als Kind im Bottich ....

    Ich bin auch erst am Anfang von dem Abschnitt. Aber diese Szene, wie er sich in der Rede als neuer Chef darstellt ist ja wieder so typisch für ihn. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Ansprache auch nur irgendwie motivierend auf die Arbeiter wirken könnte. Genauso wenig, wie er bei seinem Rundgang durch die Firma gleich alles verändern möchte, was schon immer so gemacht worden ist. Ich weiß nicht, ob er überhaupt eine Ahnung von der praktischen Arbeit dort hat, wenn er die letzten Jahre in Berlin studiert hat? Ich denke mal, da werden die altgedienten Angestellten es wahrscheinlich besser wissen. Aber er kommt daher und macht alles schlecht und stellt sich selbst als den großen Macker da. Einfach nur widerlich.

  • Eigentlich könnte man genussvoll zuschauen, wie der Angeber seine Fabrik ruiniert, wenn da nicht so viele Arbeiter, deren Familien und seine eigene Familie darunter leiden müssten. Er hat die Verantwortung, sieht aber bisher nur die damit verbundene Macht.

    Als Student hatte er sich ja davor gedrückt, sich von seinem Vater in die Produktion und Firmenleitung einweisen zu lassen. Jetzt denkt er sein Doktortitel befähigt ihn den Laden vernünftig zu leiten. Wofür er eigentlich Chemie studiert hat, ist mir eh nicht klar. Wahrscheinlich war das damals das einfachste Studium, das auch mit seinem dürftigen Intellekt zu bewältigen war. Gab es damals schon so etwas wie einen Numerus Clausus oder Studienzulassungen nach bestimmten Kriterien?

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Eigentlich könnte man genussvoll zuschauen, wie der Angeber seine Fabrik ruiniert, wenn da nicht so viele Arbeiter, deren Familien und seine eigene Familie darunter leiden müssten. Er hat die Verantwortung, sieht aber bisher nur die damit verbundene Macht.

    Das ist das eigentliche Problem, warum man nur kopfschüttelnd zusehen kann, aber immer im Hinterkopf, dass er nicht nur sich ruinieren würde...


    Wofür er eigentlich Chemie studiert hat, ist mir eh nicht klar. Wahrscheinlich war das damals das einfachste Studium, das auch mit seinem dürftigen Intellekt zu bewältigen war

    Ich glaube nicht, dass es , auch damals nicht, das einfachste Studium war. Ich vermute, dass ihm schlicht nichts eingefallen ist.


    Gab es damals schon so etwas wie einen Numerus Clausus oder Studienzulassungen nach bestimmten Kriterien?

    Ich wusste es auch nicht, habe mich aber eben mal belesen. Es gab seit den 1920er Jahren eine Numerus Clausus für die Aufnahme von jüdischen Studenten an den deutschen Hochschulen, wenn ich das richtig verstanden habe. Forderungen für dessen Entstehen kamen von den Burschenschaften, was ja gut zu unserem Diederich und dessen Geist passt, die ein zu hohes Maß an jüdischen Studenten und Professoren befürchteten. Dass es einen NC gab, der an Leistung gekoppelt war, habe ich nicht gefunden.

  • Die mit Jadassohn geführte Unterhaltung löst bei mir auch nur Kopfschütteln aus. Diese Verschwörungstheorien, die die beiden zusammenfaseln, könnten heute im Nachmittagsprogramm gewisser Privatsender laufen - und den einen oder anderen Psychiater auf den Plan rufen. :huh:

    Und so was galt damals als gebildet...


    Ich denke übrigens nicht, dass Diederich "dumm" ist oder er Chemie der Einfachheit halber als Studienfach gewählt hat. Ich denke eher, er hat ein Fach gewählt, in dem er ziemlich viel stumpf auswendig lernen kann oder einfach Beobachtungen aufschreiben. Ich halte ihn für das, was man im amerikanischen "booksmart" nennt. "Streetsmart" ist er nicht, vom realen Leben hat er keine Ahnung und seine Erziehung hat empathische Fähigkeiten nun wirklich nicht gefördert - was ja der Tenor des Buches ist.

  • Ich denke übrigens nicht, dass Diederich "dumm" ist oder er Chemie der Einfachheit halber als Studienfach gewählt hat. Ich denke eher, er hat ein Fach gewählt, in dem er ziemlich viel stumpf auswendig lernen kann oder einfach Beobachtungen aufschreiben.

    Ich denke auch nicht, dass Diederich "dumm" ist, also das er wenig intelligent ist. Ihm fehlt nur wie schon gesagt das Empathische. Er hat keinerlei Anstand und ist menschlich gesehen eine absolute Null.

    Und ich kann auch nicht bestätigen, dass Chemie ein "Lernfach" oder besonders einfach ist. Zumindest heutzutage ist das gar nicht so und ich denke mal, das es zu damaliger Zeit auch nicht anders war. Für Chemie braucht man schon viel Verständnis für die Vorgänge und Reaktionen. Mit stumpfen Auswendiglernen kommt man da leider nicht weit. Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten.;)

  • Und ich kann auch nicht bestätigen, dass Chemie ein "Lernfach" oder besonders einfach ist. Zumindest heutzutage ist das gar nicht so und ich denke mal, das es zu damaliger Zeit auch nicht anders war. Für Chemie braucht man schon viel Verständnis für die Vorgänge und Reaktionen. Mit stumpfen Auswendiglernen kommt man da leider nicht weit. Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten.;)

    *lach* Das war nicht persönlich gemeint!

  • Dumm ist ja nicht gleich dumm bzw. Bildung ist nicht gleich Ausbildung.

    Ich halte ihn trotz seiner Schulbildung, seines Studiums und seines Doktortitels für nicht sehr oder umfassend gebildet, für unreflektiert und nicht fähig oder willens zu differenzieren.

  • Es gibt auch heute noch studierte Leute die keinen Horizont haben. Ich empfinde Diederich als furchtbar ignorant. Es wird ja auch nicht gesagt, wie er seinen Doktor macht. Auch über das Studium erfährt man nicht viel. Er wird es gerade so geschafft haben. Seine Fabrik hat ja mit Chemie auch gar nichts zu tun. Aber hält sich in allem für fähig. Totale Selbstüberschätzung und Realitätsverlust, eigentlich gehört er in die Psychiatrie.

  • Es gibt auch heute noch studierte Leute die keinen Horizont haben. Ich empfinde Diederich als furchtbar ignorant. Es wird ja auch nicht gesagt, wie er seinen Doktor macht. Auch über das Studium erfährt man nicht viel. Er wird es gerade so geschafft haben. Seine Fabrik hat ja mit Chemie auch gar nichts zu tun. Aber hält sich in allem für fähig. Totale Selbstüberschätzung und Realitätsverlust, eigentlich gehört er in die Psychiatrie.

    :write:write:write:write


    Nun ja in die Psychiatrie würde ich ihn nicht schicken, wahrscheinlich käme er ganz schnell wieder raus. Aber er ist ignorant und duw Meinung die er sich einmal gebildet hat, bleibt bestehen.


    Wahrscheinlich wäre er auch Mitglied bei den Königstreuen hier in Bayern 😉

  • Dumm ist ja nicht gleich dumm bzw. Bildung ist nicht gleich Ausbildung.

    Ich halte ihn trotz seiner Schulbildung, seines Studiums und seines Doktortitels für nicht sehr oder umfassend gebildet, für unreflektiert und nicht fähig oder willens zu differenzieren.

    :write


    Das Chemiestudium macht eigentlich ja schon Sinn für einen Papierfabrikanten, da spielen ja auch chemische Vorgänge eine Rolle.

    Aber völlig egal, was er studiert hat, als Leiter einer Firma oder Fabrik ist er völlig ungeeignet.

  • Die Erschießung des jungen Arbeiters fand ich natürlich furchtbar. Das war von Heinrich Mann aber vermutlich auch ganz genau so gedacht.

    Lesetechnisch hatte ich allerdings mehr Probleme mit dem wirren, alkoholgeschwängerten Gerede im Ratskeller. Diese Szene fand ich eher anstrengend und unübersichtlich. Mir fehlte die Konzentration (nach mehreren Versuchen auch das Interesse) den Überblick zu bekommen, wer dort mit wem warum koaliert. Und was mir als Leserin das Telegramm an den Kaiser sagen soll.

  • Diese Ratskeller-Szene fand ich ausschlaggebend für die weitere Entwicklung. Ich werde sie noch einmal lesen - besonders auf Hinblick auf das Zurückrudern der Kaisertreuen am nächsten Tag. Diederich wollte sich wichtig machen und mit dem Telegramm an den Kaiser die gemeinsame Gesinnung zementieren.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Diese Ratskeller-Szene fand ich ausschlaggebend für die weitere Entwicklung. Ich werde sie noch einmal lesen - besonders auf Hinblick auf das Zurückrudern der Kaisertreuen am nächsten Tag. Diederich wollte sich wichtig machen und mit dem Telegramm an den Kaiser die gemeinsame Gesinnung zementieren.

    Vor allem wollte er den Soldaten vor Bestrafung bewahren, da ja einer, weiß nicht mehr wer andeutete, er könne auch des Mordes angeklagt werden. Da er selbst ja die Arbeiter entlassen hatte, kam es ihm wohl zupass, dass die auf die Art nun keine Scherereien mehr machen konnten. Für die anderen ein abschreckendes Beispiel.

  • Das Chemiestudium macht eigentlich ja schon Sinn für einen Papierfabrikanten, da spielen ja auch chemische Vorgänge eine Rolle.

    Aber völlig egal, was er studiert hat, als Leiter einer Firma oder Fabrik ist er völlig ungeeignet.

    Ich denke auch, das sein Studium ihn eher für die Produktion oder einer seinem Studium entsprechende Abteilung befähigt. Vielleicht bräuchte er noch einen Nachhilfekurs in: Wie leite ich eine Fabrik richtig?


    Diese Ratskeller-Szene fand ich ausschlaggebend für die weitere Entwicklung. Ich werde sie noch einmal lesen - besonders auf Hinblick auf das Zurückrudern der Kaisertreuen am nächsten Tag.

    Seine ÄReden im Ratskeller wid ihn wahrscheinlich im Nachhinein nicht nur Pluspunkte einbringen, vermute ich mal.

  • Diese Ratskeller-Szene fand ich ausschlaggebend für die weitere Entwicklung. Ich werde sie noch einmal lesen - besonders auf Hinblick auf das Zurückrudern der Kaisertreuen am nächsten Tag. Diederich wollte sich wichtig machen und mit dem Telegramm an den Kaiser die gemeinsame Gesinnung zementieren.

    So sehe ich das auch. Gleichzeitig fand ich es herrlich wie Heinrich Mann die besoffenen hohen Herren und ihr entsprechendes Verhalten beschrieben hat. Einerseits habe ich mich köstlich amüsiert, andererseits beschreibt er auch sehr gut, wie es dazu führen kann, dass eine solche Gruppe im Eifer des Gefechts die Kontrolle verlieren kann.

    Kann mir jemand von euch bitte sagen, womit dieser Abschnitt endet? Ich denke, dass ich schon über ihn hinausgehört habe und möchte euch ungern spoilern. Danke!