'Der Untertan' - Seiten 001 - 101

  • Bezeichnend fand ich ja das Gespräch mit dem jungen Buck. Diederich ist intellektuell nicht in der Lage ihm zu folgen. Also ist er natürlich ein jüdischer Emporkömmling und romantischer Spinner. Was Diederich nicht begreift oder kennt, lehnt er ab und hasst es sogar. Das ist so aktuell.

  • Bezeichnend fand ich ja das Gespräch mit dem jungen Buck. Diederich ist intellektuell nicht in der Lage ihm zu folgen. Also ist er natürlich ein jüdischer Emporkömmling und romantischer Spinner. Was Diederich nicht begreift oder kennt, lehnt er ab und hasst es sogar. Das ist so aktuell.

    Jeder der eine andere Meinung hat ist sozi oder jude.



    Das ist leider immer aktuell.

  • Jeder der eine andere Meinung hat ist sozi oder jude.



    Das ist leider immer aktuell.

    .......und heutzutage ist man bei einer vom Mainstream abweichenden Meinung eben ein "Nazi".

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Der gute Diederich scheint ja Freude am Verprügeltwerden und am "Treten-nach-unten" zu empfinden. Da stellt sich mir die Frage, ob man diesen Spacken heutzutage nicht in einem SM-Studio antreffen würde? Er steht eben auch für verlogenen Moralvorstellungen.

    Seinerzeit war gab es nur "im Dunkeln" sexuelle Freizügigkeit.

    Damals legte sich der Mann auf die Frau (die zumeist nichts empfand, allenfalls Ekel) und beide warteten auf ein Erdbeben, dann braucht man wenigstens nicht selbst aktiv werden. Und der weibliche Part hoffte eben auch, dass alles schnell vorbei gehen würde. Es galt auch im ehelichen Beischlaf nur das Vergnügen des Mannes. Das hat Heinrich Mann auch in anderen Romanen mehr oder weniger deutlich ausgedrückt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Der gute Diederich scheint ja Freude am Verprügeltwerden und am "Treten-nach-unten" zu empfinden. Da stellt sich mir die Frage, ob man diesen Spacken heutzutage nicht in einem SM-Studio antreffen würde? Er steht eben auch für verlogenen Moralvorstellungen.

    Seinerzeit war gab es nur "im Dunkeln" sexuelle Freizügigkeit.

    Damals legte sich der Mann auf die Frau (die zumeist nichts empfand, allenfalls Ekel) und beide warteten auf ein Erdbeben, dann braucht man wenigstens nicht selbst aktiv werden. Und der weibliche Part hoffte eben auch, dass alles schnell vorbei gehen würde. Es galt auch im ehelichen Beischlaf nur das Vergnügen des Mannes. Das hat Heinrich Mann auch in anderen Romanen mehr oder weniger deutlich ausgedrückt.

    Die damalige nachtwäsche war auch sehr erotisch😉. Für beide ein langes Nachthemd und in der Mitte etwas zum aufknöpfen, so das sich sowenig Haut berührt wie es grad notwendig ist.

  • Der gute Diederich scheint ja Freude am Verprügeltwerden und am "Treten-nach-unten" zu empfinden. Da stellt sich mir die Frage, ob man diesen Spacken heutzutage nicht in einem SM-Studio antreffen würde? Er steht eben auch für verlogenen Moralvorstellungen.

    Seinerzeit war gab es nur "im Dunkeln" sexuelle Freizügigkeit.

    Damals legte sich der Mann auf die Frau (die zumeist nichts empfand, allenfalls Ekel) und beide warteten auf ein Erdbeben, dann braucht man wenigstens nicht selbst aktiv werden. Und der weibliche Part hoffte eben auch, dass alles schnell vorbei gehen würde. Es galt auch im ehelichen Beischlaf nur das Vergnügen des Mannes. Das hat Heinrich Mann auch in anderen Romanen mehr oder weniger deutlich ausgedrückt.

    Und diese verlogenen Moralvorstellungen nutzt er, mm sich als der Affäre zu ziehen. Eigentlich hätte Agnes Vater ihm eine Tracht Prügel verabreichen müssen. Aber dafür ist er zu anständig. Diederich besitzt jedenfalls keinen Anstand.

    Die arme Agnes tut mir leid.


    Hier wird Heinrich Mann ja weniger deutlich, aber ohne es direkt zu beschreiben, ist eindeutig, was gemeint ist. Das hat mir gefallen, hat er doch hier wieder Diederich bloß gestellt.

  • Die arme Agnes tut mir leid.

    Ja mir tut sie auch leid. So von Diederich benutzt zu werden. Dabei hatte ich mich zwischenzeitlich schon gewundert, dass er sogar manchmal Gefühle zeigen kann . Es gab ja einige richtig romantische Situationen zwischen den beiden. Zum Beispiel die Besuche der Kunstausstellungen, das gemeinsame Träumen und Phantasieren von Reisen und Möglichkeiten und der Besuch auf dem Land mit einer Bootsfahrt zwischen Schwänen. Da habe ich doch glatt gedacht, Diederich könnte echte Gefühle für Agnes haben. Aber dann ist doch die Mitgift nicht groß genug und da Geschäft des vermeintlichen Schwiegervaters geht schlecht. Und das zählt dann wohl mehr als alles andere.

    Und als er dann aufführt, er könne Agnes ja nicht heiraten, weil eine Frau sich einem Mann nicht vor der Hochzeit hingeben solle, da hätte ich ihm am liebsten eine reingehauen. Wie kann man nur so verlogen sein! Nein, Diederich besitzt definitiv keinen Anstand!

  • Und diese verlogenen Moralvorstellungen nutzt er, mm sich als der Affäre zu ziehen. Eigentlich hätte Agnes Vater ihm eine Tracht Prügel verabreichen müssen. Aber dafür ist er zu anständig. Diederich besitzt jedenfalls keinen Anstand.

    Die arme Agnes tut mir leid.

    Mir tut sie auch leid und nicht nur da gehört Diederich ordentlich dafür gebleut. Aber damit würde man ihm ja noch einen Gefallen tun.

    Anstand das ist für ihn ein Fremdwort. Eigennutz geht da vor.

  • Ja mir tut sie auch leid. So von Diederich benutzt zu werden. Dabei hatte ich mich zwischenzeitlich schon gewundert, dass er sogar manchmal Gefühle zeigen kann . Es gab ja einige richtig romantische Situationen zwischen den beiden. Zum Beispiel die Besuche der Kunstausstellungen, das gemeinsame Träumen und Phantasieren von Reisen und Möglichkeiten und der Besuch auf dem Land mit einer Bootsfahrt zwischen Schwänen. Da habe ich doch glatt gedacht, Diederich könnte echte Gefühle für Agnes haben. Aber dann ist doch die Mitgift nicht groß genug und da Geschäft des vermeintlichen Schwiegervaters geht schlecht. Und das zählt dann wohl mehr als alles andere.

    Und als er dann aufführt, er könne Agnes ja nicht heiraten, weil eine Frau sich einem Mann nicht vor der Hochzeit hingeben solle, da hätte ich ihm am liebsten eine reingehauen. Wie kann man nur so verlogen sein! Nein, Diederich besitzt definitiv keinen Anstand!

    Mir tut Agnes auch sehr leid.

    Dass Diederich wirklich etwas für sie empfindet, habe ich nie geglaubt. Sobald Gefühle ins Spiel kamen, wurden seine Gedanken immer völlig übertrieben, so als würde er sich alles nur einreden.

  • Mir tut Agnes auch sehr leid.

    Dass Diederich wirklich etwas für sie empfindet, habe ich nie geglaubt. Sobald Gefühle ins Spiel kamen, wurden seine Gedanken immer völlig übertrieben, so als würde er sich alles nur einreden.

    Außerdem tritt er ja gerne nach unten. Als er merkt, dass Agnes ihn durchschaut, hat er sie abgewiesen und klein gemacht. Das kann der Wicht besonders gut, buckeln und treten, buckeln und treten. Was für ein armes Würstchen und beispielhaft für viele in der damaligen Zeit.

    Ich habe mich vorher nicht viel mit dem Buch und den Reaktionen darauf beschäftigt. Deshalb frage ich mich die ganze Zeit, wie die Herrschaften, denen Heinrich Mann hier so großartig den Spiegel vorhält, wohl darauf reagiert haben. Das dürfte ihnen nicht gefallen haben.

    Clare , Dieter Neumann und Voltaire könnt ihr vielleicht etwas dazu sagen?

  • Das Buch erschien erstmals 1919. Ich könnte mir vorstellen, dass es für die Sozialdemokraten Wasser auf die Mühlen war. Menschen wie dieser Diederich sind es, die andere in den Krieg treiben. Selbst aber in sicherer Entfernung beobachten und rechtzeitig verschwinden. Diejenigen die es betrifft, werden nicht erbaut darüber gewesen sein. Vaterlandsverräter und ähnliches wirft man doch so Leuten vor oder Nestbeschmutzer. Die Worte sind ja bekannt.

  • Saiya

    In seinen Erinnerungen "Ein Zeitalter wird besichtigt" hat Heinrich Mann etwas dazu geschrieben. Bei der Veröffentlichung vm 30.11.1918 erhielt Heinrich Mann Mordrohungen von kaisertreuen Subjekten. Man sieht, Meinungsfreiheit ist eben eine schwere Sache - auch seinerzeit, wo es schien das endlich die kaiserliche Meinungsdikatatur beendet schien. Es zeigt aber damals wie heute, dass die Menschen eben kaum an Meinungsfreheit interessiert sind.


    Kurt Tucholsky:

    Man hat mir von rechts her immer wieder, wenn ich das Buch als den Anatomie-Atlas des Reichs rühmte, entgegengehalten: ‚Das gibt es nicht – das kann es nicht geben! Karikatur! Parodie! Satire! Pamphlet!‘“ schreibt Kurt Tucholsky in der „Weltbühne“. „Und ich sage: bescheidene Fotografie. Es ist in Wahrheit schlimmer, es ist viel schlimmer.“


    In der Mann-Biographie von Manfred Flügge habe ich auf die schnelle leider nichts gefunden. Übrigens kann ich diese Biographie nur empfehlen.


    Manfred Flügge - Heinrich Mann. Eine Biographie

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Mir gefällt das Buch bislang gut, auch wenn man sich an die Sprache sicher erst gewöhnen muss.


    Während meines Studiums hatte ich auch mal die Gelegenheit, an einem Konvent einer Studentenverbindung teilzunehmen. Ich kam mir etwas vor, wie ein Teilnehmer in einer Filmkulisse. Es wurde von Fuchsenstall, geziehmten Halben, Kontrapräsidium usw. gesprochen. Eine riesige Show. Eine befreundete Verbindung aus Heidelberg war zu Gast und die alten Herren waren anwesend. In Göttingen waren seinerzeit ca. zehn Prozent der Studenten korporiert, aber es gab sogar eine weibliche Verbindung. In Heidelberg waren angabegemäß bis zu 90 Prozent der Studenten Mitglied in einer Studentenverbindung. Ein klares Nord-Süd-Gefälle also und sicher auch Ausdruck der eher linken Studentenschaft in Göttingen. Mein Fall waren diese Verbindungen nicht, auch wenn ich es ganz interessant fand, dort mal reinzuschnuppern. Beruflich wäre es nach dem Studium durch die geknüpften Kontakte sicher ein wenig einfacher gewesen. Neben den bierseeligen Abende ist dies ja für die meisten der Hauptmotivator, dort einzutreten.

  • Irgendwie weiß ich nun gerade nicht, ob das hier in diesen Abschnitt gehört.


    Dieser Diederich schwärmt ja von seiner Dienstzeit beim Militär.

    Genau solche Typen habe ich während meiner Bundeswehrdienstzeit auch kennengelernt. Sie waren unbedingt für einen Dienst bei der Bundeswehr - aber schon mit der ersten Frage erkundigten sie sich danach, wie man denn am schnellsten auf die Schreibstube käme.


    Für diese Weicheier und Drückeberger hatten wir Soldaten von den Kampftruppen nur tiefste Verachtung übrig. Und der Diederich war ein Großmaul - hat sich gedrückt wo er nur konnte und das ttv schien er auch großartige zu beherrschen. (ttv = tarnen täuschen und verpissen).


    Und auch heute habe ich nur Verachtung vor diesen Drückebergern übrig. Das gilt nicht für die KDV'ler oder welche die echte gesundheitliche Probleme hatten.

    Militär ist mehr als wichtig und jede/jeder sollte insofern einen Dienst für sein Land leisten.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.