Runa - Vera Buck

  • Gebundene Ausgabe: 608 Seiten
    Verlag: Limes Verlag (24. August 2015)
    ISBN-13: 978-3809026525
    Preis Gebundene Ausgabe: Euro 19.99
    Preis Kindle E-Book: Euro 15.99


    Autorin


    Vera Buck, geboren 1986, studierte Journalistik in Hannover und Scriptwriting auf Hawaii. Während des Studiums schrieb sie Texte für Radio, Fernsehen und Zeitschriften, später Kurzgeschichten für Anthologien und Literaturzeitschriften. Nach Stationen an Universitäten in Frankreich, Spanien und Italien lebt und arbeitet Vera Buck heute in Zürich.


    Kurzbeschreibung / Klappentext


    Paris 1884. In der neurologischen Abteilung der Salpêtrière-Klinik führt Dr. Charcot Experimente mit hysterischen Patientinnen durch. Seine Hypnosevorführungen locken Besucher aus ganz Europa an; wie ein Magier lässt der Nervenarzt die Frauen vor seinem Publikum tanzen. Dann aber wird Runa in die Anstalt eingeliefert, ein kleines Mädchen, das all seinen Behandlungsmethoden trotzt. Jori Hell, ein Schweizer Medizinstudent, wittert seine Chance, an den ersehnten Doktortitel zu gelangen, und schlägt das bis dahin Undenkbare vor. Als erster Mediziner will er den Wahnsinn aus dem Gehirn einer Patientin fortschneiden. Was er nicht ahnt: Runa hat mysteriöse Botschaften in der ganzen Stadt hinterlassen, auf die auch andere längst aufmerksam geworden sind. Und sie kennt Joris dunkelstes Geheimnis …


    Meine Meinung


    Es gibt diese Romane, da ist man von der ersten Zeile an der Geschichte verfallen und ist beim Lesen mit Leib und Seele dabei. Dies ist so ein Buch, dass einen unwiderstehlichen Lesesog entfaltet dem ich mich kaum mehr entziehen konnte. Der jungen Schriftstellerin Vera Buck, sie ist gerade Mal 28 Jahre alt, ist mit diesem Historischen Roman ein kleiner Geniestreich im kunterbunten Literaturbetrieb gelungen. Selten hat mich ein Debütroman dermassen begeistert wie dieses Werk! Mit grossen Ambitionen verbindet die Autorin in meisterhafter Manier Medizinalgeschichte mit einem Kriminalfall und lässt unterschwellig Elemente der Gruselliteratur mit einfliessen. Wobei letzteres nicht auf Fiktion beruht, sondern auf wahren Begebenheiten. Aber genau der Umstand, dass man als Leser weiss, dass historisch bewiesene Tatsachen erzählt werden macht diese Geschichte noch eindringlicher.


    Die wohl bekannteste Nervenheilanstalt des ausgehenden 19. Jahrhunderts bildet die unheimliche Kulisse für diese rabenschwarze Geschichte. Ohne die schaurige Ausstrahlung der Salpêtrière in Paris und den unmenschlichen Forschungen an den alten, kranken oder verrückten Patientinnen des psychiatrischen Krankenhauses wäre diese Geschichte nicht die die sie ist. Die Autorin macht sich diesen bedrohlichen Umstand aber gekonnt zu Nutze und lässt die teilweise unbarmherzigen Gräueltaten der damaligen Forschung dosiert den Weg den Rücken hoch langsam ins (unter-) Bewusstsein eindringen. Die Protagonisten, ob nun historisch verbürgt oder frei erfunden, tragen das ihre zum sehr guten Gesamteindruck bei. Nebst dem quirligen Jori und der geheimnisvollen Runa mit der dunklen Aura hat es mir Lecoq besonders angetan.


    Nach beherztem Beginn drosselt die Autorin das Tempo zugunsten der dokumentierten Geschichtsschreibung. Es gilt den Zeitkolorit so authentisch wie möglich wiederzugeben, den agierenden Figuren mehr und mehr Konturen zu verleihen und den Handlungsstrang mit den rätselhaften Zeichen einzufädeln. Das gelingt tadellos, nicht zuletzt weil der Verlag der talentierten Autorin die vielen Seiten zugesteht die sie dafür benötigt. Hie und da für den ein oder anderen Leser vielleicht zu ausschweifend aber ich fand es durch und durch gelungen und hab einiges an nützlichem Allgemeinwissen dazu gewonnen. In der zweiten Hälfte des Romans wird die Spannung dann von Seite zu Seite aufgebaut und der Nervenkitzel nimmt laufend zu so dass die knapp 600 Seiten viel zu schnell gelesen sind.


    Die Art und Weise wie die Geschichte durchstrukturiert ist und der bodenständigen Vehemenz mit der sie erzählt wird ist bemerkenswert. Ganz im Stile eines routinierten Schriftstellers schreibt Vera Buck eine erstklassige historische Geschichte die zwischen Wissenschaft und Spannungsroman, zwischen Genie und Wahnsinn hin und her pendelt. Für mich DIE Neuentdeckung des Lesejahres 2015 und eine absolute Leseempfehlung! Wertung: Ich tue etwas, was ich höchst selten tue. Ich vergebe 10 Eulenpunkte. :-]

  • Paris, 1884. Jori ist Student an einer der besten Kliniken Frankreichs. Sein Dozent Dr. Charcot ist führender Experte auf dem Gebiet der Hysterie bei Frauen. Doch ein Fall lässt selbst ihn zweifeln: das junge Mädchen Runa. Die Kleine scheint jedem Kniff des Doktors gewachsen. Jori sieht dies als Herausforderung und Chance auf seinen Doktortitel und will den Wahnsinn aus dem Kopf von Runa schneiden. Wird das gelingen?


    "Runa" ist das Debüt von Vera Buck und definitiv keine leichte Lektüre. Die Geschichte, der sich die Autorin annimmt, spielt in einer dunklen Zeit der modernen Medizin. Folter, Experimente und Gewalt waren damals als Behandlung an der Tagesordnung. Und Vera Buck fängt das sehr gut, wenn auch teilweise langatmig ein.


    Die Geschichte wird von einem auktorialen Erzähler wiedergegeben. Man folgt sowohl Jori und seinem Streben nach Erfolg, als auch einem Chorknaben, einem ehemaligen Detective und einem Geschwisterpaar. Wie diese Erzählstränge zusammenhängen, wird erst im Laufe der Geschichte klar. Und hier ist Konzentration angesagt. Denn Vera Buck verwendet nicht nur typisch französische Namen, sondern bringt auch eine Menge Figuren ins Spiel. Für mich war das gerade zu Beginn schwierig und so musste ich oftmals beim Lesen innehalten und überlegen, wie die Zusammenhänge genau sind. Hier wäre ein Register echt von Vorteil gewesen.


    Die Figuren sind toll beschrieben und wirken für ihre Zeit auch glaubwürdig. Manches Mal hätte ich den überheblichen Männern gern eins verpasst, aber so war nun mal die Denkweise im 19. Jahrhundert. Es empfiehlt sich, ein wenig Vorkenntnisse über den Stand der Medizin zur damaligen Zeit zu haben. Denn Vera Buck wirft ihre Leser mitten ins Geschehen. Und obwohl man den Vorlesungen von Dr. Charcot lauschen darf, sind Vorkenntnisse fast unabdingbar, um den Ausführungen folgen zu können. Für mich war das vollkommen in Ordnung, für andere könnte dies schnell nervig sein. Denn die Autorin beschreibt gerade in der ersten Hälfte sehr viele Details aus dem Alltag der Klinik.


    Als Leser sollte man zudem nicht allzu empfindlich sein. Vera Bucks Erzählung ist sehr gut und tiefgründig recherchiert und ohne mit der Wimper zu zucken, lässt sie ihre Figuren über Hirnoperationen, Wasserfolter und ähnliches diskutieren. Gerade diese Grausamkeiten im Namen der Medizin haben mich so erschrocken, aber gleichzeitig an den Roman gefesselt.


    Die Lektüre ist keineswegs einfach oder flüssig. Das Buch ist eigenwillig. Die Sprache ist an das 19. Jahrhundert angelehnt und das hat mich gerade zu Beginn ein paar Nerven gekostet, auch wenn ich von dem Buch nicht los kam. Wer sich also mit Runa einlässt, sollte starke Nerven und Geduld mitbringen. Und vor allem sich voll und ganz auf die Geschichte einlassen können. Denn nur dann kann man die Feinheiten herauslesen, die Welt der damaligen Medizin verstehen und ganz eintauchen.


    Fazit: ein gelungener, wenn auch schwerer Roman. Dennoch kann ich ihn empfehlen!

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Ein faszinierender Ausflug zu den Anfängen der Psychiatrie...


    Je mehr ich über das Buch hörte, desto mehr wuchs meine Neugierde und um diese zu befriedigen, blieb mir nichts anderes übrig als mir selbst eine Meinung zu bilden und was soll ich sagen: Dieses Debüt hat mich geflasht.


    Die Autorin entführt uns nach Paris um 1884, in die berühmte Nervenklinik Salpêtrière. Hier studiert Jori Hell am lebenden Objekt Psychologie. Zu seinem Erfolg fehlt ihm nur noch der Doktortitel, den er durch eine ganz besondere Operation erlangen will. Er möchte der erste Mediziner sein, der den Wahnsinn aus den Hirnen der Patienten schneidet. Kann ihm dieses gewagte Unterfangen wirklich gelingen und wird er dabei Unterstützung bekommen?


    Vera Buck erschafft hier eine Welt, die faszinierend und abstoßend zur selben Zeit ist. Es ist wie bei einem schweren Unfall: man mag nicht hinsehen, aber die Neugierde treibt einen dazu.


    Zunächst werden dem geneigten Leser zahlreiche Protagonisten in unterschiedlichen Handlungssträngen vorgestellt. Da die Autorin sehr detailliert und authentisch die Charaktere zeichnet, kann man diese sehr gut auseinander halten und jeder ist für sich überaus interessant und spannend. Alle Darsteller sind Menschen mit Ecken und Kanten, die sehr glaubwürdig und realistisch rüber kommen. Mir hat es ganz besonders Lecoq angetan, der etwas von einem Antihelden hatte, der mich einfach beeindruckt hat.


    Die Story an sich ist ein Mix aus Historie, Krimi und Horror. Die historischen Einschübe bringen einem die Erforschung psychischer Krankheiten näher. Dabei streut die Autorin auch real existierende Personen ein. Ein Krimi ist es deshalb, weil es gilt herauszufinden, was es mit dem mysteriösen Mädchen Runa auf sich hat. Horror ist vielleicht etwas übertrieben von mir dargestellt, aber die Operationsszenen und Behandlungsmethoden kamen mir ein ums andere Mal wie aus dem fiesesten Folterkeller erdacht vor.


    Mich hat dieses Debüt wirklich überrascht. Es fesselt bis zur letzten Seite und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt.


    Fazit: Überzeugende Geschichte, die einen in ihren Bann zieht. Von mir aus hätte der Roman noch einige hundert Seiten mehr haben können. Ich kann nur eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen. Genial!


    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Runa
    Vera Buck


    Inhalt und meine Meinung


    Kein Leser kann behaupten, er sei ohne Vorwarnung in dieses Buch geraten. Zu grausam und unmissverständlich ist die zitierte Stelle aus dem Bericht eines schwedischen Arztes, wonach man sich Tierversuche wegen der hohen Kosten für Kälber nicht leisten könne und daher mit „gütiger Erlaubnis des Oberarztes“ Experimente mit Findelkindern durchführen werde.
    Ende des 19. Jahrhunderts machte die Medizin und auch die Psychiatrie und Neurochirurgie gewaltige Fortschritte. In Paris befand sich eine der berühmtesten Kliniken, die Salpêtrière, in der Dr. Charcot seine aufsehenerregenden Experimente durchführte.
    Hier möchte der junge Mediziner Jori Hell seine Doktorarbeit verfassen, nicht zuletzt, um seiner psychisch kranken Geliebten helfen zu können. Begeistert von der Persönlichkeit Charcots und den Möglichkeiten, die diese Klinik bietet, kündigt Jori an, an dem Mädchen Runa die erste Gehirnoperation an einer lebendigen Patientin durchzuführen und gerät in den Konkurrenzkampf der etablierten Ärzte, denen jedes Mittel recht ist, Aufsehen zu erregen und Ruhm zu ernten.
    Aus der Sicht ganz unterschiedlicher Personen entwickelt die Autorin eine verstörende und bis zuletzt spannende Geschichte.
    Selten habe ich mich mit einem historischen Roman so schwer getan. Der Autorin gelingt es, ihre Leser mitzunehmen in diesen Ort des Grauens, in eine Zeit, die so weit entfernt scheint. Immer wieder habe ich mich gefragt, wie ich mich auf diese Geschichte einlassen kann, ohne mit den Maßstäben, die wir heute an medizinische Forschungen stellen (oder wenigstens stellen sollten) über die damals lebenden Personen zu urteilen und sie damit zu verurteilen.
    Das liegt sicherlich an der Genauigkeit, mit der Vera Buck sowohl die Zustände in der Salpêtrière als auch in Paris schildert. Teilweise schien mir das Buch eher eine Dokumentation als ein Roman zu sein.
    Zudem habe ich einige Handlungsstränge zunächst gar nicht einordnen können. Mir war weder klar, was die einzelnen Personen darstellen, noch was der Zusammenhang mit der restlichen Handlung sein könnte.
    Das ging so lange, bis nach etwa der Hälfte des Buches die ersten Zusammenhänge zu erahnen waren und ich es als das lesen konnte, was es ist: ein Roman vor dem Hintergrund realer Ereignisse. Da hat mich die Geschichte dann wirklich gepackt. Mir hätte es sicher geholfen, gerade die Personen, die mit dem medizinischen Geschehen nichts zu tun hatten, etwas ausführlicher zu beschreiben, ihnen mehr Raum zu widmen. Nicht um schon alle Rätsel früher aufzulösen, sondern um dem Roman noch mehr das Dokumentarische zu nehmen.
    Ihr merkt, das Buch hat mich sehr beschäftigt und es ist eine sehr persönliche Beschreibung geworden.
    Ich empfehle es allen, die historische Romane mögen, sich für die Geschichte der Psychiatrie interessieren und dabei nicht allzu zart besaitet sind.

  • Es fällt mir sehr schwer eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben, denn selten hat mich ein Buch so polarisiert wie dieser historischer Roman um den Medizinstudenten Jori und das sonderbare Mädchen Runa.
    Die Handlung ist im Jahr 1884 in der Pariser Klinik Salpetrière, einer Anstalt für psychisch kranke Frauen, angesiedelt. Jori möchte unter dem berühmten Nervenarzt Professor Charcot promovieren, auch um seiner psychisch kranken Freundin Pauline mit seinen Forschungsergebnissen zu helfen. Sein Ziel ist es, die Krankheit aus dem Gehirn "wegzuschneiden".
    Als die kleine Runa in die Klinik kommt, an der sämtliche gängigen Behandlungsmethoden fehlschlagen, scheint sie die perfekte Versuchsperson zu sein...
    Viele der im Roman vorkommenden Personen sind historisch belegte Persönlichkeiten und auch die beschriebenen Behandlungsmethoden und medizinisch-wissenschaftlichen Forschungen haben tatsächlich so stattgefunden.
    Hier hat Vera Buck sehr genau und detailreich recherchiert und historische Fakten geschickt in die fiktive Geschichte um Runa und Jori eingebaut.
    Das ist aus rein wissenschaftlicher Sicht durchaus sehr interessant, denn viele der damals gewonnenen Erkenntnisse sind auch heute noch gültig, allerdings sind die beschriebenen Experimente an den Kranken aus unserer heutiger Sicht äußerst grausam und menschenverachtend. Hier geht die Autorin schon sehr ins Detail.
    Für mich war das phasenweise wirklich schwer zu ertragen und nur dem außergewöhnlichen Erzähltalent der Autorin ist es zu verdanken, dass ich das Buch nicht zur Seite gelegt habe.
    Auch über den etwas verworrenen Beginn des Romans hat mir der tolle Schreibstil hinweggeholfen. In der zweiten Hälfte des Buches wird es richtig spannend und die vielen losen Fäden laufen zusammen und bilden ein logisches Ende.


    Fazit: Dieser Debütroman ist etwas Besonderes und überzeugt vor allem durch seinen außergewöhnlich mitreißenden Sprachstil. Die Story ist intelligent konstruiert, der medizinisch-wissenschaftliche Hintergrund gut recherchiert und in die Handlung integriert.
    Aber: Viele Szenen im Buch sind äußerst grausam und nichts für zarte Gemüter.
    Bei der Vorstellung was damals im Namen der Wissenschaft mit den bedauerlichen Patientinnen angestellt wurde, kann man sich nur mit Grausen abwenden. Für mich hätte es hier etwas weniger detailliert sein können und daher mache ich Abstriche bei der Bewertung.


    7 Punkte

  • Scvhon der Klappentext macht deutlich, dass es in diesem Buch ziemlich grausam zu gehen wird, trotzdem hat mich gleich der Einstieg doch härter getroffen als erwartet, die Autorin beschreibt die Vorgänge in der Salpetrière sehr eindrucksvoll und die Tatsache, dass das alles auf historischen Fakten beruht, macht das Lesen nicht leichter.
    Aber gerade diese detailreichen historsichen Fakten machen das Buch lesenswert.
    Die noch zusätzlich eingebaute Krimihandlung passt sehr gut zum Rest, allerdings fehlt hier ein bisschen die Spannung.
    Allein das Ende um Lequoc hat mich ziemlich enttäuscht, vielleicht habe ich da aber auch einfach was nicht richtig verstanden.


    7 Punkte

  • Die psychiatrische Klinik Salpétriére in Paris zum Ende des 19. Jahrhundert ist berühmt für ihre Behandlungen von hysterischen Patienten .Sehr detailliert werden diese Methoden unter der Dominanz der behandelten Ärzte geschildert und verlangen vom Leser einiges.
    Der damaligen Wissensstand der Psychiatrie und Neurologie mit vielen bekannten Persönlichkeiten wurden in diesen Roman sehr gut umgesetzt.
    Runas Verhalten irritiert die Ärzte. Jori will sie behandeln und versucht hinter ihr Schicksal zu kommen.
    Lange rätselt man über den Zusammenhang der verschiedenen Handlungsstränge um die graugezeichneten Charaktere Maxime, Lecoq und Jori. Nebenfiguren werden bildhaft beschrieben und es wechseln sich düstere - und humorvolle Szenen ab.


    Der spannende, intensive Roman überzeugt durch seinen faszinierenden Schreibstil, in dem Fiktion und Realität sich vermischen. Ein gelungenes Debüt der Autorin.


    9/10 Eulenpunkten

  • Inhalt:
    Frankreich 1884: in der Salpêtrière, der berühmten Pariser Klinik, herrscht Dr. Charcot – seines Zeichens der bedeutendste Neurologe seiner Zeit und Experte der Hysterie. Unter seinen Fittichen leben unzählige Frauen in der Klinik, die er seinen aufmerksamen Studenten und Ärzten couragiert in seinen Vorlesungen nahe bringt. Das tut er eindringlich und auf eine unnachahmliche Weise – die Zuhörer hängen an seinen Lippen und Ohren und zweifeln kaum an seinen Ausführungen.
    So auch nicht der Schweizer Student Jori, der hier seinen Doktor machen will, um seine Jugendliebe Pauline heilen zu können, die erkrankt ist. Bis jetzt hat er noch kein passendes Thema für seine Doktorarbeit gefunden und geht dafür ganz im Schatten des großen Charcot auf. Bis diesem eines Tages bei einer Vorlesung ein unglaublicher Vorfall passiert – eine junge Patientin weigert sich, von ihm hypnotisiert zu werden, sie reagiert ganz einfach gar nicht. Charcot ist sprachlos, schafft es aber, den Vorfall gekonnt zu überspielen, indem er die Zuhörerschaft auffordert, eine mögliche Diagnose zu stellen. Ehe Jori sich versieht, meldet er sich und erklärt dem verblüfften Arzt und dem Publikum, er würde in seiner Doktorarbeit daran arbeiten, den kranken Frauen ihre Hysterie aus den befallenen Gehirnbereichen herauszuoperieren und dies an Runa versuchen wollen….Zu seiner Überraschung stimmt Charcot zu und Jori darf mit Runa arbeiten.
    Doch Runas Dunstkreis passieren eigenartige Dinge – die Pflegerinnen haben Angst vor ihr, Jori sieht merkwürdige Zeichen in der Klinik und verzweifelt fast an der geplanten Operation.
    Währenddessen tauchen in Paris merkwürdige Schriftzeichen auf, auch an zwei Schauplätzen von Verstorbenen. Hat alles mit dem Kind zu tun oder treibt jemand anderes sein Unwesen?


    Meine Meinung:
    Vera Bucks Debut hat mich sehr ratlos und zwiegespalten zurück gelassen. Es ist einer der wenigen Romane, bei denen ich wirklich überlegt habe, ob es besser gewesen wäre, ihn gar nicht erst gelesen zu haben.
    Geschrieben ist das Buch ausgesprochen gut! Atmosphärisch dicht, spannend und sehr informativ. Einige bekannten Gesichter und Namen aus der Medizin tauchen hier auf und es ist ausgesprochen interessant, die wissenschaftlichen Entwicklungen dieser Zeit zu verfolgen.
    Gleichzeitig jedoch ist der Roman auch ausgesprochen düster und unheimlich – das liegt aber für mich nicht unbedingt nur an Runa und ihrer Geschichte, sondern auch schlicht und ergreifend daran, wie die Autorin den Alltag an der Klinik schildert und den Umgang mit den kranken Frauen. Für damalige Verhältnisse waren die Erkenntnisse Charcots und Co. bahnbrechend und gewiss revolutionär. Trotzdem wurden die Frauen derart entmündigt und herablassend von den Medizinern behandelt, dass es schwer zu fassen ist. Von den Behandlungsmethoden mal ganz abzusehen.
    Dieser Punkt ging mir so an die Nieren, dass für mich die positiven Aspekte dagegen leider ziemlich untergegangen sind. Es war stellenweise einfach kaum erträglich, weiterzulesen, auch wenn es natürlich vollkommen klar ist, dass es zu dieser Zeit gar nicht anders möglich war, vom heutigen Gesichtspunkt aus gesehen.
    Vielleicht bin ich auch nur zu zart besaitet, was das angeht oder schlicht und ergreifend der falsche Leser für dieses Buch! Ich weiß es nicht. Ich war wirklich sehr neugierig und habe mir viel davon versprochen, was „Runa“ schlussendlich auch gehalten hat. Trotz des sehr guten Stils und der sehr guten Idee bleibt für mich ein unangenehmer Nachgeschmack, der das Wort Lesespaß in Zusammenhang mit diesem Buch leider überlagert.


    7 von 10 Eulenpunkten

  • Ende des 19. Jahrhunderts hat in der Pariser Salpêtrière der Neurologe Jean-Martin Charcot das Sagen. Er gilt als Kapazität und zieht viel versprechende Studenten und junge Ärzte, wie etwa Georges Gilles de la Tourette an. Seine Dienstagsvorlesungen, zu denen auch normale Pariser Bürger Zutritt haben, sind gut besucht, denn hier führt er seine Patientinnen vor – und macht eine große Show daraus, führt z. B. Anfälle herbei.


    Johann Richard Hell, Jori genannt, ein junger Schweizer Medizinstudent, ist nach Paris gekommen, um Heilung für seine Freundin Pauline zu finden. Als das Mädchen Runa in die Salpêtrière eingeliefert wird, glaubt er, durch sie eine Möglichkeit gefunden zu haben. Allerdings ist Runa eine besondere Patientin, die nicht nur Joris Leben durcheinander wirbelt.


    Monsieur Lecoq, ehemaliger Mitarbeiter der Sûreté, ist auf der Suche nach der Ehefrau eines Bekannten. Dabei fallen ihm immer öfter merkwürdige Schriftzeichen auf. Hat jemand in ganz Paris Nachrichten hinterlassen? Doch was bedeuten sie und in welchem Zusammenhang stehen sie mit mehreren Todesfällen?


    Vera Buck hat einen sehr komplexen Roman erschaffen, der nicht nur in das Paris des 19. Jahrhunderts führt, sondern auch ein Stück Medizingeschichte aufzeigt, das heute regelrecht gruselig anmutet. Der Roman ist nicht leicht zu lesen. Nicht nur die Thematik, die Zurschaustellung der Patientinnen, die Therapien an und die Versuche mit ihnen, die Diagnostiken, die Frauen, die sich nicht gesellschaftlich angepasst benehmen, als psychisch krank abstempeln, ist heftig und schockiert, auch die Art der Erzählung mit vielen Handlungssträngen, die zunächst scheinbar wenig miteinander zu tun haben und oft Rätsel aufgeben (am Ende aber zufriedenstellend ineinanderlaufen), lässt ein Zwischendurchlesen nicht zu, man muss den Roman sehr konzentriert lesen.


    Dazu kommt, dass der Roman wenig Hinweise gibt auf das tatsächliche historische Geschehen, auf die auftretenden historischen Persönlichkeiten, auf tatsächliche medizinische Gegebenheiten. Man muss viel selbst recherchieren, was per se nicht schlecht ist, aber ein Personenverzeichnis (mit Angabe der historischen Persönlichkeiten und Hintergrundinformationen zu ihnen) sowie ein Glossar oder ein ausführlicheres Nachwort, das mehr Informationen über Fiktion und Wirklichkeit enthält, wäre schön gewesen, ebenso wie eine Karte, um die einzelnen Handlungsorte einordnen zu können. Immerhin enthält das Buch eine Bibliographie für weiterführende Lektüre.


    Schwierig finde ich auch mitunter die zeitliche Einordnung der Geschehnisse. Findet alles in einer Zeitlinie statt oder ist diese oder jene Storyline eine Rückblende? Da hätte es geholfen, wären Zeitangaben eingesetzt worden, oder wenigstens die Rückblenden gekennzeichnet worden (z. B. mit „ Drei Jahre vorher“). So musste man sich weitere Fragen stellen, die unnötig gewesen wären.


    Trotz seiner Komplexität lässt sich der Roman gut lesen, man muss sich einfach nur auf ihn einlassen. Er macht neugierig darauf, wie alles zusammenhängt und gespannt darauf, ob gewisse Ereignisse eintreten werden. Auch miträtseln kann man, mitzittern sowieso.


    Sehr gut hat mir gefallen, dass Vera Buck trotz des Themas auch immer wieder, wenn auch etwas speziellen, Humor in ihren Roman einflicht und damit wunderbare Sätze kreiert, die mich zum Schmunzeln bringen, z. B.: "Frische Nachtluft schwappte mit einer Dringlichkeit in den Raum, als wüsste sie, dass sie später keine Gelegenheit mehr dazu haben würde" (S. 82) oder "... Haare, die ihr wie schlecht verrührtes Eiklar vom Schädel tropften" (S. 170) oder auch "Die Heilige Nacht legte sich in diesem Jahr zusammen mit einem Schneesturm über die Stadt" (S. 515). Die ausgereifte Sprache und die gut durchdachte Geschichte lassen zudem immer wieder vergessen, dass es sich hier um einen Debütroman handelt. Ich bin sehr auf Vera Bucks weitere Werke gespannt.


    Der Roman hat mich von Anfang an gepackt und mir bis zum Ende gut gefallen. Immer wieder wurde ich angeregt, mich weiter mit der Thematik und den Akteuren zu befassen, die Auflösung und das teilweise offene Ende sind passend und gut gelungen. Ich empfehle den Roman sehr gerne weiter, man sollte aber nicht allzu zartbesaitet sein und komplexe Romane mögen, ebenfalls sollte man bereit sein, sich mit den geschichtlichen und medizinischen Hintergründen auseinanderzusetzen – dann erhält man einen einzigartigen Roman, der noch lange nachwirken wird. Für mich eines der interessantesten Bücher, die ich in diesem Jahr gelesen habe.

  • Zunächst auch hier noch einmal vielen Dank an Wolke für die Organisation und an Vera Buck für die Begleitung der Leserunde sowie an Rumpelstilzchen für das Ausleihen ihres Exemplars.
    Weil zum Inhalt schon vieles geschrieben wurde, beschränke ich mich darauf, wie er auf mich wirkte.
    Ein vielseitig interessantes, mit Thrillerelementen, Medizinaspekten und einem historischen Hintergrund eigentlich mehreren Genres zuordenbares, informatives und spannendes Buch, das mich trotzdem recht unschlüssig zurück lässt.
    Gut gefallen hat mir, dass reale Personen wie beispielsweise die Ärzte Charcot, Pasteur und Tourette, mehr oder weniger große Rollen spielten und ich während des Lesens stets das Gefühl hatte, dass die Autorin sich sehr intensiv mit dem Themenkreis befasst und auseinandergesetzt hat.
    Allerdings hätten ein Personenverzeichnis und Karten, auf denen einmal die einzelnen Schauplätze überhaupt und dann die Räumlichkeitesanordnungen innerhalb der Salpêtrière aufgeführt wären, zum noch besseren Verständnis beitragen können.
    Einige Szenen sind sehr grausam. Den Eindruck, die Autorin setze ganz bewusst auf Sensationseffekte, gewann ich jedoch an keiner Stelle.
    Die Szenen sind sehr authentisch und bei aller Grausamkeit bis zu einem gewissen Grad mit dem damaligen Stand der Wissenschaft zu erklären, karrierebestrebte Ärzte und andere menschliche Schwächen wie Gleichgültigkeit, Feigheit oder Inkompetenz tun das Ihrige dazu.
    Das alles empfand ich beim Lesen als sehr belastend. Ich stehe zwar schon lange auf dem Standpunkt, dass der Leser von heute in der Lage sein sollte, wenigstens auf dem Papier zu ertragen, was andere Menschen in der Realität erleben mussten (und es oft genug nicht überlebt haben), aber diesem Anspruch konnte ich hier nur schwer gerecht werden.
    Das macht es schwierig, das Buch zu bewerten, denn das Buch kann ja gut geschrieben sein, auch, wenn es von schlechten Dingen handelt.
    Nach langem Überlegen habe ich mich schließlich für 7 von 10 möglichen Eulenpunkten entschieden.
    Ein weiteres Buch von Vera Buck würde ich wohl lesen; auch würde ich dieses hier weiterempfehlen, aber stets mit einer entsprechenden Warnung.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Ich musste das Buch erst mal sacken lassen, ehe ich eine Rezi schreiben konnte. Hier ist ja auch schon viel geschrieben worden.


    Mir hat das Buch gut gefallen, auch wenn ich teilweise sehr erschrocken und angewidert von den Umständen war, die in dem Buch beschrieben werden. Das Buch ist nicht geeignet für Leser, die zartbesaitet sind, hier muss man schon einiges verdauen. Die menschenverachtende und unwürdige Weise, wie mit kranken Frauen umgegangen worden ist und wie alles um Macht und Ansehen einzelner Ärzte oder Wissenschaftler geht ist schon heftig. Was mir beim Lesen immer im Hinterkopf gewesen ist, so oder so ähnlich hat es sich tatsächlich ereignet. Ein Grund für mich, nicht die Augen zu verschließen und natürlich auch ein Grund, dankbar zu sein, in der heutigen Zeit zu leben.


    Von mir eine klare Leseempfehlung für alle, die sich für die Anfänge der Psychiatrie und der Medizin interessieren, die nicht gerade zart besaitet sind und ein außergewöhnliches Buch lesen wollen. Von mir gibt es gute 8 Eulenpunkte.

  • Vera Buck ist mit RUNA ein wirklich beeindruckender Debütroman gelungen. Äußerst eindringlich werden die Zustände und Behandlungsmethoden in den Irrenhäusern im 19. Jahrhundert geschildert. Das ganze gepackt in ein wenig Liebesgeschichte um den jungen Arzt Jori und ein wenig Kriminalroman um den ehemaligen Polizeibeamten Leqoc. Dieser hat sich im Laufe des Romans zu meiner Lieblingsfigur gemausert, da er immer wieder ein wenig Humor in die Geschichte bringt, die ansonsten doch ziemlich düster und ans Gemüt gehend ist. Denn dass die geschilderten Zustande traurige Tatsache waren, das muss erst einmal verdaut werden.
    Manche Erzählstränge kann man zu Anfang nicht gleich zuordnen, am Ende entwirrt sich aber dennoch alles. Was ich nicht gebraucht hätte war die Stelle von Lecoq als Romanfigur. Was die Autorin damit bezwecken wollte ist mir unklar. Aber das ist gut zu verschmerzen und tut der Qualität des Romans keinen Abbruch. Ich kann mir gut vorstellen, weitere Romane der Autorin ebenfalls wieder zu lesen.
    Ich vergebe 9 Eulenpunkte

    Ich lese grade:


    Der Herr des Turms - Anthony Ryan
    ________
    Save the earth - it's the only planet with chocolate!

  • Ein grauer und windiger Novembertag wie heute ist eigentlich der perfekte Tag um in einem Buch wie diesem zu lesen. Die Atmosphäre passt dann nämlich bestens zu den bedrückenden und trübsinnigen Verhältnissen in dem Pariser Krankenhaus für geisteskranke Frauen in dem die Geschichte 1884 spielt.


    Wir erfahren von wirklichen historischen Personen, wie zum Beispiel dem Arzt Charcot, der von seinen Studenten wie ein Gott verehrt und gefürchtet und von den Kollegen geachtet und beneidet wird. Einer seiner Studenten ist Jori, ein junger Schweizer, der nach Paris gekommen ist um dort endlich seinen Doktor zu machen. Er erhofft sich davon Pauline, die Schwester seines besten Freundes und seine große Liebe, von ihrer Hysterie heilen zu können. Und da wären wir auch beim Stichwort. So ziemlich jegliche Spielart von Geisteskrankheit und Nervenleiden wurde damals unter diesem Begriff versammelt. Die Methoden, mit denen man hoffte, wenn schon nicht zu heilen dann doch „ruhiger zu machen“, waren haarsträubend bis grauenhaft. Von der Ovarienpresse über kalte Güsse und Bäder bis zur Klitorisamputation war alles erlaubt, da die Familien der Kranken entweder rat- und hilflos waren oder einfach nur froh, den idiotischen Verwandten weit weg zu wissen.


    In Charcots kleine Freakshow Vorlesung, in der die zuckenden und verängstigten Frauen einem johlendem männlichen Publikum, das nicht nur aus Studenten besteht, vorgeführt wird, kommt ein kleines Mädchen, dessen wirklichen Namen niemand kennt, das aber „Runa“ genannt wird. Und dieses Mädchen tut das Unerhörte: Es verweigert die Zusammenarbeit mit dem großen Charcot, weigert sich, eine weitere seiner Marionetten zu sein und am Faden für das Publikum zu tanzen. In diesem rätselhaften Widerstand sieht Jori plötzlich seine Chance auf eine Doktorarbeit und vor dem gesamten Auditorium ruft er diesen Wunsch laut heraus: Er wird Runa durch eine Gehirnoperation heilen!


    Ab da beginnt diese Geschichte eigentlich erst so richtig, die so viele Fäden hat, und noch so viele andere Figuren, wie den Polizist a.D. Lecoq, der nur deshalb bei der Polizei gekündigt hat, weil ihm bewusst wurde, dass er aufgrund seiner Physiognomie ja nur ein Verbrecher sein kann, der junge Maxime, der seltsame Zeichen in seinem Kirchengesangsbuch findet, Frederic und Isabelle, ein junges Geschwisterpaar, das eigentlich nur einer Kutsche mit einem „wilden Tier“ gefolgt ist und plötzlich in die geheimnisvollen Ereignisse rund um die seltsamen Schriftzeichen und abstrakten Morde in Paris hineingezogen wird.


    Es ist kein einfaches Buch, allein schon aufgrund der Thematik nicht, die dem Leser einiges abverlangt und die einen immer wieder kopfschüttelnd und fassungslos zurücklässt. Die hier geschilderten Zeiten sind noch gar nicht so lange vorbei (in manchen Ländern der Erde vielleicht sogar noch gar nicht...). Viele der geschilderten Experimente und Therapien erfüllen uns mit Abscheu, und trotzdem müssen wir erkennen, dass auf der Grundlage dieser wilden Experimentierereien an „Menschenmaterial“ Teile unserer modernen Erkenntnisse fußen. Man könnte es als „wilde Pionierzeit“ der Psychiatrie / Neurologie bezeichnen.


    Der Schreibstil in dem diese grausige Geschichte uns präsentiert wird, ist passend und ganz wunderbar. Mir ist es mehrfach so gegangen, dass ich einzelne Sätze und Formulierungen nochmal für mich wiederholt habe, weil ich sie so gelungen fand. Und trotz des düsteren Themas blitzt immer mal wieder eine Art trockener Humor auf (am häufigsten in den Erzählsträngen um Lecoq) der das Elend zumindest ein bisschen erträglicher macht. Die Faszination der Gesamtkomposition hält den Leser gefangen, die Spannung wird aufgebaut, man will wissen, wie die einzelnen Teile schließlich zu einem Ganzen zusammenführen und inwiefern Runa das verbindende Element für sie alle ist. Und ob Jori tatsächlich wahrmachen kann, was er sich vorgenommen hat.


    Fazit: Ich war einfach nur schwer beeindruckt von diesem großartigen Buch. Dass es sich um ein Debüt handelt, steigert meinen Respekt vor der Autorin nur noch weiter, aber auch ohne diesen Zusatz ist es ein ganz außerordentliches Werk. Es hat mich sehr beschäftigt, es hat mich gegruselt und verstört, es hat mich fasziniert und gefesselt.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Um einschätzen zu können, ob man dieses Buch mag oder nicht, muss man es gelesen haben, denn hier gehen die Meinungen doch sehr auseinander.


    Ich gehöre nicht zur zartbesaiteten Fraktion und das Thema Psychologie, Hysterie, medizinische Entwicklung hat mich wirklich sehr angesprochen und hier brilliert die Autorin durchaus, da sie historische Fakten und medizinische Verfahren und Erkenntnisse der damaligen hervorragend recherchiert hat und in ihre Geschichte einfließen lässt, so dass man ein ziemlich genaues Bild von den damaligen Zuständen in den Psychatrien und Krankenhäusern bekommt.


    Dieses Bild ist allerdings eines, welches den Leser aus heutiger Sicht nur abstoßen und erschrecken kann, da es durchwegs menschenverachtend und frauenfeindlich ist. Die Ärzte gebärden sich wie Götter in weiß und schrecken auch vor Folter und Grausamkeit nicht zurück, um im angeblichen Dienste der Wissenschaft an den zumeist weiblichen Patienten Versuche und Operationen durchzuführen oder sie wie Zirkustiere den Studenten und Lehrärzten zu präsentieren.


    Diese widerwärtigen Szenen haben mich derart gestört, dass ich mich mit dem Buch einfach nicht anfreunden konnte. Hinzu kommt, dass keine der Hauptpersonen mir wirklich sympathisch war. Ja ich habe Mitleid mit den Patientinnen und mit Runa gehabt, ja es gibt ein paar nette Kinder die mit einem hartnäckigen Ermittler nach den Geheimnissen in der Geschichte suchen. Aber irgendwie war bei mir das Grundgefühl abgestoßen und negativ und ich habe mich ehrlich durch das Buch gequält.


    Meine Meinung wird der Leistung des Buches sicherlich nicht ganz gerecht aber es ist definitiv kein Buch für jedermann.
    Der Schreibstil war sehr gut aber die Geschichte und die Protagonisten haben mir nicht gefallen. Ich würde 6 Punkte vergeben.

    Hollundergrüße :wave




    :lesend








    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern daß er nicht tun muß, was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Die letzte Seite ist umgeblättert und ich musste erst Mal durchatmen. Mein Herz fühlte sich noch lange danach an wie Blei und lag schwer in meiner Brust. Solche Gefühle kenne ich eher aus Büchern, in denen mir Figuren besonders ans Herz wachsen und die ich nur ungern im zugeklappten Buch zurück lasse. In diesem Falle sind meine Empfindungen jedoch mehr der Thematik und dem Schicksal der meisten Figuren geschuldet.


    Die Autorin führt uns Leser zurück an die Anfänge der Psychiatrie. Ende des 19. Jahrhunderts werden in Paris Experimente mit und an hysterischen Patientinnen durchgeführt. Die sehr grausamen und unmenschlichen Versuche werden teilweise vor Publikum vorgenommen und alleine diese Beschreibungen verlangen einiges vom Leser ab. Es gab immer wieder Momente in denen ich kurz davor war, das Buch abzubrechen – zu unvorstellbar waren die monströsen Vorgänge in der Pariser Salpêtrière-Klinik. Doch jeweils im nächsten Moment hatte mich die Autorin mit einer ihrer perfekt gelungenen Formulierungen wieder am Wickel und die Geschichte um den Medizinstudenten Jori, der erfhoffte durch eine gewagte Hirnoperation am kleinen Mädchen Runa endlich seinen Durchbruch und somit den Doktortitel zu erreichen, entwickelte sich mehr und mehr zu einem wahren Lesesog.


    Obwohl es sich definitiv um kein Wohlfühlbuch handelt, hatte mich das Buch schon bald am Kragen gepackt und einfach nicht mehr losgelassen. Und ich bin überzeugt davon, dass es mich auch noch länger beschäftigen wird... Zu dunkel ist dieses frühe Kapitel der Psychiatrie, zu düster war die Atmosphäre in der Salpêtrière und viel zu spannend war der Plot an sich. Und vom Schreibstil ganz zu schweigen - auch wenn ich mich wiederhole: dieser hat mich erst recht begeistert mit immer wieder neuen, perfekt gelungenen Formulierungen, die eine so dichte und für den Leser körperlich spürbare Atmosphäre erschaffen haben.


    Ich kann der Autorin, Vera Buck, die mich mit ihrem Debut mehr als überzeugt hat, einfach nur danken für sehr aussergewöhnlich intensive, erschütternde, aufrüttelnde, informative und spannende Lesestunden, in denen auch der Humor seinen rechten Platz fand.


    Und Runa werde ich nicht so schnell vergessen….

  • Ich muss gestehen, dass ich das Buch jetzt erstmal ne Weile hab sacken lassen, da ich am Ende doch zu aufgewühlt war um darüber zu schreiben.


    Im Großen und Ganzen hat mir das Buch super gefallen, vor allem das Thema und auch die Umsetzung aus medizinischer und historischer Sicht. Das alles wurde wirklich sehr gut beschrieben und offensichtlich auch lange recherchiert. Daher Respekt!!


    Die Personen wirken glaubwürdig für dieses Jahrhundert und auch die Lebensumstände werden gut beschrieben.


    Insgesamt war das Buch sehr fesselnd und ich wusste lange nicht, wo es hinführen soll.


    Allerdings ist es bei mir immer schwierig, wenn ich fast keine der Protagonisten wirklich mag. Gerade mit Jori wurde ich gar nicht warm, seine Beziehung zu Pauline fand ich geradezu überflüssig. Lecoq mochte ich sehr, aber dann wiederum sein Ende gar nicht. Das war mir dann doch zu abstrakt/nebulös...
    Auch ist es schwierig für mich eine solche ärztliche Vergangenheit aus der heutigen Sicht einfach hinzunehmen ohne eine sehr starke Abneigung gegen alle Ärzte damals zu entwickeln, auch wenn wir sicher vielen viel zu verdanken haben. Aber alleine diese negativen Gefühle, die ständig hochkommen, und keiner, keiner ist wirklich besser als die anderen, das löst bei mir einfach ein negatives Gefühl auf das Buch aus, auch wenn die Autorin ja nichts dafür kann, dass es damals so zu ging. Sicher, es wurde toll geschildert, aber mir hat sich wirklich bei dem Verhalten manchmal der Magen umgedreht und ich bin wirklich nicht zimperlich.


    Daher leider keine 10, sondern nur 8 Punkte!

  • Ich habe "Runa" jetzt auch erst einmal 2 Wochen sacken lassen müssen.



    Zum Inhalt wurde ja schon viel geschrieben, daher beginne ich gleich mit meiner Meinung:


    Es ist einfach kein Buch bei dem man gleich begeistert eine Rezi drauflos schreiben kann, es ist ein Buch das nachwirkt, und über das ich noch einige Male intensiv nachgedacht habe.
    Runa ist ein unbequemes Buch, generell kein schönes Thema handeln hier auch alle Figuren dem Thema angemessen nicht schön, und vor allem nicht sympathisch. Lieblinge und Sympathieträger sucht man als Leser vergebens, und so manches Mal bleibt einem beim Lesen einfach nur die Spucke weg. Mir persönlich macht das nichts aus - es gibt nichts Schlimmeres als Personen die blass und farblos bleiben, das ist hier nicht der Fall - sympathisch müssen mir die handelnden Personen nicht unbedingt sein. Der Autorin gelingt es ganz hervorragend, das düstere, morbide Bild einer Psychiatrie im ausgehenden 19. Jahrhundert einzufangen und zu transportieren.
    Die Geschichte ist rundum stimmig, auch der Krimi-Teil um Monsieur Lecoq war toll erzählt, ein bisschen in die Richtung eines Sherlock Homes, schrullig, skuril und nicht immer politisch korrekt - schließlich ist Herr Lecoq ja auch eigentlich ein Verbrecher ;)
    Besonders hervorheben möchte ich die wunderschöne Sprache des Buches, auch ich habe mir des öfteren einen Satz nochmal durchgelesen, oder sogar eingemerkt, das kommt bei mir eher selten vor.
    Wie es sich für einen anständigen historischen Roman gehört huschen auch hier einige Persönlichkeiten durchs Bild, die Herren Pasteur und de la Tourette haben ihre Auftritte, auch ein Apothekersohn namens Lindt fängt an im Schokolade-Geschäft mitzumischen. All diese Kleinigkeiten machen "Runa" für mich zu einem perfekten Schmöker.


    Fazit:


    mich hat "Runa" völlig überzeugt. Auch wenn das Thema kein angenehmes ist, so ist es doch unglaublich interessant. "Runa" hat mich dazu gebracht mich völlig darauf zu konzentrieren (normalerweise lese ich immer um die 4 Bücher gleichzeitig, das war hier nicht möglich), "Runa" hat mich in meinem Lesetempo völlig ausgebremst, ich wollte einfach Nichts überlesen und habe deswegen langsam gemacht.


    Ich vergebe begeisterte 10 Punkte und werde die Autorin im Auge behalten :)

  • Mit Runa hat die junge Autorin Vera Buck einen Roman geschrieben, der unter die Haut geht und wohl auch polarisiert.
    Für mich war es eines der seltenen Bücher, bei denen ich am Ende feststelle - ein großartiges Buch, aber gefallen hat es mir nicht.


    So spannend und interessant die damaligen Forschungen auf dem Gebiet der Neurologie sein mögen, mit der Art und Weise wie sie hier geschildert werden, kam ich nicht gut zurecht. Die meiste Zeit ist es mir nicht gelungen, im Hinterkopf zu behalten, dass unser heutiger wissenschaftlich-medizinischer Kenntnisstand auf diesen Experimenten basiert. Die Beiläufigkeit, mit der unglaublich menschenverachtende Denk- und Handlungsweisen als Fakten serviert werden, fasziniert zwar auf der einen Seite irgendwo, aber mir wurden die grausigen Vorgänge in der Pariser Salpetrière definitiv zu detailliert geschildert. Obwohl (oder wahrscheinlich sogar weil) sie vermutlich der Wahrheit entsprechen.


    Die Figuren erschienen mir allesamt wie aus einem Kuriositätenkabinett und ich fragte mich des Öfteren, ob überhaupt irgendjemanden in dieser Geschichte auch nur annähernd als normal bezeichnen bezeichnet werden könnte.


    Der Roman ist zweifellos gut geschrieben. Klasse Dialoge, sowie die überaus ansprechenden, weil in der Wortwahl so originellen Beschreibungen haben mir sehr gefallen und mich letztlich bei der Stange gehalten. Aber mir fehlte der rote Faden einer überschaubaren Handlung. Nach meinem Eindruck verliert sich die Autorin vielfach zu sehr in Details. Einzelne Szenen und Figuren wurden wirklich großartig beschrieben und reihten sich wie kleine Perlen aneinander, nur fügten sich diese bei mir nicht zu einem stimmigen und spannenden Ganzen zusammen.


    Für mich war in dieser Geschichte nahezu alles verstörend, beklemmend und bizarr. Das Thema, seine Ausarbeitung und die Figuren. Nur in sprachlicher Hinsicht konnte ich Runa wirklich etwas abgewinnen.


    Eine Bewertung möchte ich nicht vornehmen, weil ich trotz all meiner subjektiven Ablehnung der Meinung bin, dass Vera Buck ein geniales Buch geschrieben hat, das eben einfach nicht „mein Ding“ ist.

  • Zum Inhalt muss nichts mehr geschrieben werden, das wurde schon ausführlich erläutert.


    "Runa" ist ein Buch, was mich sehr zwiegespalten zurücklässt.


    Ich hab mich sehr auf die Leserunde gefreut, vor allem weil sie mit Autorenbegleitung stattgefunden hat.


    Leider hatte ich dann immer nur wenig Zeit, um mit dem Lesen voranzukommen, und gerade "Runa" ist ein Buch, bei dem man dran bleiben muss.


    Es gibt soviele verschiedene Handlungsstränge, die so verwirrend sind und zunächst überhaupt nichts miteinander zu tun haben, so dass man nicht mehr durchblickt, wenn man den Faden erst mal verloren hat.


    Lange am Stück lesen lässt sich das Buch aber auch nicht, weil es eine sehr düstere Thematik und Atmosphäre hat.


    Ich kann nur sagen, die Autorin hat außerordentlich gut recherchiert, man erfährt viele Details aus der Zeit und das ist auf Grund des jungen Alters der Autorin wirklich mehr als bemerkenswert!


    Sie schreibt auch in einem Stil, der eigentlich auf einen sehr erfahrenen Autor schließen lässt - dabei ist das ein Debütroman!


    Und die Thematik des Buches ist außergewöhnlich und spektakulär!


    Dennoch war es leider nichts für mich, denn es war mir irgendwie zu düster und hat sich zu sehr in die Länge gezogen.