Ulrike Renk - Jahre aus Seide

  • Produktinformation


    Taschenbuch: 576 Seiten

    Verlag: Aufbau Taschenbuch; Auflage: 1. (7. Dezember 2018)

    ISBN-10: 3746634415

    ISBN-13: 978-3746634418


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    Kurzbeschreibung


    Träume aus Seide in Zeiten des Aufruhrs.


    1932: Ruth hat eine unbeschwerte Jugend. Die meiste Zeit verbringt sie in der Villa des benachbarten Seidenhändlers Merländer. Sie ist fasziniert von den kunstvoll bedruckten Stoffen, lernt Schnittmuster zu entwerfen und Taschen und Zierrat zu fertigen. Und sie begegnet Kurt, ihrer ersten großen Liebe. Als die Nazis an die Macht kommen, scheint es für sie keine Zukunft zu geben, denn sie sind beide Juden. Kurts Familie trägt sich mit dem Gedanken auszuwandern, auch Ruth soll gegen ihren Willen ihr Elternhaus verlassen. Und dann kommt der Tag, an dem das Schicksal ihrer Familie in Ruths Händen liegt.


    Eine dramatische Familiengeschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht.



    Autorin


    Ulrike Renk, geboren 1967 in Detmold, zog ein paar Jahre später mit Eltern und Bruder nach Dortmund, wo sie auch die Schule besuchte. Studienaufenthalt in den USA, Studium der Anglistik, Literaturwissenschaften und Soziologie an der RWTH Aachen. Sie ist Mutter von vier Kindern. Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem jüngsten Sohn, zwei Alaskan Malamute, drei ordinären Hauskatzen und zwei indischen Laufenten, in Krefeld am Niederrhein und arbeitet als freie Autorin.



    Meine Meinung


    Der erste Band der Trilogie beginnt im unbeschwerten Jahr 1926 und der Leser lernt Ruth Meyer und ihre Familie kennen. Der Vater ist mit seiner Schuhkollektion während der Woche unterwegs und Martha, die Mutter, umsorgt die beiden Töchter Ruth und Ilse. Mit ihrer eigenen Mutter hat Martha ein eher problematisches Verhältnis, aber mit den Schwiegereltern versteht sie sich ausgesprochen gut. Nachdem es dem Ehepaar Meyer finanziell gut geht, planen sie den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garten in einer ruhigeren Gegend. Martha geht vollkommen in der Planung und der Organisation ihres Haushalts auf. Man lernt Martha als sehr liebevolle Mutter kennen und ein Satz von ihr spricht Bände „Wenn es den Kindern gut geht, geht es mir auch gut“. Nach dem Umzug wird Personal eingestellt, hier zeigt Martha ein glückliches Händchen und verhält sich gegenüber ihren Angestellten sehr freundlich und verständnisvoll. Eine ganz besondere Beziehung baut sich zwischen dem Chauffeursehepaar Aretz und Familie Meyer auf. Das geht so weit, daß die beiden Familien gemeinsame Urlaube verbringen. Kaum im neuen Haus eingezogen, freundet sich Tochter Ruth mit dem Nachbarsmädchen Rosi an und hält sich im Haus des Kaufmanns Merländer sehr gerne auf. Dort lernt sie sehr viel über Stoffe, das Schneidern und die Kunst. Ihre Freundschaft mit Rosi geht sogar so weit, daß Ruth beim Christbaumschmücken hilft und Martha nun auch Tannenzweige in eine Vase stellt. Sie schafft damit die Verbindung von Chanukka und Weihnachten. Es scheint alles bestens bis zu dem Tag als braune Wolken am Himmel aufziehen, Hitler Reichskanzler wird und einige jüdische Familien in ihrer Not eine Auswanderung nach USA oder Palästina in Betracht ziehen. Opern- und Schwimmbadbesuche sind nicht mehr möglich. Familienvater Karl Meyer kauft noch ein Wochenendhäuschen am Rhein, in das sie sich mit ihren Freunden zurückziehen können. Ruth ist aufgeweckt und darf als einziges Mädchen ins Lyzeum, allerdings wird sie wegen ihrer jüdischen Familie bei den Benotungen oftmals benachteiligt. Sie muß sich von ihrer Familie trennen und lebt nun im weit entfernten Bayern. Ebenso diskriminiert wird Martha bei ihrer Führerscheinprüfung und es geht ihr mittlerweile deutlich sichtbar an die Gesundheit. Ihre Welt wird immer bedrohlicher und dieser Band endet mit den Gräueltaten am 10.11.1938!


    Dieser ist nur ein ganz kleiner Abriß der Geschichte. Ein Tagebuch als Zeitzeugnis war die Basis für diesen Roman. Ulrike Renk hat die Aufzeichnungen ergänzt, um diesen dramatischen ersten Band zu schreiben. Mehr Details dazu erklärt sie im Nachwort. Es handelt sich um kein Wohlfühlbuch, dazu ist das Thema nicht geeignet, es zeigt aber in aller Deutlichkeit, was nie mehr passieren darf. Durch das bewusste Herausgreifen einer einzelnen Familie samt ihren Gefühlen und Ängsten, das der Leser hier erlebt, ist es besonders eindringlich, berührend und bewegend. Die Figuren wurden liebevoll charakterisiert, auch die Örtlichkeiten und die Atmosphäre wurden so bildlich beschrieben, daß ich als Leser völlig eintauchen konnte und auch die Jugendsprache wirkte authentisch. Die beklemmenden Zustände und die beginnende Bedrohung für die jüdische Bevölkerung wurden gut vermittelt und waren für mich deutlich spürbar.


    Ich habe bereits die Australien-Schwestern und die Ostpreußen-Saga gelesen und auch mit diesem Buch hat mich die Autorin wieder begeistert. Es ist spannend geschrieben und ich habe es innerhalb kürzester Zeit gelesen. Jetzt heißt es warten auf den nächsten Band „Zeit aus Glas“. Von mir gibt es auf jeden Fall eine Leseempfehlung!

  • ASIN: B07CJR1SS5


    Über die Autorin (Amazon)

    Ulrike Renk, geboren 1967 in Detmold, zog ein paar Jahre später mit Eltern und Bruder nach Dortmund, wo sie auch die Schule besuchte. Studienaufenthalt in den USA, Studium der Anglistik, Literaturwissenschaften und Soziologie an der RWTH Aachen. Sie ist Mutter von vier Kindern. Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem jüngsten Sohn, zwei Alaskan Malamute, drei ordinären Hauskatzen und zwei indischen Laufenten, in Krefeld am Niederrhein und arbeitet als freie Autorin.

    2005 erschien ihr erster Krimi "Seidenstadt Leichen" bei einem kleinen lokalen Verlag und hatte einen überraschenden Erfolg. Fünf weitere Krimis um Hauptkommissar Jürgen Fischer aus Krefeld folgten. Die ersten Bände werden 2017 erneut als Printausgabe im Gmeiner Verlag erscheinen.


    2008 erschien ihr Thriller "Echo des Todes" im Aufbau Verlag, 2009 die Fortsetzung "Lohn des Todes".

    2010 erschien ihr erster historischer Roman "Die Frau des Seidenwebers" und läutet die Reihe historischer Roman beim Aufbau Verlag ein - es folgten: "Die Heilerin" (2011), "Die Seidenmagd" (2012) und die Bestseller "Die Australierin" (2013), "Die australischen Schwestern" (2015), "Das Versprechen der australischen Schwestern") (2016) und 2017 der Auftakt der Gutsfrauenreihe "Das Lied der Störche". Im Oktober 2017 wird der zweite Band "Die Jahre der Schwalben" erscheinen.


    Produktinformation (Amazon)

    Format: Kindle Edition

    Dateigröße: 1884 KB

    Seitenzahl der Print-Ausgabe: 549 Seiten

    Verlag: Aufbau Digital; Auflage: 1 (7. Dezember 2018)

    Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.

    Sprache: Deutsch

    ASIN: B07CJR1SS5


    Ruth Meyers Schicksal: Kindheit und Jugend

    Ruth Meyers Vater war selbstständiger Handelsvertreter für Schuhe. Er war sehr viel unterwegs und nur am Wochenende zu Hause. Dies hier ist die Geschichte einer jüdischen Familie zu Zeiten Hitlers und davor. Es beginnt 1926 als Ruth etwa fünf Jahre alt war und die Familie dann ein neues Haus baute. Niemand konnte sich vorstellen, dass es nochmal einen Krieg geben würde, denn der Große Krieg war allen noch in bester Erinnerung. Doch schon da begann Hitlers Hetzkampagne und es wurde – wie wir ja alle wissen – immer schlimmer. Bis hin zum Ausschluss aus der Gesellschaft. Lange Zeit konnte sich niemand vorstellen, dass geschehen würde, was letztendlich tatsächlich geschah. Keiner wollte eigentlich aus Deutschland weg, denn dieses Land war doch ihre Heimat. Auch Ruths Eltern, Karl und Martha Meyer wollten nicht weg.

    Was wird die Familie tun? Wird sie einen Auswanderungsantrag stellen? Und wird er genehmigt werden? Was passiert mit Ruth und ihrer Schwester Ilse?


    Meine Meinung

    Das Buch ließ sich sehr gut lesen. Auch ist der Schreibstil von Ulrike Renk nach meinem Geschmack. Es ist – zunächst – ein ruhiges Buch. Es passiert nicht viel, denn wir lesen nur, wie Ruth darauf kam, zu nähen, warum ihr Vater einen Chauffeur brauchte, und wie sie sich mit dem Nachbarsmädchen anfreundete, die nicht jüdisch war. Wir lesen, von ihrer Schulzeit, ihren Freundinnen und ihren Unternehmungen. Doch dann kommt Hitler an die Macht. Niemand hatte sich aus Ruths Familie und Bekanntenkreis vorstellen können, was dieser Mann für ein Unheil anrichten würde. Ja, ein Onkel wurde sogar, ich möchte sagen ausgelacht, weil er bereits ein Auswanderungsantrag nach Palästina gestellt hatte, als Hitler noch gar nicht Reichskanzler war. Erst als es fast schon zu spät war, wollten auch Meyers auswandern. Was Ruth während der ganzen Zeit so alles erlebte und wie ihre Jugend verlief können wir alles in diesem Buch nachlesen. Zuerst erschien es mir etwas langatmig, es passierte einfach nichts Gravierendes, doch dann hat es mich doch in seinen Bann gezogen, ich wollte wissen, ob es Ruth gelingen würde zu überleben. Da dies ein Mehrteiler wird, bin ich somit auch sehr gespannt auf die Folgebände. Auf jeden Fall hat Ulrike Renk in diesem Buch sehr anschaulich die Ereignisse aus Ruth Meyers Leben wiedergegeben. Natürlich ist einiges auch fiktiv. Denn wie wir im Nachwort lesen können, gab es diese Familie und auch noch einige andere Personen aus diesem Buch tatsächlich. Ich finde es super, dass Ulrike Renk in einem Nachwort erklärt hat, welche Personen es tatsächlich gab und ich finde, sie hat super recherchiert. Auch befindet sich am Anfang des Buches eine Liste der vorkommenden Personen, was ich auch sehr schön finde. Dieses Buch hat mich wider Erwarten doch sehr gefesselt – trotz kleiner Längen am Anfang – in seinen Bann gezogen und gut unterhalten. Ich habe einmal mehr mich über diesen Größenwahnsinnigen aufregen können, der so viel Leid über die Menschen gebracht hat und nicht nur über die Juden. Von mir gibt es für dieses Buch eine Empfehlung sowie volle Bewertungszahl.

  • Jahre aus Seide erzählt die Geschichte der Familie Meyer in Krefeld von Mitte der zwanziger Jahre bis zur Reichskristallnacht. Karl Meyer verdient gutes Geld, die Familie ist wohlhabend und muss sich keine Sorgen um die Zukunft machen. Doch langsam aber sicher ziehen die Wolken des Nationalsozialismus auf und nach und nach schleicht sich die Angst in das Leben der Familie ein. Immer wieder kommt es zu Repressalien und schließlich beschließt die Familie das Land zu verlassen.

    Ulrike Renk hat es geschafft, was bei Romanen dieser Zeit wirklich schwierig ist. Sie beschreibt den Alltag der Familie mit all ihren Freuden und Sorgen so, dass man das Gefühl hat, hier einfach die Geschichte einer Familie erzählt zu bekommen, die so lebt wie wir heute auch. Der Alltag mit Schule Beruf und den Feiertagen ist so toll beschrieben, dass man Ruth fast darum beneiden möchte. Sie hat gute Freundinnen, liebende Eltern und viel Spaß an der Handarbeit. Und doch merkt man, wie die Angst und die Sorge um die Zukunft langsam Einzug hält. Niemand weiß was kommen wird und jeder hofft, dass es doch nicht so schlimm werden wird und die Leute doch zur Vernunft kommen werden. Und so wird trotz allem weiter gemeinsam gefeiert und in den Urlaub gefahren.

    Mich hat dieses Buch sehr berührt. Die Familie Meyer muss wirklich etwas Besonderes gewesen sein. Sie hatten es nicht immer leicht und trotzdem haben sie immer versucht anderen zu helfen. Und sie haben als Familie fest zusammengehalten.

    Es hat mir auch gezeigt, dass es zu allen Zeiten auch Menschen gibt, denen Dinge wie Religion in Bezug auf andere Menschen nicht wichtig sind. Ist doch egal ob Jude oder Christ, Menschen sind wir doch alle. So handeln die Meyers und so wird glücklicher weise auch mit ihnen umgegangen. Und trotzdem reicht es nicht um das Unheil aufzuhalten.

    Mir sind die Meyers sehr ans Herz gewachsen und ich freue mich, dass es noch zwei weitere Bücher geben wird, in denen wir ihren weiteren Lebensweg begleiten können.

    Für mich ist dieses Buch eines meiner Jahreshighlights, es hat mich sehr angefasst und nachdenklich zurückgelassen.

    Von mir eine hundertprozentige Leseempfehlung!

    10 von 10 Punkte

  • Inhalt: Der Roman bildet den Auftakt einer neuen Trilogie von Ulrike Renk, die auf wahren Begebenheiten beruht.

    Im Mittelpunkt steht Ruth Meyer, ein jüdisches Mädchen, das wohlbehütet in den zwanziger und dreißiger Jahren in Krefeld aufwächst.

    Familie Meyer geht es gut, der Vater verdient als selbstständiger Handlungsreisender für Schuhe den Lebensunterhalt für seine Frau und die beiden Töchter Ruth und Ilse.

    Er ist sogar so erfolgreich, dass die Familie sich ein schönes Haus bauen und einige Hausangestellte leisten kann.

    Doch das Erstarken der Nationalsozialisten in Deutschland macht nicht nur den Erwachsenen der jüdischen Gemeinde Sorgen. Auch die Kinder und Jugendlichen bekommen die Einschränkungen im Alltag immer deutlicher zu spüren.


    Meine Meinung: Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, auch wenn er in großen Teilen lediglich vom alltäglichen Leben der Familie Meyer erzählt. Aber vielleicht auch gerade deswegen.

    Dem Leser wächst Ruth regelrecht ans Herz. Man sieht sie vor dem inneren Auge heranwachsen, zu Beginn des Buches ist sie ja erst 5 Jahre alt zum Ende ca. 16 Jahre, und bekommt so einen guten Einblick in das Familienleben und die Beziehungsgeflechte mit den weiteren Angehörigen, befreundeten Familien und den Hausangestellten.

    Besonders das Kindermädchen Leni ist eine enge Bezugsperson für Ruth, der Chauffeur schon fast ein Freund für den Vater.

    Während der ersten Jahre passiert wenig dramatisches in Ruths Leben und Umfeld. Sie wächst heran wie jedes kleine Mädchen, spielt mit ihren Freundinnen, besucht zunächst die Volksschule und darf später aufs Lyzeum, als Teenager verliebt sie sich und macht all die Dinge gerne, die jeder Teenager gerne macht.

    Die Erkenntnis, dass sich in Deutschland das politische Klima verändert, bekommt sie zunächst nur am Rande, mit zunehmendem Alter und Vernunft dann immer deutlicher mit.

    Diese Geschichte erzählt die Autorin auf eine leise, aber angenehme Art und Weise. Trotz des leichten Schreibstils kann man die immer drängenderen Sorgen und Nöte der jüdischen Familien spüren.

    Die Diskussionen ums Auswandern, ob überhaupt oder eher nicht, und wenn ja, wann und wohin, lassen den Leser die aufkommende Panik spüren. Noch kann sich niemand das wirkliche Ausmaß dessen vorstellen, das schon in wenigen Jahren über sie herein brechen wird.

    Im Nachwort berichtet Ulrike Renk darüber, wie es zu diesem Buch gekommen ist und dass der Roman auf den Lebenserinnerungen von Ruth Meyer, die als Tagebuch erhalten geblieben sind, basiert.

    Ich bin auf jeden Fall gespannt auf die weiteren Bände und warte ungeduldig auf deren Erscheinen.


    10 Punkte!

  • „Jahre aus Seide“ ist der erste Band einer Trilogie um die Familie Meyer.

    Die Geschichte der Familie Meyer beginnt im Jahr 1932 in der Samt-und-Seide-Stadt Krefeld. Ruth wächst mit ihrer kleinen Schwester Ilse sehr behütet auf. Vater Karl ist erfolgreich als Schuhhändler unterwegs. Martha möchte ihren Kindern eine gute Mutter sein, da sie selbst erlebt hat, wie kalt die Atmosphäre in ihrer Kindheit war. Meyers bauen ein Haus gegenüber der Villa Merländer, das für sie ein wirkliches Zuhause wird. Ruth findet schnell Kontakt zu Rosi, der Tochter von Merländers Chauffeur. Als Rosi Ruth Stoffmuster aus der vorjährigen Kollektion Merländers schenkt, fängt Ruths Begeisterung für Stoffe und das Nähen an. Doch dunkle Schatten ziehen auf und es gibt ständig neue Einschränkungen für jüdische Familien. Daher rückt man näher zusammen und versucht das Leben trotzdem zu genießen. Aber immer mehr Familien wollen weg aus Deutschland. Karl zögert lange, zu lange. Dann gibt es gewaltsame Übergriffe. Wird es der Familie gelingen, sich zu retten?

    Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten und die Autorin berichtet im Nachwort, wie sie dazu kam, sich mit Ruths Geschichte zu beschäftigen.

    Die erste Hälfte des Buches lässt uns am Familienleben der Meyers teilhaben. So lernt man die Protagonisten gut kennen. Es passiert nicht viel und doch spürt man etwas Bedrohliches. Ich denke, dass es gerade dieser Kontrast zu dem späteren Geschehen ist, der einen so erschüttert.

    Ich habe einiges Neue erfahren, anderes aufgefrischt über den jüdischen Glauben und seine Feste.

    Den Meyers geht es gut, aber sie haben auch ein Herz für andere. Sie helfen gerne, selbst dem Nazi, dem das Geld ausgegangen ist. Ihre Angestellten haben es gut bei ihnen und zu Karls Fahrer Aretz und seiner Familie gibt es eine freundschaftliche Beziehung. Man sieht die Gefahr und glaubt doch, dass der Spuk schnell wieder vorbei ist. Karl betrachtet sich in erster Linie als Deutscher und erst dann als Jude. Das lässt ihn auch zögern, einen Ausreiseantrag zu stellen. Wir wissen heute alle, wie es dann weiterging; erst traf es die Geschäfte von Juden, dann die Synagogen. Der Schulbesuch wurde jüdischen Kindern verwehrt, die Berufsausübung den Erwachsenen und dann gab es die Jagd auf jüdische Menschen…

    Man wollte die Juden nicht haben und machte ihnen doch die Ausreise schwer. Die Nachbarländer sahen zu und auch sie wollten die jüdischen Menschen nicht. Zum Glück gab es aber auch Menschen, die nicht mitmachten, sondern halfen.

    Wir erleben alles hautnah am Schicksal der Familie Meyer mit, zuerst das glückliche, unbeschwerte Familienleben, dann die Angst, aber auch die Hoffnung und am Ende die Übergriffe. Das macht es besonders bedrückend. In mir löste es Fassungslosigkeit und Wut aus, Wut auf die Engstirnigen, die mit fadenscheinigen Begründungen Jagd auf Minderheiten machten.

    Es ist ein sehr emotionales Buch, das hoffentlich eine Warnung ist, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Ich bin schon sehr gespannt auf die Folgebände.


    5/5

  • Das Buch:

    Träume aus Seide in Zeiten des Aufruhrs.

    1932: Ruth hat eine unbeschwerte Jugend. Die meiste Zeit verbringt sie in der Villa des benachbarten Seidenhändlers Merländer. Sie ist fasziniert von den kunstvoll bedruckten Stoffen, lernt Schnittmuster zu entwerfen und Taschen und Zierrat zu fertigen. Und sie begegnet Kurt, ihrer ersten großen Liebe. Als die Nazis an die Macht kommen, scheint es für sie keine Zukunft zu geben, denn sie sind beide Juden. Kurts Familie trägt sich mit dem Gedanken auszuwandern, auch Ruth soll gegen ihren Willen ihr Elternhaus verlassen. Und dann kommt der Tag, an dem das Schicksal ihrer Familie in Ruths Händen liegt.

    Eine dramatische Familiengeschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht. Quelle Amazon


    Die Autorin:

    Ulrike Renk, geboren 1967 in Detmold, zog ein paar Jahre später mit Eltern und Bruder nach Dortmund, wo sie auch die Schule besuchte. Studienaufenthalt in den USA, Studium der Anglistik, Literaturwissenschaften und Soziologie an der RWTH Aachen. Sie ist Mutter von vier Kindern. Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem jüngsten Sohn, zwei Alaskan Malamute, drei ordinären Hauskatzen und zwei indischen Laufenten, in Krefeld am Niederrhein und arbeitet als freie Autorin.

    2005 erschien ihr erster Krimi "Seidenstadt Leichen" bei einem kleinen lokalen Verlag und hatte einen überraschenden Erfolg. Fünf weitere Krimis um Hauptkommissar Jürgen Fischer aus Krefeld folgten. Die ersten Bänden werden 2017 erneut als Printausgabe im Gmeiner Verlag erscheinen


    Meine Meinung:

    Es ist noch gar nicht lange her, als ich hier die Ostpreussen Saga als Leserunde verschlungen habe. Und ich habe da gedacht, das ist so ziemlich das Wundervollste was ich in letzer Zeit gelesen habe, ich habe Freddy einfach geliebt und war sehr traurig nach dem Lesen der letzten Seite. Ich dachte, viel besser kann eine neue Reihe nicht werden, aber ich wollte es trotzdem testen und so hab ich mich auch hier angemeldet. Es kommt ja schliesslich von Ulrike, kann also nicht schlecht sein. Und ich wurde unfassbar überrascht.


    Dieses Buch bzw. Bücher beruhen auf wahren Begebenheiten und auf dem Tagebuch von Ruth Meyer.

    Auch hier ist es wieder so, das man sofort mitten im Buch landet, man muss sich nicht erst ellenlang einlesen. Besonders Ruth war mir sofort vertraut und ich war mitten drin in ihrer Welt und ihrer Zeit. In diesem Buch ist es so, das Ruth ganz tollen Eltern hat, die gar nicht übermässig streng sind wie es zu dieser Zeit sonst der Fall war. Martha und Karl Meyer wollen wirklich nur das Beste für ihre Kinder. Karl fährt durch die Gegend um Schuhe zu verkaufen, Martha kümmert sich um den Haushalt und die Kinder und die Familie ist nicht arm. Der Umgang mit den Kindern ist sehr liebevoll, eigentlich erstaunlich das Martha das so macht, denn ihre Mutter ist nun alles andere als liebevoll, mit Emilie bin ich auch nie wirklich warm geworden.

    Ruth und ihre kleine Schwester Ilse haben zudem noch ein tolles Kindermädchen, die liebe Leni, beide lieben die junge Frau sehr. Doch es kommen leider schwere Zeiten auf alle zu, denn die Familie Meyer ist jüdisch, auch wenn sie nicht ganz so streng jüdisch leben wie vielleicht manch anderer. Als es immer mehr wird, das Juden nicht mehr erwünscht sind, macht die Autorin sehr gut deutlich, wie schwer es ist, gerade für Kinder, das überhaupt zu verstehen. Denn sie sind eben nicht anders, nur weil sie Juden sind. Natürlich kommt bald die Frage auf, ob sie auswandern oder bleiben sollen. Keiner weiss wie lange sie in Deutschland noch sicher sind. Und für Karl wird es immer schwerer Schuhe zu verkaufen, weil man ja bei Juden nichts mehr kaufen darf. Und trotzdem versucht diese tolle Familie es, das Ruth und Ilse eine halbwegs unbeschwerte Kindheit erleben dürfen. Zum Ende des Buches geht das natürlich nicht mehr..

    Das Buch geht also ungewiss zu Ende und man kann gar nicht glauben, das man es schon durch hat, man will natürlich wissen, wie es mit der Familie weitergeht und möchte am liebsten sofort weiterlesen, es wird aber noch eine Weile dauern, bis man wieder drin sein wird in dieser wunderbaren Familie.


    Aber ich kann es verstehen, dieses Buch bzw. die Reihe schreibt sich nicht einfach so weg, dann wäre es keine Reihe von Ulrike Renk, hier stimmt alles, es ist enorm gut recherchiert und das kostet mit Sicherheit Zeit und ist viel Arbeit und mit Sicherheit auch emotional nicht ohne. Und dafür kann man warten, bis dahin bleibt Ruth etwas versteckt in meinem Herz um dann zum Erscheinen des nächstes Bandes wieder voll präsent zu sein. Ich freue mich wahnsinnig darauf.


    Dieses Buch ist nicht nur eine schöne Geschichte, es trifft einen ganz tief in die Seele und man ist nach so vielen Jahren noch immer erschüttert über diesen furchtbaren Hass. Niemals darf so etwas wieder passieren.




    Volle 10 Eulenpunkte



    Herzlichen Dank an den Verlag für das Buch und an dich liebe Ulrike Renk für die Begleitung unserer Leserunde<3<3:blume








  • Ulrike Renk: Jahre aus Seide - Leserunde mit Autorin ab 20.12.2018



    Zum Inhalt:

    Der erste Band dieser Romanreihe handelt von Ruth, ihrer jüdischen Familie und näherem Umfeld im linksrheinischen Krefeld, der Stadt mit florierender Textilindustrie in den 1920er und 1930er Jahren. Wir lernen Ruth knapp sechsjährig kennen und verfolgen ihre wohlbehütete Kindheit und Jugend in einer Zeit, in der es für Juden in Deutschland anfangs schwierig, dann immer unmöglicher gemacht wurde, sich als „normale“ Deutsche zu fühlen. Das Regierungschaos der Weimarer Republik klingt an manchen Stellen an und ist mit ein Grund, warum viele Juden nicht an eine Diktatur glauben, in der Nazis ihre Hasspredigen in Diskriminierungsgesetze gießen könnten.

    Die kleine Ruth wächst in einem wohlhabenden, liebevollen Elternhaus auf und sieht in den Bräuchen ihrer „christlichen“ Umgebung nur eine Bereicherung der Glaubenspraxis der Religion ihrer Eltern und Verwandten. Sie geht zwar auf eine jüdische Grundschule behält aber den Kontakt zur Nachbarstochter Rosi aufrecht. Als sie danach auf das Lyzeum gehen darf, ist sie zwar plötzlich mit ihrer Religion in der Minderzahl, freundet sich aber problemlos mit ihren Klassenkameradinnen an. Durch das herzliche Verhältnis, das sie und ihre Eltern zu den von ihnen beschäftigten Dienstleuten hat, lernt sie fast nur liberale Ansichten kennen.

    Doch die Idylle wird von außen gestört. Schlimme Nachrichten kursieren in der jüdischen Gemeinde. Die Pessimisten denken darüber nach, Deutschland zu verlassen. Doch die Optimisten sind noch in der Überzahl und wähnen sich als „ordentliche“ Deutsche akzeptiert.

    Dann stören die Rassengesetze des Dritten Reichs die Harmonie und langsam häufen sich die bedrohlichen Einschränkungen, die das Familienleben ungemütlich machen. Man findet zwar noch kleine Kompensationen und Fluchtpunkte, wo man sich mit Freunden und Verwandten entspannen kann – aber die Hoffnung der Optimisten wird zunehmend fadenscheiniger. Die Jahre aus Seide gehen jäh mit der Reichskristallnacht zu Ende. Der Cliffhanger ist riesig und weist auf die folgenden Bände hin.



    Im Anhang erzählt die Autorin eindrücklich wie sie zum Thema dieser Romanreihe gekommen ist und welche Recherchearbeit sie zur Ausarbeitung des Textes investiert hat. Grundlage waren hauptsächlich Ruths Tagebücher und Interviews mit Überlebenden, Zeitzeugen und Nachkommen dieser realen Familie Meyer und der Nachbarn Merländer.



    Meine Meinung:

    Wer ein leicht zu lesendes Buch mit heiterer Familiengeschichte mag, ist hier über lange Strecken gut bedient. Dass es mit diesem zeitgeschichtlichen Hintergrund nicht so heiter bleiben kann, sollte niemanden erstaunen, der auch nur ansatzweise über diese Judenverfolgung informiert ist.

    Die anfänglich kindlich-ideale Sichtweise durch Ruths Augen ändert sich mit zunehmendem Alter und Verständnis der realen Verhältnisse zu leidvollen Erfahrungen.

    Mir war der Blickwinkel zu einseitig. Ich hätte gern noch andere Aspekte eingebracht gesehen, wie z.B. die Meinung der örtlichen Gemeindevorsteher oder Auseinandersetzungen mit fanatischen Judenhassern. Auch werden Intellektuelle, die Deutschland damals verlassen haben und andere politisch Verfolgte nicht erwähnt.



    Dennoch möchte ich der Autorin meine Anerkennung für ihr Werk aussprechen und mich dafür bedanken, dass sie diese Leserunde mit ihren Erklärungen begleitet hat. :anbet

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Franz Kafka: Das Schloss

  • Ich bin durch die Eulen auf Ulrike Renk aufmerksam gemacht worden, mir hat die Ostpreußensaga sehr gut gefallen. Diese handelte in einer für mich neuen Region und ich habe dadurch eine ganze Menge gelernt.


    Ich habe mich gefreut, als nun eine neue Trilogie angekündigt wurde und hier zum Auftaktband eine Leserunde mit Autorin angeboten wurde. Natürlich habe ich auch schon etliche Bücher gelesen, die um die Machtergreifung der braunen Partei spielen. Viele fiktiv, andere auch auf Tatsachenberichte/ Tagebücher von Zeitzeugen beruhen. „Jahre aus Seide“, wie auch die Fenhusen-Trilogie beruhen auf Lebenserinnerungen.


    Der Auftaktband führt uns ab 1926 gemächlich in das Leben der jüdischen Familie Meyer ein. Der Vater ist erfolgreicher Vertreter für Schuhe, man lebt daher gehoben, besitzt ein Mehrfamilienhaus und bewohnt ein Stadthaus. Für Tochter Ruth und Ilse gibt es ein Kindermädchen, man beschäftigt einen Chauffeur (der Vater ist fehlsichtig, hat daher keinen Führerschein), eine Köchin, jemanden für Hausreinigung & Wäsche. In der Nachbarschaft lebt ein Stofffabrikant und dieser schenkt der kleinen Ruth immer mal wieder Stoffreste/ alte Musterbücher. Ruth ist sehr interessiert und wissbegierig daraus etwas zu schneidern. Die Mutter ihres Vaters zeigt ihr viele Kniffe. Die Familie führt kein strenges jüdisches Leben, sondern einen Mix mit Traditionen und dem Leben mit Christen in Deutschland. Familie Meyer freundet sich mit der Familie des Chauffeurs an, den Aretz. Man verreist gemeinsam, Herr Meyer bezahlt den Aufenthalt für alle. Man führt ein gutes Leben, doch schleichend zieht in den Alltag die Angst um die Zukunft von in Deutschland lebenden Juden ein. Wegzug/ Auswanderung/ Palästina – die ersten Überlegungen bei Freunden und im Familienumfeld der Meyers. Bis 1938begleiten wir im ersten Band der Seidenstadt-Trilogie die Familie, wir Leser wissen - 80 Jahre später, was jüdische Familien bis 1938 und danach durchmachen mussten. Die Tagebücher der Ruth Meyer sind Basis für die Trilogie. Daher sind Spannungsbogen und Dramaturgie auch der Historie dieser Familie geschuldet.


    Ulrike Renk hat mal wieder ein gut lesbares Buch abgeliefert. Die Protagonisten sind mir schnell ans Herz gewachsen und natürlich hat man Angst um diese. Umso mehr, weil es sich um Menschen handelt, die tatsächlich gelebt haben. Ich bin gespannt auf die folgenden Bände und freue mich, wenn ich diese in 13 Monaten nebeneinander ins Regal stellen kann. Das wird hübsch aussehen.


    Ich bin auch gern geduldig im Warten auf die nächsten Bände. Was gut werden muss, braucht auch Schreibzeit. Den Auftakt habe ich sehr gern gelesen und werde mein Buch sicher an so manchen verleihen.


    Lobend hervorheben möchte ich bei diesem Roman die Lesefreundlichkeit, den angenehmen Zeilenabstand… „Durchschuss“ :) Die Bücher des Aufbau-Verlages werden zudem zu einem unschlagbaren Preis angeboten: € 12,99 € für eine Broschur liegt rund 2 € unter vergleichbaren Veröffentlichungen anderer Verlage. Jahre aus Seide ziert eine Dame in Lila, was mir besonders gut gefällt. Meine Großtante ist am Vorabend des LR-Startes mit 103 Jahren verstorben und Tante Lida werde ich in pastellfarbener Kleidung immer in Erinnerung erhalten, früher lila/ flieder, doch auch immer gern rosé und bis zum Ende sehr modebewusst. Wenn ich Bücher lese, die ab dem 1. WK spielen, sind meine Gedanken auch immer unweigerlich zu meiner Großelterngeneration gewandert/ meinen Zeitzeugen.


    Ich danke Ulrike Renk für die engagierte Begleitung der Leserunde und hoffe, wir lesen die Fortsetzungen wieder gemeinsam. Danke auch an den Verlag und Wolke!

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Der Roman " Jahre aus Seide" von Ulrike Renk erzählt die Geschichte von Ruth Meyer und ihrer Familie ab dem Jahr 1926. Das Buch ist der Auftakt zu der neuen "Seidenstadt-Trilogie".


    Die jüdische Familie lebt in Krefeld, der Vater ist ein erfolgreicher Schuhvertreter und die Mutter Martha kümmert sich sehr liebevoll um ihre zwei Töchter Ilse und Ruth. Zu Beginn des Buches kann die relativ wohlhabende Familie noch ein glückliches und unbeschwertes Leben genießen. Die Meyers erweben ein Grundstück in Krefeld und können sich ihren Traum von einem eigenen Haus erfüllen. Doch nach und nach wird ihr sorgenfreies Leben immer mehr von der politischen Situation in Deutschland überschattet. Ganz langsam schleicht sich die Angst und die Sorge ein in den Alltag der Familie. Immer mehr "Braune" sind auf den Straßen zu sehen, die Verbote für Juden werden verschärft und die Eltern von Ruth beginnen über ihre Zukunft in Deutschland nachzudenken. Dabei kommt immer häufiger die Rede auf eine mögliche Auswanderung nach Palästina oder Amerika auf. Dieser Band der Trilogie endet mit furchtbaren Ereingnissen im Jahre 1938.


    Die ganze Geschichte um die Familie Meyer beruht auf wahren Ereignissen, wie die Autorin in ihrem sehr interessanten Nachwort erklärt. Die Nachkommen der Familie Meyer haben Ulrike Renk die Original-Tagebücher von Ruth Meyer hinterlassen. Daraus hat die Autorin dann diese für mich tief bewegende und berührende Geschichte geschrieben.


    Das Buch hat mir ausgesprochen gut gefallen. Ich konnte darin versinken und habe es innerhalb weniger Tage ausgelesen. Die Geschichte von Ruth habe ich als wahnsinnig intensiv und emotional aufwühlend empfunden. Vor allem da der Leser zu Beginn des Buches noch einige glückliche und sorgenfreie Tage von der Familie miterleben darf, sind dann die Ängste und das Grauen, die sich so ganz langsam und unbemerkt in den Alltag einschleichen um so schlimmer und heftiger. Ich habe das Buch als sehr spannend, mitreißend und berührend empfunden. Ein ganz wichtiges Buch, gerade in unserer heutigen Zeit.


    Für mich war das Buch zum Jahresende 2018 noch mal ein absolutes Jahreshighlight. Ich vergebe auf jeden Fall die volle Punktzahl von 10 Punkten und warte ungeduldig auf das nächste Buch von Ulrike Renk.

    Vielen Dank auch nochmal für die ausführliche Begleitung der Leserunde durch die Autorin und für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar

  • Nachdem sich das Buch ein wenig gesetzt hat kann ich auch meinen Leseeindruck niederschreiben.

    Wir befinden uns in Krefeld im Jahre 1926. Wir dürfen die sympathische und auch außerordentlich hilfsbereite Familie Meyer kennen lernen. Da ist zum einen Karl, der mit seiner Schuhvertretung ganz gute Geschäfte macht. Seine Frau Martha kümmert sich derweil um Haushalt und die beiden Mädchen Ruth und Ilse. Die Eltern Karls und Marthas Mutter Emmi sind auch mit von der Partie.

    Schon ziemlich am Anfang wird klar, die Zeiten werden sich ändern. Da ist Schwager Berthold, der schon Pläne hat nach Palästina auszuwandern. Der Rest der Familie hält das "noch" für übertrieben. Ach ja, Familie Meyer ist keine "normale" deutsche Familie im Sinne der Nationalsozialisten, denn sie sind Juden. Nicht sehr religiös doch der Shabbat und religiöse Hochfeste werden gefeiert und eingehalten. Koscher zu kochen ist Martha zu aufwändig.


    Ulrike Renk hat mit dem ersten Band der "Seidenstadt-Saga" ob damit Krefeld gemeint ist?? einen guten Start hingelegt. Obwohl ich manches Mal dachte, es könnte zügiger vorangehen in der Erzählung, trifft sie doch sehr genau den Nerv der damaligen Zeit. Man ist sich sicher, fühlt sich wohl, baut etwas auf und genießt das Leben. Aufkommende Sturmwolken werden zuerst nicht ernst genommen, bis es dann Tatsache wird, Juden sind unerwünscht im Deutschland der Nazis.

    Karl hat immer weniger zu tun, deutsche Angestellte dürfen nicht mehr in jüdischen Haushalten arbeiten, was Martha schwer zu schaffen macht.

    Das Buch basiert auf einer wahren Geschichte, den Tagebüchern der Tochter Ruth Meyer. Wie und ob die Familie den Naziterror übersteht, das erfahren wir leider erst im nächsten Band. Ich hoffe das Beste.

    Vielen Dank an Ulrike Renk für die schönen Erklärungen in ihrer Leserundenbegleitung und an den Verlag für das freie Exemplar.

  • Mit "Jahre aus Seide" beginnt die Trilogie der Autorin Ulrike Renk um das Schicksal der jüdischen Familie Meyer.

    Ruth wächst mit ihrer Schwester Ilse in einem sehr behüteten Umfeld in Krefeld auf. Ihr Vater Karl ist erfolgrich als Schuhvertreter unterwegs. Ihre Mutter Martha kümmert sich um Kinder und Haushalt, unterstützt vom Kindermädchen Leni und der Köchin Jansen. Der Nachbar ist der jüdische Seiden- und Stofffabrikant Richard Merländer Ruth freundet sich mit Rosi, der Tochter des Chauffeurs, an. Durch die Großmutter erlernen sie das Nähen. Merländer überläßt ihnen immer wieder Stoffproben aus seinen Musterbüchern. Als der Nationalsozialismus um sich greift, bröckelt die heile Welt der Familie Meyer. Die Juden werden aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Wie kann man sich in Sicherheit bringen? Muß man tatsächlich Deutschland verlassen?


    Die Autorin hat mit Hilfe von Tagebuchaufzeichnungen von Ruth Meyer dieser Geschichte autobiografische Züge verliehen. Wir lernen die junge Familie kennen und dürfen ihren liebevollen Alltag miterleben. Die Eltern sind zwar jüdisch, zeigen sich aber sehr offen gegenüber anderen Leuten. Und diese Offenheit wird an die Kinder weitergegeben. Man pflegt ein geselliges Miteinander. Erst als sich die politische Situation ändert, kommt es zu Spannungen innerhalb der Familie. Aber man versucht, immer das beste aus dem Alltag zu machen. Wir erleben, wie schwer es den Juden gemacht wird, eine Ausreisegenehmigung zu erhalten.


    Die Autorin hat die Protagonisten ausführlich ausgearbeitet. Man kann sich gut in sie hineinversetzen, mit ihnen fühlen und hoffen. Ruth ist ein neugieriges Mädchen, die ihre Umwelt interessiert aufnimmt. Martha ist eine liebevolle Mutter, die versucht, ihren Kindern das zu geben, was sie bei ihrer eigenen Mutter vermißt hat. Karl ist ein treusorgender Ehemann und liebevoller Vater. Mit Aretz, dem Chauffeur der Familie Meyer, ist die Familie eng befreundet. Leni, das Kindermädchen, ist ein wichtiger Teil der Familie.


    "Jahre aus Seide" ist ein wunderbarer Auftakt der Trilogie. Ich bin gespannt auf die Fortsetzung. Ich kann diese einfühlsam erzählte Geschichte sehr empfehlen.


    Vielen Dank an Ulrike Renk für die ausführliche Begleitung dieser Leserunde!

  • Ruth Meyer wächst behütet im Krefeld der 1920er Jahre auf. Ihr Leben kennt keine Einschränkungen, da ihr Vater genügend verdient, um seiner Familie alle Wünsche und ein schönes Leben zu ermöglichen. Doch mit Hitlers Machtübernahme in den 30er Jahren ändert sich das Leben der Familie Meyer schlagartig, denn sie sind jüdisch und haben immer mehr unter der umschlagenden Stimmung zu leiden...


    Dieser Roman ist viel mehr ein Zeitdokument als Unterhaltungsliteratur. Bereits zu Beginn wird ein Tagebucheintrag von Ruth Meyer vorangestellt, der verdeutlicht, dass es sich bei der Familie Meyer um eine jüdische Familie handelt, die tatsächlich in Krefeld gelebt und gewirkt hat. Ruth Meyers Tagebucheinträge sind ihrem Original-Tagebuch entnommen und Ulrike Renk hat ihre Geschichte rekonstruiert und in Romanform gebracht. Der vorliegende Roman ist somit der Auftakt einer Trilogie, die sich das Schicksal der Familie Meyer annimmt, die in Krefeld gelebt hat, als der Nationalsozialismus über Deutschland herein kam.


    Wir verfolgen das Leben der Familie Meyer, das vor allem in den 1920er Jahren fast nur schöne Seiten aufweist. So werden wir in einen Familienroman eingeführt, der vor allem eins ist: schön. Ich finde diese Einführung sehr wichtig, weil sie sehr gut vor Augen führt, wie integriert jüdische Familien waren, so dass das ganze kommende Gräuel noch unverständlicher und grausamer wird. Fluchtgespräche sind schon länger Thema, aber nur die pessismistischsten Leute rechnen wirklich mit dem Schlimmsten, was noch nicht mal annährend an die Realität heran kommt. So beschleicht einem beim Lesen immer wieder ein ungutes Gefühl und eine Hilflosigkeit.


    Neben den historischen Entwicklungen liegt das Augenmerk vor allem auf dem Alltag der Familie. Familienprobleme, jüdische Feste in einer christlich-geprägten Gesellschaft (Weihnachtsbaum an Chanukka?), das Auf und Ab des Liebeslebens einer Jugendlichen, Urlaube, Arbeit und Freizeit - all das wird an Themen aufgegriffen und somit wird das Buch für mich wirklich zu einem Zeitdokument, das vielleicht nur wenig dramaturgische Spannung aufweist, aber dafür umso spannender vom interessanten Inhalt her ist.



    Da die Autorin viel um die Familie Meyer herum recherchiert hat, kann ich dieses Buch empfehlen. Es gibt dem Leser die Chance, das Schicksal einer jüdischen Familie in Nazi-Deutschland zu verfolgen, ohne zu einem "schweren" Sachbuch greifen zu müssen.

  • "Jahre aus Seide" - der Titel deutet wohl nicht nur darauf hin, dass Ruth, die Protagonistin des Buches, Stoffe liebt. Nein, ich für meinen Teil habe dies auch auf die schönen Jahre bezogen, die die Familie Meyer erleben durfte.

    Seide impliziert etwas Angenehmes, Schönes, Wertvolles.

    Und das waren die Anfangsjahre im Leben von Ruth und ihrer Familie auch.

    Diese Zeiten werden ausführlich und in einem einfachen, gut zu lesenden Stil beschrieben.

    Ruth erschien mir dabei immer ihrem Alter etwas voraus. In der Sprache, in den Handlungen.

    Das hat mich manchmal irritiert, vor allem dann, wenn an einer Stelle ihr Alter erwähnt wurde.

    Dann dachte ich, redet so eine 6-jährige? Eine 8-jährige?


    Die Zeit schreitet voran und die Lebensumstände werden schwieriger.

    Dies wird immer aus der Sicht der Familie Meyer beschrieben, die Arbeit des Vaters wird stark beeinträchtigt, Juden dürfen dies und jenes nicht mehr. Die Anfeindungen wachsen.

    Aber es bleiben auch die Freunde, der Fahrer Arentz, das Kindermädchen, die Köchin. Alle stehen, so lange es möglich ist, treu zu der Familie.

    Gegen Ende wird die Erzählweise etwas spannender.

    Und man hofft sehr, dass es die Familie schafft, aus Deutschland heraus zu kommen.


    Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich im Buch "drin war".

    Immer wieder tauchen auch Schreibfehler auf.

    Aber am Ende würde ich sagen, dass ich das Buch gerne gelesen habe und den weiteren Bänden gegenüber nicht abgeneigt bin.

    Für diesen Auftaktband gibt es von mir 7 von 10 Sternen.

  • Ulrike Renk legt mit „Jahre aus Seide“ den ersten Band einer neuen Familiensaga vor. Wer von ihr die Ostpreußen-Saga gelesen hat und meinte es geht nicht intensiver, dem beweist die Autorin, dass sie es dennoch kann.

    Das Cover ist recht typisch gehalten und spricht mich nicht so wirklich an, aber wie immer sind Cover ja auch Geschmacksache. Der Klappentext ist in der Rückschau meiner Meinung nach auch nicht so gut gewählt, zwar beschreibt er die zentralen Punkte des Romans, aber er setzt meiner Meinung nach, falsche Zusammenhänge, da z.B. Ruth und Kurt sich nicht aufgrund der Naziherrschaft trennen, sondern weil sie sich weiterentwickeln und neu sondieren müssen, ob sie noch zusammen sein wollen.

    Die Figurenzeichnung in dem Roman ist sehr intensiv. Er wird kontinuierlich aus der Perspektive von Ruth erzählt, wobei uns dadurch die Erzählerin sehr nah ist und wir ihre Gefühlswelt und Gedanken explizit kennen lernen. Aber auch der Rest der Familie bleibt uns nicht fern, ihr Handeln ist symbolisch für ihr Denken und dadurch hat der Leser das Gefühl die beteiligten Personen sehr gut zu kennen.

    Der Roman wird chronologisch, mit Zeitsprüngen, erzählt. Die Repressalien gegenüber den Juden nimmt immer mehr zu, es ist nicht was auf einmal da ist. Zudem bekommen wir als Leser ein gutes Gefühl dafür, dass viele Juden sich zuerst als Deutsche gefühlt haben und erst dann als Juden. Ebenso, dass die viele Juden sich überhaupt nicht streng an die religiösen Vorschriften (z.B. Speisevorschriften) gehalten haben, sondern teilweise sehr offen und liberal eingestellt waren.

    Mir hat der Roman sehr gut gefallen und ich war oft sehr betroffen, musste ein paar Tränen verdrücken und bekam das eine oder andere Mal Gänsehaut, weil mich der Roman so tief berührte. Ein nachhallendes Leseereignis.

    Ich bedanke mich sehr bei NetGalley Deutschland und dem Aufbau Verlag für die Bereitstellung des Lese- und Rezensionsexemplars. Bei Ulrike Renk bedanke ich mich, dass sie uns an dieser außergewöhnlichen Geschichte teilhaben lässt und alle Welt von Ruths Schicksal erzählt.

    Eine absolute Leseempfehlung für alle die sehr gerne berührende Geschichten lesen und alle Interessierten des Judentums und des frühen 20. Jahrhunderts.


    10/10 P.

  • Inhalt

    Ruth wächst glücklich und behütet auf, sie besucht das Lyzeum, verbringt die Sommer an der See und taucht in der benachbarten Villa des Seidenfabrikanten Merländer in die Welt der Stoffe ein. Mit Begeisterung lernt sie nähen und fertigt aus sorgsam gehüteten Stoffresten kunstvolle Verzierungen und kleine Taschen. Und sie verliebt sich. Kurt ist einige Jahre älter und, genau wie sie, jüdischen Glaubens. Dann kommen die Nazis an die Macht, und all ihre Träume für die Zukunft zerplatzen. Immer häufiger sind sie und ihre Familie Anfeindungen ausgesetzt, wissen nicht mehr, wem sie noch trauen können und stehen schließlich vor der Frage, ob sie ihre geliebte Heimat, Freunde und Verwandte verlassen müssen. Und dann kommt der schicksalhafte Tag, an dem sich das Leben von Ruth mit einem Mal ändert. (Thalia.de)

    Meine Meinung

    Die Geschichte beginnt recht harmonisch: Die Familie Meyer ist recht wohlhabend, Karl Meyer ist in seinem Beruf als Handelsvertreter für Schuhe erfolgreich und kann seiner Familie ein angenehmes Leben ermöglichen. Man zieht in ein neu erbautes Haus, beschäftigt mehrere Angestellte. Das alles wird so detailliert und anschaulich beschrieben, dass man sich fast schon als Teil der Familie fühlte. Ein Wohlfühlbuch, könnte man meinen – wäre da nicht das Wissen, dass auf die jüdische Familie sehr schwere Zeiten zukommen. Und dieses Wissen hat mir beim Lesen ein flaues Gefühl beschert. Im Laufe der Geschichte merkt man, dass die Zeiten immer unruhiger werden, die Restriktionen für Juden nehmen zu, öffentliche Anfeindungen auch. Umso mehr haben mir dann die kleinen Glücksmomente gefallen, beispielsweise, dass Ruth und ihre Familie sich einen Rückzugsort an einem Seitenarm des Rheins geschaffen haben, oder dass ihre Mitschüler trotz der in der Öffentlichkeit immer mehr herrschenden Judenfeindlichkeit zu Ruth hielten und ihr eine Abschiedsfeier bereiteten, als ihr der Schulbesuch verboten wurde. Ulrike Renk schafft es, wie auch schon in ihren früheren Büchern, dass man als Leser an schönen wie auch traurigen Momenten teilhat.

    Fazit

    Unbedingte Leseempfehlung von mir – eine Geschichte, die sich gut liest und trotzdem nachdenklich macht. Das Buch hat mich sehr berührt – und das sage ich nicht oft über ein Buch. Daher volle 10 Eulenpunkte von mir!

    Danke an Ulrike Renk , dass Du mir Ruth und ihre Geschichte näher gebracht hast. (Ein Besuch der Villa Merländer ist schon fest eingeplant!)

    Ein Dankeschön auch an Wolke und den Verlag für das Freiexemplar.

  • Wir haben dieses Buch in einer Leserunde mit Begleitung der Autorin gelesen.


    In diesem Roman geht es um das Leben und den Alltag von Ruth Meyer und ihrer jüdischen Familie in Krefeld, kurz vor der Machtergreifung der Nazis.
    Die Familie Meyer ist recht wohlhabend und die Kinder verbringen eine unbeschwerte und glücklichliche Kindheit und Jugend, doch so langsam schleicht sich der braune Schrecken unaufhaltsam an.

    Schikanen und Enteignung werden zur Tagesordnung und viele Familien spielen mit dem Gedanken, auszuwandern um den Nazis zu entkommen.


    Was dieses Buch so besonders macht, ist die Tatsache, das es nach Grundlage der Tagebücher von Ruth Meyer geschrieben wurde.


    Mir hat die Geschichte gut gefallen. Es gab lustige Momente, traurige und beklemmende und die Familie Meyer ist mir wie die Fennhusens sehr ans Herz gewachsen.

    Band 1 endet mit einem Cliffhanger und daher bin ich schon sehr gespannt auf Band 2!


    Vielen Dank an Wolke und den Verlag und an die Autorin für die aktive Begleitung dieser Leserunde.


    Von mir gibt es 9 Punkte.